Der ewige Sohn

(Schluss von Seite 86)

Der Gebrauch des Namens „Gott“ als Bezeichnung
für die gesamte Dreieinheit

In der Schrift wird der Name „Gott“ häufig gebraucht, wenn alle drei Personen der Dreieinheit gemeint sind, vor allem im Alten Testament. Im Neuen Testament dagegen wird oft der Vater allein als „Gott“ angeredet, während der Geist und der Sohn nicht auf diese Weise mit „Gott“ angeredet werden. Zum Beispiel: „Weil ihr aber Söhne seid, so hat Gott den Geist seines Sohnes in unsere Herzen gesandt, der da ruft: Abba, Vater!“ (Gal 4,6). Das geschieht nicht wegen irgendeines Vorrangs innerhalb der Gottheit, sondern vielmehr weil bei der Ausführung der göttlichen Pläne der Sohn Seinen Platz als Diener und gehorsamer Mensch eingenommen hat und der Geist Seinen Platz einnimmt als vom Vater und dem Sohn gesandt, um den Sohn zu verherrlichen. Daher konnten sie an dem Platz, den sie bei der Ausführung der göttlichen Pläne eingenommen haben, nicht einfach im selben Sinn Gott genannt werden wie der Vater – obwohl der Sohn Gott ist und der Geist Gott ist: beide in ihrer Gottheit dem Vater gleich.

Bei der Ausführung der göttlichen Ratschlüsse sehen wir, dass Gott, der Vater, als Urheber und Quelle von allem betrachtet wird, als Der, der auserwählt, zuvorbestimmt, beruft und rechtfertigt und der alles wirkt nach dem Rat Seines Willens (s. 1. Kor 8,6; Eph 1,3-11; 2. Tim 1,9; Röm 8,28-33 u. a.). Der Sohn wird mehr betrachtet als der Werkmeister oder Kunsthandwerker, durch den alles erschaffen wurde und aufrechterhalten wird, als Der, in dem und durch den alle Ratschlüsse des dreieinen Gottes verwirklicht und gesichert werden. Durch Ihn wurde das Werk der Erlösung vollbracht, und Er ist es, der durch Sein Kommen im Fleisch Gott dem Menschen kundgemacht, erklärt und offenbart hat (s. 1. Kor 8,6; 2. Tim 1,9; Joh 1,18; 1. Tim 1,16; Phil 3,21 u. a.). Der Geist Gottes schließlich wird betrachtet als Der, der in Seiner Macht direkt auf das Geschöpf und das Erschaffene einwirkt und darin wirkt (Ps 104,3; Ri 14,5.6; Eph 3,16; 2. Kor 4,4; 10,12-14; Röm 8,14-16.26 u. a.).

Der Sohn vereinte das Menschsein
zu einer untrennbaren Einheit mit Seiner Person

Es ist gut, noch einen weiteren Punkt zu beachten. Manche neigen dazu, in den Handlungen und Worten des Herrn einen Unterschied zu machen zwischen dem, was Seinem Menschsein, und dem, was Seiner Gottheit entspringt. Aber das ist wirklich schlüpfriger Boden. Es führt unausweichlich dazu, dass wir unserem Herrn eine doppelte Persönlichkeit zuordnen, von denen die eine, das Menschsein, und die andere, die Gottheit, sozusagen in getrennten Abteilen Seines Wesens auseinandergehalten werden. Aber das ist rein menschliches Argumentieren entgegen dem, wie die Schrift die Person unseres Herrn darstellt.

Die Schrift teilt Seine Person niemals in zwei Teile, einen menschlichen und einen göttlichen, sondern gibt zu erkennen, dass Er vollkommenes Menschsein mit Seiner ewigen Gottheit verbunden hat, so dass sie in Seiner Person zu einer einzigartigen, unergründlichen und unauflöslichen Verbindung vereint sind. Während die Schrift diese zwei Charaktere niemals vermengt, zerteilt sie doch niemals die Person. Selbst was Er als Mensch tut, ist immer noch die Handlung Seiner selbst, des ewigen Sohnes, der von Sich aus und ohne Seine Persönlichkeit als ewiger Sohn aufzugeben, „Knechtsgestalt annahm, indem er in Gleichheit der Menschen geworden ist“ (Phil 2,7). Er, der ewige Sohn, ist es, der als Mensch vor uns steht. Diese Tatsache, dass Er in Seiner Person als der ewige Sohn Gottes Seinen Platz als Mensch eingenommen hat, ist es, die allem, was Er als Fleisch gewordener Sohn tat, die unendliche Vollkommenheit Seiner einzigartigen Person verleiht. Diese unauflösliche Verbindung von vollkommenem Menschsein mit ewiger Gottheit in Seiner Person tritt ständig hervor in allem, was Er tut als Gott (der Sohn), offenbart im Fleisch.

„Niemand ist hinaufgestiegen in den Himmel als nur der, der aus dem Himmel herabgestiegen ist, der Sohn des Menschen, der im Himmel ist.“ – „Wenn ihr nun den Sohn des Menschen dahin auffahren seht, wo er zuvor war?“ (Joh 3,13; 6,62).

Er vereint in so vollständiger Verbindung vollkommenes Menschsein und ewige allgegenwärtige Gottheit, dass Er, während Er sich als Sohn des Menschen bezeichnet, davon sprechen kann, dass Er vom Himmel herabgestiegen ist oder dahin auffährt, wo Er (der Sohn des Menschen) zuvor war; ja, Er konnte sogar von Sich sagen, während Er mit dem Körper hier auf der Erde gegenwärtig war: „der Sohn des Menschen, der im Himmel ist“.

„Ich bin das lebendige Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist; wenn jemand von diesem Brot isst, wird er leben in Ewigkeit. Das Brot aber, das ich geben werde, ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt“ (Joh 6,51). Hier spricht Er von sich selbst als dem lebendigen Brot, das aus dem Himmel herabgekommen ist, und doch sagt Er im selben Satz, dass Er, der aus dem Himmel herabgekommen ist, Sein Fleisch geben wird als Brot für das Leben der Welt. Während die beiden Charaktere Menschsein und ewige Gottheit hier klar in Seiner Person sichtbar werden, ist es doch unmöglich, sie in Seinem Handeln zu trennen.

„… der selbst unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen hat.“ – „… der Sohn Gottes, der mich geliebt und sich selbst für mich hingegeben hat.“ – „… welcher, alle Dinge durch das Wort seiner Macht tragend, nachdem er durch sich selbst die Reinigung von den Sünden bewirkt, sich gesetzt hat zur Rechten der Majestät in der Höhe“ (1. Pet 2,24; Gal 2,20; Heb 1,3). Er war es, der Allmächtige, der alle Dinge durch das Wort Seiner Macht trägt, der sich selbst als Opfer für unsere Sünden hingab. Er, der ewige Sohn, trug unsere Sünden an Seinem Leib auf dem Holz – nicht der Mensch als Mensch und auch nicht die Gottheit als Gottheit, obwohl das vollkommene Menschsein und die volle Gottheit dort in Seiner Person vereint waren. Es war Der, der das Menschsein mit Sich selbst vereint hatte, der uns reinigt von unseren Sünden durch das Opfer Seiner selbst. Menschsein und Gottheit sind beide ganz klar vorhanden, aber wir können sie in Seinem Handeln oder Seinen Worten nicht trennen.

So sehen wir den Mann vor uns, der müde von Seiner Reise am Jakobsbrunnen sitzt und um einen Trunk Wasser bittet (Joh 4), und mit Thomas rufen wir aus: „Mein Herr und mein Gott!“ Wer wollte Ihn der Herrlichkeit Seiner Gottheit berauben oder der Herrlichkeit Seiner Gnade, wie Er sich dort anschickt, jenes lebendige Wasser einer ermüdeten, sündigen Seele zu geben in dem Dürsten Seiner eigenen Seele, sie an Seiner immerwährenden Freude teilhaben zu lassen?

Wir können das alles nicht ergründen, und es liegt außerhalb der Reichweite des menschlichen Verstandes, darüber auch nur Vermutungen anzustellen. Aber wir können es in einfachem Glauben als herrliche Tatsachen aufnehmen aufgrund der unzweifelhaften Autorität Seines göttlich inspirierten Wortes und darüber anbeten. Solche Huldigung und ein daraus hervorgehender hingebungsvoller Dienst wird unsere Herzen weit machen und unser Leben bereichern. Wenn wir aber Vermutungen über Seine unergründliche Person anstellen, wird das unsere Seelen ausdörren und jede Gemeinschaft mit Gott in Seinen Gedanken und Seinem Wohlgefallen an Seinem Sohn untergraben.

„Niemand erkennt den Sohn“ (im Sinn der Einheit von vollkommenem Menschsein und ewiger Gottheit in Seiner Person) „als nur der Vater.“ Aber wie segensreich ist es, das einfach aufgrund der Autorität des Wortes Gottes zu glauben. Denn hier haben wir die Offenbarung der ewigen Liebe Gottes zu unseren Seelen und die sichere Grundlage der ewigen Glückseligkeit bei Ihm. Ein allmächtiger Gott als gefürchteter Herrscher mit unbezwingbarer Macht, der, wenn wir uns Ihm zu widersetzen wagten, uns wie einen Nachtfalter zermalmen könnte und von dem wir in Unkenntnis Seiner inneren Gedanken über uns nicht wüssten, was Er als Nächstes tun würde – was für ein Schrecken könnte das sein für unsere Seelen! Aber – was für eine Freude, was für eine ewige Glückseligkeit: Gott ist für uns nicht mehr ein unbekanntes und unerkennbares Etwas. Er ist offenbart worden im Fleisch in der Person Seines ewigen, eingeborenen Sohnes voller Gnade und Wahrheit, und von Seiner Gnade haben wir alle empfangen, und zwar Gnade um Gnade.

„Wir aber sind schuldig, Gott allezeit für euch zu danken, vom Herrn geliebte Brüder, dass Gott euch von Anfang erwählt hat zur Errettung in Heiligung des Geistes und im Glauben an die Wahrheit, wozu er euch berufen hat durch unser Evangelium, zur Erlangung der Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus“ (2. Thes 2,13.14).

E. C. Hadley

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2012, Heft 4, Seite 101

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