Unser Heiland-Gott

In den Briefen an Timotheus und Titus spricht Paulus mehrfach von der Tatsache, dass unser Gott ein
„Heiland-Gott“ ist. Darin liegt der Gedanke, dass das Heil aller Menschen die Absicht Gottes ist. Eine besondere Stelle finden wir in 1. Timotheus 2,3.4. Dort lesen wir:

„Denn dies ist gut und angenehm vor unserem Heiland-Gott, der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.“

Dieser Vers nimmt Bezug auf das Gebet für alle Menschen, von dem Paulus in den ersten beiden Versen gesprochen hatte. Das Gebet für alle Menschen wird damit begründet, dass Gott ein Heiland-Gott ist.

Der Heiland-Gott

Gott ist ein Heiland. Heiland bedeutet einerseits
„Retter“ und andererseits „Erhalter“. Seine Güte und Menschenliebe gilt allen Menschenkindern; Ihm liegt
an ihrem Wohl, und Er will die Verlorenen erretten.
Schon im Propheten Jesaja lesen wir sechsmal davon, dass Gott ein Heiland ist. Aber dass die gute Botschaft des Evangeliums allen Menschen ohne Unterschied verkündigt wird, das ist typisch christlich. In diesem Sinn sollen wir auch für alle Menschen ohne Unterschied beten.

Der Wille Gottes

Dieser Heiland-Gott hat den Willen, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Er ist also nicht nur ein Heiland als Erhalter aller Menschen, sondern Er will alle Menschen vor dem ewigen Verderben retten. Daran liegt Ihm ganz besonders.

Natürlich geht es hier nicht um den unabänderlichen Ratschluss Gottes. Wenn Gott einen Ratschluss fasst, dann wird er ganz sicher zustande kommen (Jes 46,10). Wenn das hier gemeint wäre, würden tatsächlich alle Menschen errettet werden. Aber Gottes Wort bezeugt an zahlreichen Stellen klar genug, dass das nicht der Fall ist. In unserem Vers geht es nicht um den ewigen Ratschluss Gottes, sondern um Seine Absicht oder Seinen Wunsch. Er hat mit Seiner Gnadenabsicht alle Menschen im Blick. Er wünscht, ja begehrt, alle Menschen zu retten. Gott ist ein Gott, der Freude daran hat, Menschen zu retten.

Widerstand gegen den Willen Gottes

Wenn dennoch viele Menschen einmal ewig verloren gehen, dann ganz sicher nicht, weil Gott sie dazu bestimmt hat. Schon im Alten Testament hören wir Ihn sagen: „So wahr ich lebe, spricht der Herr, Herr, ich habe kein Gefallen am Tod des Gottlosen, sondern dass der Gottlose von seinem Weg umkehre und lebe!“ (Hes 33,11). Gott hat niemand zur Verdammnis zuvorbestimmt. Das zu behaupten, ist eine Lüge. Aber seit dem Sündenfall steht der Mensch unter der Knechtschaft der Sünde und widerstrebt dem Willen Gottes. Deshalb ist eine grundsätzliche Umkehr von seinen bösen Wegen nötig, und dazu ist nur der bereit, der im Gewissen vom Ruf Gottes zur Buße getroffen ist. Von solchen heißt es: „Wen dürstet, der komme; wer will, nehme das Wasser des Lebens umsonst“ (Off 22,17). Aber viele wollen nicht. Dennoch ist es Gottes unveränderliche Absicht, dass alle Menschen errettet werden.

In Johannes 5,40 lesen wir ein erschütterndes Wort des Herrn: „Ihr wollt nicht zu mir kommen, damit ihr Leben habt.“ Er wollte den Menschen Leben geben, aber sie wollten es nicht, weil sie Ihn nicht wollten. Dafür tragen die Menschen die volle Verantwortung. In Lukas 13,34 heißt es ähnlich: „Jerusalem, Jerusalem, die da tötet die Propheten und steinigt die, die zu ihr gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen wie eine Henne ihre Brut unter die Flügel, und ihr habt nicht gewollt!“

Alle Menschen

Gottes Gnadenabsicht umfasst also „alle Menschen“. Niemand ist ausgeschlossen. Zuvor hatte Paulus gesagt, dass „Christus Jesus in die Welt gekommen ist, um Sünder zu erretten“. Da jeder Mensch ohne Ausnahme ein Sünder ist, wendet sich auch die Botschaft der Gnade ohne Ausnahme an alle Menschen – ganz gleich welcher Nationalität, ob jung oder alt, Mann oder Frau, ob vermeintlich gut oder schlecht. Gott meint alle. Die Gnade Gottes ist erschienen, heilbringend für „alle Menschen“ (Tit 2,11).

Zwei Seiten

Gottes Absicht wird hier in zwei Punkten vorgestellt, die wir zwar unterscheiden, aber nicht von einander trennen können. Der Gedanke ist hier nicht, dass Gott zunächst einen Menschen rettet und dass dieser dann – zu einem späteren Zeitpunkt – zur Erkenntnis der Wahrheit kommt. In einer gewissen Hinsicht ist das
natürlich wahr, und andere Bibelstellen machen klar, dass das Erkennen der Wahrheit des Wortes Gottes und vor allem der Person des Herrn Jesus ein Vorgang ist, mit dem wir hier auf der Erde nicht zu Ende kommen werden. Aber in unserem Vers ist der Gedanke ein
anderer. Hier sind es zwei verschiedene Gesichtspunkte ein und desselben Vorgangs. Wenn ein Mensch errettet wird, kann das nicht geschehen, ohne dass er zur Erkenntnis der Wahrheit kommt. Man kann die beiden Seiten nicht trennen.

Errettung

Das Wort Gottes zeigt uns verschiedene Gesichtspunkte unserer Errettung. Zum einen wird sie gesehen als ewige Errettung für den Himmel, wie wir als Gläubige sie jetzt schon besitzen, zum andern als Errettung durch alle zeitlichen Umstände hindurch, bis wir am himmlischen Ziel sind. Hier meint Paulus offensichtlich die Errettung in ihrer Gesamtheit. Sie betrifft den Geist des Menschen, seine Seele und seinen Körper. Jeder Mensch braucht Errettung, weil er von Natur verloren und somit auf dem Weg in die ewige Gottesferne ist. Die Verdammnis ist die größte Gefahr, in der jeder Mensch steht. Davor kann sich kein Mensch selbst retten. Er muss errettet werden. Das kann nur Gott tun. Der Weg zur Errettung ist der Glaube und die Grundlage das Kreuz von Golgatha. In diesem umfassenden Sinn ist die Errettung die Befreiung des Menschen aus jeder Gefahr, sei es in der Vergangenheit, in der Gegenwart oder in der Zukunft. Das ist die Gnadenabsicht Gottes mit jedem Menschen.

Epheser 2,8 spricht von der Errettung als einer vollendeten Tatsache, die in der Vergangenheit liegt, aber gegenwärtige Auswirkungen hat: „Denn durch die Gnade seid ihr errettet, mittels des Glaubens; und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es.“

1. Korinther 1,18 spricht von der endgültigen Errettung ohne zeitlichen Bezug: „Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen [wörtl. den verloren Gehenden], Torheit; uns aber, die wir errettet werden [w. den errettet Werdenden], ist es Gottes Kraft.“

Hebräer 9,28 hat den zukünftigen Aspekt im Auge, der den Körper des Gläubigen einschließt. Er besagt, dass Christus, „nachdem er einmal geopfert worden ist, um vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Mal denen, die ihn erwarten, ohne Sünde erscheinen wird zur Errettung“. So erwarten wir den Herrn Jesus als unseren Heiland, „der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit“ (Phil 3,21).

Erkenntnis der Wahrheit

Wenn es um die Erkenntnis der Wahrheit geht, so dürfen wir hier nicht an die Erkenntnis einer speziellen Glaubenswahrheit denken. Es geht auch nicht um die Erkenntnis einer bestimmten Heilstatsache oder um die Wahrheit als Glaubensgut. Vielmehr geht es um die Beschaffenheit oder Qualität einer Sache. Gemeint ist Wahrheit in einem allgemeinen Sinn – um das, was wahr ist. Von Natur befindet sich der verlorene Mensch in der Gewalt Satans und damit im Bereich der Lüge. Wahrheit finden wir nur bei Gott. Nur Gott sieht die Dinge so, wie sie wirklich sind. Deshalb muss der Mensch seinen Standort wechseln. Der errettete Mensch „kommt“ aus dem Bereich der Lüge in den Bereich der Wahrheit. Der Mensch muss einsehen, dass Gott der unumschränkte Souverän ist und dass er gegen Ihn gesündigt hat. Er muss einsehen, dass es nur einen Gott gibt und nur einen Mittler zwischen Gott und Menschen: Das ist der Mensch gewordene Sohn Gottes, „der Mensch Christus Jesus“. Erkenntnis der Wahrheit bedeutet hier also sowohl das Anerkennen des eigenen Zustands als auch des Heilswegs, den Gott gegeben hat.

Gott will, dass wir von Seiner Gnadenabsicht, alle Menschen zu erretten und zur Erkenntnis der Wahrheit zu führen, durchdrungen sind. Das soll unsere Gebete, aber auch unser tägliches Verhalten prägen. Wir sind hier zurückgelassen, um in einer immer dunkler werdenden Welt als Lichter zu scheinen und das Wort des Lebens – das ist Christus selbst – sichtbar werden zu lassen.

E.-A. Bremicker

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2010, Heft 8, Seite 226

Bibelstellen: 1Tim 2, 3.4

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