Das Lamm Gottes, der Mittelpunkt

Christus, der Sohn Gottes, ist sowohl Ausgangspunkt als auch Zielpunkt aller Dinge, „denn alle Dinge sind durch ihn und für ihn geschaffen“ (Kol 1,16). Er ist „der Anfang und das Ende“ (Off 22,13). Doch Christus steht auch im Mittelpunkt aller Dinge, im Zentrum des gesamten Ratschlusses Gottes. Hierbei tritt neben Seiner göttlichen Allmacht auch Sein vollkommenes Menschsein als Lamm Gottes hervor; wir sehen Ihn als „ein Lamm wie geschlachtet“ inmitten des Thrones und der vier lebendigen Wesen und inmitten der Ältesten stehen (Off 5,6). Dieses Lamm nimmt nicht nur in der ganzen Schöpfung, sondern auch in den Aussagen der Heiligen Schrift eine zentrale Stellung ein. Dies soll uns ein wenig näher beschäftigen.

Das Lamm Gottes im Zentrum der Heiligen Schrift

Bereits im Alten Testament ist vielfach von einem Lamm zum Brandopfer die Rede. Dabei fällt auf, dass dies insbesondere in Verbindung mit Abraham, Mose und Jesaja der Fall ist. Weiter finden wir im Neuen Testament in Anlehnung daran einen erweiterten Blick auf dieses zentrale Thema. Vergleichen wir einmal:

Bei Abraham war das geforderte Brandopfer sein „einziger Sohn“ Isaak (1. Mo 22,2). Parallel dazu finden wir im Johannesevangelium die Aussage, dass Christus, das Lamm Gottes, nicht nur der „einzige Sohn“, sondern der „eingeborene Sohn“ Gottes ist (Joh 1,14.18) – der einzige seiner Art, ebenso einzigartig wie Gott selbst. Diese Tragweite konnte im Alten Testament noch nicht zum Ausdruck kommen, weil damals nicht Gott der Geber war.

Bei Mose musste das Passahlamm „ohne Fehl“ sein (2. Mo 12,5). Demgegenüber nennt Petrus das Lamm Gottes „ein Lamm ohne Fehl und ohne Flecken“ (1. Pet 1,19). Auch hier deutet der neutestamentliche Zusatz die Vollkommenheit und Einzigartigkeit des Opfers Christi an.

Schließlich zeigt Jesaja aus prophetischer Sicht, dass Christus, das Lamm Gottes, „wegen der Übertretung seines Volkes“ zur Schlachtung geführt werden musste (Jes 53,7.8). Der entsprechende Bezug zum Neuen Testament findet sich in Apostelgeschichte 8, wo Philippus dem fragenden Kämmerer aus Äthiopien „anfangend von
dieser Schrift das Evangelium von Jesus verkündigte“ (Apg 8,35). Damit wird deutlich, dass das Opfer Christi die Grundlage dafür ist, dass nun allen Nationen das Evangelium der Gnade verkündigt werden kann.

Das Lamm Gottes im Mittelpunkt
des Ratschlusses Gottes

So kommt dem Lamm Gottes in der Heiligen Schrift eine zentrale Bedeutung zu – und zwar in so umfassender Weise, dass der ganze Ratschluss Gottes durch alle Zeiten hindurch nicht anders denkbar ist. Beginnend mit der zeitlichen Darstellungsweise auf der Erde wollen wir auch diesen universellen Aspekt noch ein wenig beleuchten.

Dabei wird im Hinblick auf Israel und die Nationen gleichermaßen deutlich, dass sich die aufgestellte Zeitrechnung stets an Christus, dem Lamm Gottes, ausrichtet: Für Israel erklärte Gott bei der Einführung des Passahfestes den Monat Abib (den bislang siebten Monat des bürgerlichen Jahres) zum ersten Monat des heiligen Jahres und ließ zu dieser Zeit das Passahlamm in Erscheinung treten (2. Mo 12,2.3; 5. Mo 16,1). Aber auch die Menschen ordneten im Rückblick auf die Erscheinung des Lammes Gottes den Kalender innerhalb der Christenheit neu und wählten das Geburtsjahr Christi zum Ausgangspunkt der heutigen Jahreszählung. Somit steht das Lamm Gottes im Mittelpunkt des Zeitgeschehens.

Doch die zentrale Stellung des Lammes wird nicht nur auf der Erde, sondern auch im Himmel deutlich werden und somit eine universelle Ausdrucksform annehmen: Wie bereits erwähnt, sieht Johannes „inmitten des Thrones und der vier lebendigen Wesen und inmitten der Ältesten ein Lamm stehen wie geschlachtet“ (Off 5,6). Schon auf der Erde stand das Kreuz des „geschlachteten Lammes“ in der Mitte. Diesen zentralen Platz wird Christus auch im ganzen Universum in Ewigkeit als Lamm Gottes einnehmen.

Wie ergreifend ist es zu sehen, dass unser Herr, den die Menschen von Anfang an beiseitesetzen und nicht in ihre Mitte aufnehmen wollten, nach dem Ratschluss Gottes dennoch im Mittelpunkt steht – als ein Lamm, das für uns geschlachtet worden ist!

M. Wölfinger

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2012, Heft 8, Seite 225

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