Das öffentliche Gebet der Männer

Der 1. Timotheusbrief zeigt uns etwas von unserem Verhalten im Haus Gottes (1. Tim 3,15). Ein besonderer Aspekt dieses Hauses ist, dass es ein Bethaus sein soll
(Jes 56,7; Mt 21,13). Deshalb kommt dem öffentlichen Gebet der Gläubigen eine große Bedeutung zu. Davon spricht Paulus unter anderem in 1. Timotheus 2,8:

„Ich will nun, dass die Männer an jedem Ort beten, indem sie heilige Hände aufheben, ohne Zorn und zweifelnde Überlegung.“

Die einleitende Formulierung „ich will nun“ deutet an, das Paulus mit apostolischer Autorität – gleichwohl aber im Auftrag Gottes – spricht. Obwohl er mit dem Briefempfänger Timotheus durch das Band der Liebe und Freundschaft verbunden war, legt er großen Nachdruck auf seine Aussage. Dabei geht es durchaus nicht um seine persönliche Ansicht, sondern um Gottes Ansprüche. Diese Ansprüche galten damals und gelten heute unverändert. Umso mehr muss man sich wundern, dass diese Aufforderung oft so wenig beachtet wird.

Der Vers enthält im Wesentlichen vier Aussagen:

1. Es geht um das öffentliche Gebet. Paulus spricht von „jedem Ort“.

2. Es wird gesagt, wer öffentlich beten soll. Das sind die Männer – und nicht die Frauen.

3. Es geht hier ausschließlich um das Gebet.

4. Paulus erklärt, in welcher inneren Haltung die Männer beten sollen. Sie sollen heilige Hände aufheben, und zwar ohne Zorn und zweifelnde Überlegungen.

An jedem Ort

„An jedem Ort“, wo Gläubige beisammen sind, gibt es Gelegenheit zu einem öffentlichen Gebet. In anderen Schriftstellen bezeichnet der Ausdruck „an jedem Ort“ ebenfalls Orte, wo Menschen zusammenkommen (1. Kor 1,2; 2. Kor 2,14; 1. Thes 1,8). Das Zusammenkommen der Gläubigen zum gemeinsamen Gebet steht bei unserem Thema sicher an erster Stelle; so war es ja auch in den Tagen der Apostel (Apg 1,12-14). Aber es gibt durchaus auch andere Anlässe, die uns zusammenführen, wie Konferenzen, evangelistische Veranstaltungen, Jugendstunden und jede andere Gelegenheit, bei der wir die Gemeinschaft ausüben, in die der Herr uns als die Seinen gestellt hat. Da ist dieser Vers eine
Ermunterung für die Männer und erinnert sie zugleich an ein Vorrecht, von dem sie mehr Gebrauch machen sollten.

Die Männer

Paulus spricht nun die Männer an. Sie sollen „an jedem Ort“ beten. Das bedeutet, dass die Frauen es in der Öffentlichkeit nicht tun sollen. Wenn Männer und Frauen in der Öffentlichkeit zusammen sind und ein Gebet gesprochen wird, dann ist es das Vorrecht – und die Aufgabe – des Mannes, zu beten.

Ganz allgemein ist das Gebet natürlich das Vorrecht aller Kinder Gottes, ob Männer oder Frauen. Wir finden in der Bibel verschiedene Frauen, die gebetet haben, so zum Beispiel Hanna (1. Sam 2) und Maria (Lk 1). Der Inhalt ihrer Gebete zeigt, wie sehr sie geistlich gereift waren. Aber es waren persönliche und keine öffentlichen Gebete. In der Öffentlichkeit beten die Frauen nicht. Gott hat es so vorgesehen und festgelegt. Der Betende ist in einem gewissen Sinn „Sprachrohr“ für die Anwesenden und übernimmt damit eine gewisse „Führungsrolle“. Deshalb sollen Frauen in Anwesenheit von Männern nicht beten. Die Führung im Gebet hat der Mann und nicht die Frau. Das heißt keineswegs, dass Frauen etwa geistlich weniger reif wären als Männer, sondern dass es mit der Schöpfungsordnung Gottes zusammenhängt. In Christus gibt es nicht „Mann und Frau“, sondern „alle sind einer in Christus Jesus“ (Gal 3,28). Aber wenn es um die Stellung in der Schöpfungsordnung und das Verhalten im Haus Gottes geht, dann gibt es Unterschiede in Funktion und Aufgaben. Diese Unterschiede will Gott sichtbar machen.

Wenn Frauen in besonderen Fällen – etwa im privaten Bereich oder wenn sie unter sich oder als Mütter mit ihren Kindern zusammen sind – ein Gebet vor anderen sprechen, so fällt dies nicht unter die Anweisung dieses Verses. In einem solchen Fall ist es allerdings gut, dass eine Frau ihr Haar bedeckt. Die Anweisungen in 1. Korinther 11 machen das deutlich.

„Die Männer“ werden hier also den Frauen gegenübergestellt. Zudem dürfen wir unter Männern nicht eine bestimmte Gruppe von Brüdern verstehen, die etwa nach „Alter“ oder „Aufgabe“ von anderen unterschieden sind. Es geht um Männer generell. Beim Gebet geht es nicht um die Ausübung einer Gabe. Jeder Bruder kann in der Öffentlichkeit ein Gebet sprechen; natürlich sollte das in der richtigen inneren Haltung und unter der Leitung des Heiligen Geistes geschehen.

Das Gebet

Paulus spricht also die Männer an und fordert sie auf, in der Öffentlichkeit zu beten. Auch darüber wollen wir einen Moment nachdenken. Wenn wir in der Öffentlichkeit zu Gott beten, dann bringen wir unseren Gebetsgegenstand – sei es Lob, Dank, Anbetung oder Fürbitte – vor Gott. Wir tun das kurz, klar und konkret. Das öffentliche Gebet muss für die Anwesenden, die ihr „Amen“ dazu sagen sollen, überschaubar und fasslich sein.

Aber das Gebet muss sich an Gott richten, nicht an die Zuhörer. Belehrung finden wir in der Predigt, nicht im Gebet. Im Gebet andere zu ermahnen, ist ein eindeutiger Missbrauch des Gebets. Wenn der Herr es uns aufs Herz legt, einen Bruder oder eine Schwester auf etwas hinzuweisen, sollte das nur im persönlichen Gespräch geschehen.

Ein vor Gott ausgesprochenes Gebet braucht darüber hinaus keine lange Einleitung oder eine wohlklingende Schlussformulierung. Wir wollen bedenken, dass wir „den als Vater anrufen, der ohne Ansehen der Person richtet“, und Ihm die nötige Ehrfurcht erweisen (1 Pet 1,17). Das setzt unserer Freiheit im Ausdruck gewisse Grenzen, aber allgemein bleiben wir in der Öffentlichkeit kurz und präzise. Denken wir auch an das Wort aus der Bergpredigt: „Wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler; denn sie lieben es, in den Synagogen und an den Ecken der Straßen stehend zu beten, um sich den Menschen zu zeigen. Wahrlich, ich sage euch, sie haben ihren Lohn schon empfangen“ (Mt 6,5). Wer öffentlich betet, ist wohl „Sprachrohr“ für die anderen, aber er betet zu Gott und nicht, um von anderen gehört und gesehen zu werden.

Die innere Gebetshaltung

Paulus macht weiter klar, in welch einer Haltung die Männer beten sollen: Sie sollen es tun, indem sie „heilige Hände aufheben“. Im Altertum war es üblich, dass man mit zum Himmel erhobenen Händen betete. Darauf bezieht sich dieser Ausdruck. Im übertragenen Sinn bedeutet er für uns, dass unsere Hände nicht von bösen Taten befleckt sein sollen. Es ist nicht so sehr entscheidend, in welcher körperlichen Haltung wir beten. Wir können beim Beten knien, stehen oder auch sitzen. Dass wir dabei – auch äußerlich – wo eben möglich eine ehrerbietige Haltung vor Gott einnehmen, sollte selbstverständlich sein; deshalb ist das Knien oder Stehen gerade bei einem öffentlichen Gebet durchaus angebracht. Aber das ist hier nicht der entscheidende Punkt. Bei Schlaflosigkeit oder im Krankenhaus kann man im Bett liegend beten. Unterwegs kann man im Auto, in der Bahn oder auf einem Fußweg beten.

Hier ist gemeint, dass wer öffentlich betet und damit „Stimme“ anderer ist, nicht in Angelegenheiten verwickelt sein darf, die mit dem Bekenntnis seines Glaubens nicht übereinstimmen. Der Betende muss in moralischer Übereinstimmung mit Gott sein. Wir können Gott nur mit reinen Händen nahen. Heilige Hände haben wir dann, wenn wir uns gereinigt haben und immer wieder im Selbstgericht vor unserem Gott sind. Wir sind mit dem Gedanken vertraut, dass wir uns im Blick auf das Brotbrechen prüfen und die Dinge bereinigen, die nicht in Ordnung sind. Im Blick auf das öffentliche Gebet gilt das ebenso. 1. Petrus 3,7 macht deutlich, dass Männer z. B. durch Fehlverhalten ihren Ehefrauen gegenüber bewirken, dass ihre (persönlichen) Gebete verhindert werden. Wir können also durch falsches Verhalten dazu beitragen, dass unsere Gebete keine Wirkung haben. Deshalb sind heilige Hände erforderlich. Schon der Psalmdichter sagt: „Wenn ich es in meinem Herzen auf Frevel abgesehen hätte, so hätte der Herr nicht gehört“ (Ps 66,18).

Zorn beschreibt die innere Erregtheit, die sich in sichtbaren Ausbrüchen ausdrückt und oft einem leicht erregbaren Temperament entspringt. Zorn hat es meist mit anderen Menschen zu tun. Es geht darum, dass wir ärgerlich auf andere sind – manchmal auch, dass wir unseren Willen nicht bekommen. Die Bibel fordert uns mehrfach zur Einmütigkeit auf und legt großen Wert darauf, dass wir nichts gegen einen Bruder oder eine Schwester haben. In einer inneren Haltung des Zorns können wir kein öffentliches Gebet sprechen, sondern müssen schweigen.

Zweifelnde Überlegungen sind eine Folge von fehlendem Glaubensvertrauen und beziehen sich insofern mehr auf Gott. Wir müssen von dem, was wir beten, überzeugt sein, statt zu bezweifeln, ob es richtig ist. Was im öffentlichen Gebet nicht von Klarheit und Überzeugung geprägt ist, sollten wir weglassen. Wir müssen im festen Vertrauen darauf beten, dass Gott uns hört und erhört. Jakobus schreibt: „Er bitte aber im Glauben, ohne irgend zu zweifeln; denn der Zweifelnde gleicht einer Meereswoge, die vom Wind bewegt und hin und her getrieben wird“ (Jak 1,6).

Der Herr möge es bei uns Männern wirken, dass wir unserer Verantwortung mehr nachkommen, öffentlich in der richtigen Herzenshaltung zu beten.

E.-A. Bremicker

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2011, Heft 8, Seite 244

Bibelstellen: 1Tim 2, 8

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