Der siebenarmige goldene Leuchter
(Fortsetzung von Seite 80)
Licht im Heiligtum
Der siebenarmige Leuchter wird dreimal der „reine Leuchter“ genannt (2. Mo 31,8; 39,37; 3. Mo 24,4). Er bestand nicht nur aus „reinem“ Gold, sondern seine Lampen durften auch nur mit „reinem“ Olivenöl gespeist werden. Daher war er eine reine Lichtquelle. Außer dem Tisch für die Schaubrote (3. Mo 24,6) ist er der einzige Gegenstand im Zelt, der in dieser Weise hervorgehoben wird. Wie konnte es auch anders sein? Der Sohn Gottes, den der Leuchter darstellt, ist der wahrhaft und wesensmäßig Heilige und Reine.
Schon im Alten Testament hatte der Begriff der Reinheit meistens eine geistliche Bedeutung. Ein Israelit wusste aus dem Gesetz, ob etwas für Gott und damit auch für ihn unrein oder rein war. Es waren besonders die Priester, die die Aufgabe hatten, die Kinder Israel zu unterweisen, damit sie zu unterscheiden wussten „zwischen dem Heiligen und dem Unheiligen und zwischen dem Unreinen und dem Reinen“ (3. Mo 10,10; Hes 44,23). Bevor die Priester ins Heiligtum eintraten, um ihren Dienst zu verrichten, mussten sie sich selbst am kupfernen Waschbecken Hände und Füße waschen. Erst dann durften sie in die heilige Gegenwart Gottes treten und dort im Licht des reinen Leuchters ihren Dienst beginnen. Möchten auch wir uns in einer von sittlicher Unreinheit gekennzeichneten Zeit der Heiligkeit unseres Herrn bewusst sein. Das gilt in besonderem Maß für die Zusammenkünfte der Gläubigen als Versammlung.
Die Darstellung der Versammlung und des himmlischen Heiligtums durch das Zelt der Zusammenkunft trifft in der Praxis für uns in der Weise zusammen, dass wir als Gläubige durch das Blut Jesu den freien Zutritt in das Heiligtum haben (Heb 10,19). Wenn wir uns jetzt auch noch auf der Erde befinden, so haben wir doch schon die Freimütigkeit, im Geist in das himmlische Heiligtum einzutreten. In den Zusammenkünften als Versammlung dürfen wir uns gemeinsam in der unmittelbaren Gegenwart Gottes befinden. Das ist ein unermessliches Vorrecht. Aber sind wir uns dessen auch immer bewusst? Der römische Hauptmann Kornelius hatte das bereits in etwa verstanden, wenn er zu Petrus sagte: „Jetzt sind wir nun alle vor Gott gegenwärtig, um alles zu hören, was dir von Gott befohlen ist“ (Apg 10,33). Wir sehen an diesem Beispiel, dass der Zutritt zu Gott vom Zustand des Einzelnen abhängt. Nicht der Ort, wo wir uns versammeln, ist an sich ein heiliger Ort. In der gegenwärtigen Zeit gibt es keine „heiligen Stätten“ auf der Erde. Aber jeder Ort, wo Gläubige sich im Bewusstsein der Gegenwart Gottes im Namen des Herrn Jesus versammeln, wird durch Seine Gegenwart geheiligt und dadurch zu einem Heiligtum (vgl. Hes 11,16).
Während in der Zeit des Alten Testaments nur der Hohepriester einmal im Jahr ins Allerheiligste eintreten durfte, ist durch den Tod unseres Herrn der trennende Vorhang für immer beseitigt. Als der Vorhang des Tempels in Jerusalem zerriss, wurde symbolisch angedeutet, dass jeder, der an den Herrn Jesus glaubt, mit Freimütigkeit in das wahre, jetzt geöffnete Heiligtum, d. h. „in den Himmel selbst“ (Heb 9,24), eintreten kann (3. Mo 16; Mt 27,51; Heb 10,19-22). Durch den Tod und das Blut Christi wurde für die an Ihn Glaubenden der „neue und lebendige Weg“ dorthin gebahnt. Das „Allerheiligste“, der Ort der Gegenwart Gottes, ist für uns eins geworden mit dem „Heiligen“ (vgl. Heb 9,2.3). Wir dürfen dort als Priester eintreten, und das während wir mit unserem Körper noch auf der Erde sind.
Im Licht des „Leuchters“ sehen wir dabei nicht nur den „Tisch der Schaubrote“ und den „goldenen Altar“ im Heiligen, sondern auch die „Bundeslade“ mit dem „Sühndeckel“ im Allerheiligsten, die für uns das Heiligtum geworden sind. Alles darin spricht von Christus als Grund und Gegenstand unserer Anbetung, wie wir noch sehen werden. Aber wir erkennen sie, bildlich ausgedrückt, nur im Schein des „goldenen Leuchters“. Der Leuchter war also äußerst wichtig, ja unentbehrlich. Der auferstandene und verherrlichte Christus ist der Einzige, der uns durch den Heiligen Geist wahres Licht schenkt.
Der Leuchter stand an der Südseite des Heiligtums. Diese Himmelsrichtung ist allgemein diejenige des höchsten Sonnenstandes und damit des größten Lichteinfalls. Nicht so im Heiligtum. Dort wäre es finster gewesen, hätten nicht die sieben goldenen Lampen ihr stilles Licht gegeben. Und dieses Licht leuchtete auch und gerade in der Nacht, wenn alles Licht in der Natur verloschen ist oder nur fahlen Schein gibt. Das Licht des verherrlichten Christus, das Paulus am hellen Mittag vor Damaskus sah, übertraf den Glanz der Sonne (Apg 26,13)! – Das Fehlen jeglichen Lichtes im Allerheiligsten deutet andererseits darauf hin, dass Gott in jener Zeit noch „im Dunkel“ wohnte (1. Kön 8,12). Sowohl durch diese Tatsache als auch durch den eingeschränkten Zugang „[zeigt] der Heilige Geist dieses an, dass der Weg zum Heiligtum noch nicht offenbart ist, solange die vordere Hütte noch Bestand hat“ (Heb 9,8).
„Und du sollst seine sieben Lampen machen; und man soll seine Lampen anzünden, damit sie gerade vor ihm hin scheinen“ (2. Mo 25,37; 4. Mo 8,2.3). Dies wird von einigen Auslegern so aufgefasst, dass die Lampen in erster Linie den Leuchter selbst bestrahlen sollten. Ein solcher Gedanke wird durch die Worte des Herrn Jesus über die Tätigkeit des Heiligen Geistes vollkommen bestätigt: „Er wird mich verherrlichen, denn von dem Meinen wird er empfangen und euch verkündigen“ (Joh 16,14). Das ist wohl die herrlichste Aufgabe, die der Sachwalter übernommen hat: den Erlösten den Sohn Gottes in all Seiner Herrlichkeit vorzustellen und Ihn dadurch in ihren Herzen groß und größer zu machen! Das Ergebnis davon ist nach den inspirierten Worten des Apostels Paulus: „Wir alle aber, mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauend, werden verwandelt nach demselben Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist“ (2. Kor 3,18).
War es nicht schon der Wunsch Davids, diese Herrlichkeit zu betrachten? Zwar war ihm der Zutritt ins irdische Heiligtum verwehrt, und dennoch war er mit seinem Herzen dort: „Eins habe ich von dem Herrn erbeten, danach will ich trachten: zu wohnen im Haus des Herrn alle Tage meines Lebens, um anzuschauen die Lieblichkeit des Herrn und nach ihm zu forschen in seinem Tempel“ (Ps 27,4). Ohne Zweifel war gerade dies einer der Gründe, warum David der Einzige ist, den Gott als „Mann nach seinem Herzen“ bezeichnet hat (1. Sam 13,14; Apg 13,22). Möchte es auch unser tiefer Wunsch sein, in dem Licht, das der Heilige Geist uns schenkt, die Herrlichkeit unseres Herrn Jesus zu betrachten.
Das Licht des Leuchters bestrahlte das ganze Heiligtum. Nur das Allerheiligste lag noch im Dunkel, durch den Scheidevorhang verdeckt. Nach dem Eintreten sah der Priester vor sich den Scheidevorhang zum Allerheiligsten und über sich die Teppiche der Wohnung. Beides war in Kunstweberarbeit aus weißem, gezwirntem Byssus, blauem und rotem Purpur sowie Karmesin angefertigt und mit Cherubim geschmückt – in allem ein Bild der Wesenszüge Christi. Doch auch der Wüstensand, auf dem das ganze Zelt stand, wurde beleuchtet. Er erinnerte daran, dass das Volk Gottes sich auf der Wanderschaft befand und das Ziel seiner Reise noch nicht erreicht war.
Der Leuchter hatte zudem die Aufgabe, sein Licht auf den Tisch der Schaubrote zu werfen, denn er stand diesem genau gegenüber (2. Mo 26,35; 40,24). Der Tisch mit den zwölf Broten stand an der Nordwand des Zeltes. Er war aus Akazienholz gemacht und mit reinem Gold bedeckt – ein Bild des Sohnes Gottes als Mensch, der nun vor Gottes Angesicht Sein ganzes Volk darstellt. Auch die mit Gold bedeckten Bretter der Wohnung sprechen von den einzelnen Gläubigen, die fest aneinandergefügt sind und gemeinsam das Haus Gottes bilden. Auch sie glänzten im Licht des reinen Leuchters. Trotz all ihres Versagens sieht Gott die Seinen im Licht des Heiligtums. Diese göttliche Sichtweise empfangen wir nur, wenn wir uns im Geist in Seiner Gegenwart aufhalten.
Schließlich strahlte das Licht des Leuchters auf den goldenen Altar, der unmittelbar vor dem Scheidevorhang zum Allerheiligsten stand (2. Mo 30,5-8). Auch er bestand wie der Tisch aus mit reinem Gold überzogenen Akazienholz. Auf ihm wurde zweimal täglich das kostbare, heilige Räucherwerk als Wohlgeruch zur Ehre Gottes dargebracht (2. Mo 30,1-10). Auch dieser Altar spricht von Christus und Seiner Herrlichkeit, der die Gebete und die Anbetung der Seinen in vollkommener Weise zu Gott emporsteigen lässt.
Der Herr Jesus sagte Seinen Jüngern kurz vor Seinem Abschied von ihnen: „Wenn aber jener, der Geist der Wahrheit, gekommen ist, wird er euch in die ganze Wahrheit leiten; denn er wird nicht von sich selbst aus reden, sondern was er hören wird, wird er reden, und das Kommende wird er euch verkündigen. Er wird mich verherrlichen, denn von dem Meinen wird er empfangen und euch verkündigen“ (Joh 16,13.14). Paulus schrieb den Korinthern:
„Uns aber hat Gott es offenbart durch seinen Geist, denn der Geist erforscht alles, auch die Tiefen Gottes. … So weiß auch niemand, was in Gott ist, als nur der Geist Gottes“
(1. Kor 2,10.11). Diese Worte weisen uns auf eine der wesentlichen Aufgaben hin, die der Heilige Geist Gottes übernommen hat: Die Darstellung und Verherrlichung Gottes und Seines Sohnes Jesus Christus sowie alles dessen, was zu Seiner Ehre und zu unserem Segen durch das große und wunderbare Werk Christi hervorgebracht worden ist.
Die Betrachtung und Kenntnis dieser Dinge war den Priestern vorbehalten. Heute sind zwar alle Gläubigen ihrer Stellung nach Priester (1. Pet 2,5; Off 1,6), aber üben wir alle gleichermaßen den priesterlichen Dienst auch aus? Leider trifft das nicht auf alle Gläubigen zu, denn um in der Praxis wahre Priester zu sein, müssen wir gewohnt sein, uns auch ständig in der Gegenwart Gottes aufzuhalten. Möchte das doch unser tiefer Herzenswunsch sein!
Das Volk Israel in seinen Zelten war in der Praxis häufig weit von dem wunderbaren Bild entfernt, das die Priester im Heiligtum sahen. Im Lager herrschte oft ein trauriger Zustand. Und doch war es das Volk Gottes. Nur wenn die Priester ins Heiligtum hineingingen und damit in die Gegenwart Gottes, sahen sie die Dinge in Seinem Licht. So sollte es auch bei uns sein. Wir dürfen die Augen zwar nicht vor dem Bösen verschließen, sollten aber doch in der Gemeinschaft mit unserem Gott und Vater die Seinen immer in dem Licht sehen, das Christus, der wahre „Leuchter“, uns schenkt. Andernfalls können wir Seine Gedanken über Seine Versammlung nicht in angemessener Weise verwirklichen.
(Schluss folgt) A. Remmers
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