Ananias – ein gewisser Jünger in Damaskus

„Es war aber ein gewisser Jünger in Damaskus …“ (Apg 9,10). Mit diesen Worten stellt uns die Bibel einen Mann vor, von dem wir nicht sehr viel wissen, der aber einen ganz besonderen Dienst von seinem Herrn bekam. Es war Ananias, der mit einer Botschaft zu Saulus von Tarsus geschickt wurde, nachdem dieser auf dem Weg nach Damaskus eine Begegnung mit dem verherrlichten Jesus von Nazareth gehabt hatte und zur Bekehrung gekommen war. Paulus selbst sagt in seiner Verteidigungsrede vor den Juden von ihm: „Ein gewisser Ananias aber, ein gottesfürchtiger Mann nach dem Gesetz, der ein gutes Zeugnis hatte von allen dort wohnenden Juden, kam zu mir …“ (Apg 22,12). Aus dem historischen Bericht in Apostelgeschichte 9,10-19 wissen wir, dass Ananias ein Jünger war, der in Damaskus lebte. Ansonsten wird Ananias nicht weiter erwähnt.

Die wenigen Hinweise, die uns die Bibel über diesen Mann gibt, sind zu unserer Belehrung geschrieben und sprechen bis heute zu uns. Wir können daraus einige wichtige, praktische Lektionen für unser Leben als Christ lernen:

1. Ananias war bei Gott „bekannt“: Apostelgeschichte 22,12 nennt ihn einen „gewissen Ananias“, Apostelgeschichte 9,10 einen „gewissen Jünger“. Ananias schien über die Grenzen von Damaskus hinaus kein besonders bekannter Mann gewesen zu sein. Wir wissen nicht, ob er eine herausragende Gabe als Prediger hatte. Wir wissen auch nicht, ob viele Menschen durch ihn zum Glauben gekommen waren und welche Rolle er unter den Geschwistern in Damaskus spielte. Dennoch war er ein „gewisser“ Jünger, ein „gewisser“ Ananias. Für Gott war er nicht „irgendwer“. Gott hatte ihn ganz bewusst ausgewählt, um mit einer Botschaft zu Saulus von Tarsus zu gehen und ihm die Hände aufzulegen. Dazu benutzte Er in Seiner Weisheit keinen der etablierten Apostel aus Jerusalem, sondern einen „gewissen“ Mann mit Namen Ananias. Für uns wollen wir daraus lernen, dass es für den Herrn nicht darauf ankommt, ob wir vor anderen einen „Namen haben“ oder nicht, sondern ob wir bei Gott als solche „gewissen“ Leute bekannt sind, die Er für Seine Aufträge gebrauchen kann.

2. Ananias war ein „gottesfürchtiger Mann“, der ein „gutes Zeugnis“ hatte (Apg 22,12): Gott sah das Leben von Ananias und bezeichnet ihn deshalb als einen frommen Mann. Ein frommer Gläubiger ist ein gottesfürchtiger Gläubiger. Seine Frömmigkeit war nicht aufgesetzt, sondern echt. Gott sah in sein Herz und gab dieses Urteil ab. Aber nicht nur das. Die Juden, die in Damaskus lebten, kannten Ananias ebenfalls. Sie beobachteten ihn. Sie sahen sein Verhalten. Und sie stellen ihm ein gutes Zeugnis aus. Es ist nicht davon auszugehen, dass alle damals in Damaskus lebenden Juden gläubig waren. Aber von allen hatte er ein gutes Zeugnis. Wir sollten von unseren Glaubensgeschwistern als gottesfürchtig bekannt sein und zugleich ehrbar vor denen wandeln, die draußen sind (1. Thes 4,12). Das Leben von Ananias ist dafür ein Beispiel.

3. Ananias war ein „Jünger“ des Herrn Jesus: So wird er ausdrücklich genannt (Apg 9,10). Ein Jünger ist jemand, der nicht selbst im Vordergrund steht, sondern der seinen Herrn in den Vordergrund stellt. Ein Jünger ist ein Schüler. Es ist jemand, der von seinem Meister lernt und ihm folgt. Offensichtlich kannte Ananias etwas von der verborgenen Gemeinschaft mit seinem Herrn, um dort von Ihm geprägt zu werden, um Ihm ähnlicher zu werden und Ihm zu folgen. Ananias lebte in Damaskus, das heißt in einer Umgebung, die durch das Heidentum geprägt war. Dort folgte er seinem Herrn. Jüngerschaft ist etwas, das im täglichen Leben praktiziert wird. Ein Jünger wird man nicht durch schöne Worte, sondern dadurch, dass man in der Praxis dem Herrn Jesus folgt und von Ihm lernt. Wir wollen uns von Ananias motivieren lassen, in einer unserem Herrn feindlichen Umgebung Seine Jünger zu sein.

4. Ananias war ein „hörender“ Jünger: Als der Herr ihn in einem Gesicht ganz persönlich ansprach, antwortete er umgehend: „Siehe, hier bin ich, Herr!“ (Apg 9,10). Anders als der junge Samuel brauchte er keine weitere Hilfestellung, sondern erkannte offensichtlich sofort die Stimme seines Herrn. Er war bereit, auf die Botschaft
seines Herrn zu hören und das zu tun, was ihm aufgetragen wurde. Er folgte darin dem Beispiel alttestamentlicher Gläubigen wie Abraham (1. Mo 22,1), Joseph (1. Mo 37,13), Mose (2. Mo 3,4) und Jesaja (Jes 6,8). Vor allem aber folgte er dem vollkommenen Beispiel des Herrn Jesus, der durch den Propheten sagte: „Er weckt jeden Morgen, er weckt mir das Ohr, damit ich höre wie solche, die belehrt werden“ (Jes 50,4). Die Reaktion von Ananias will uns lehren, offene Ohren für das zu haben, was der Herr uns sagen möchte. Heute redet Er nicht mehr durch „Gesichte“, sondern Er redet vor allem durch Sein Wort zu uns. Sind wir hörende Jünger wie Ananias?

5. Ananias war ein „fragender“ Jünger: Ananias brachte die grundsätzliche Bereitschaft mit, den Auftrag seines Herrn auszuführen. Sonst hätte er nicht gesagt: „Hier bin ich, Herr!“. Aber der Auftrag, den er jetzt bekam, schien ihm so ungeheuerlich, dass er Bedenken äußerte. Er sagte nicht wie später Petrus: „Keineswegs, Herr!“ (Apg 10,14) – aber er bringt dennoch sein Erstaunen zum Ausdruck. Sollte dieser Saulus, der als Christenhasser bekannt war, wirklich der Mann sein, zu dem Gott ihn schicken wollte? Man mag diese Rückfrage als eine gewisse Schwäche interpretieren, aber andererseits zeigt sie doch, dass er mit seinen Fragen und Zweifeln im Vertrauen zu seinem Herrn ging, um mit Ihm darüber zu reden. Wie oft gibt es auch in unserem Leben offene Fragen, Unsicherheit, Zweifel, Staunen. Von Ananias lernen wir, dass wir mit allen Überlegungen des Herzens zu unserem Herrn gehen können, um im Gebet mit Ihm darüber zu reden.

6. Ananias war ein „gehorsamer“ Jünger: Nachdem der Herr ihm erklärt hatte, was Er mit Saulus vorhatte, gab es für Ananias kein Zögern mehr. Der Bibeltext sagt nur: „Ananias aber ging hin …“ Keine weitere Rückfrage mehr. Das ist schlichter Gehorsam, der alle Fragen und Zweifel hinten anstellt. Der Herr hatte ihm klar gemacht, dass Er allwissend und allmächtig ist. In Kapitel 9,11-12 erkennen wir die Allwissenheit des Herrn. Er wusste genau, wo Saulus sich befand, was er gerade tat und welch ein Gesicht er gesehen hatte. In Kapitel 9,15 erkennen wir die Allmacht des Herrn, der aus einem Verfolger der Christen einen Mann machte, der nun Seinen Namen tragen sollte und zwar vor Nationen, Könige und Söhne Israels. In diesem Bewusstsein ging Ananias hin, um den Auftrag des Herrn auszuführen. In diesem Bewusstsein können wir Gott zur Verfügung stehen. Gehorsam ist ein wesentliches Kennzeichen eines Jüngers. Der Herr Jesus hat selbst gesagt: „Wenn ihr in meinem Wort bleibt, seid ihr wahrhaft meine Jünger“ (Joh 8,31). In Seinem Wort zu bleiben schließt ein, Seinem Wort zu folgen und das zu tun, was Er uns sagt.

7. Ananias war ein „glaubender“ und ein „liebender“ Jünger: Als Ananias zu Saulus kam, führte er nicht allein das aus, was der Herr ihm konkret aufgetragen hatte, sondern bewies weitere Kennzeichen eines echten Jüngers Jesu. Er spricht Saulus als „Bruder Saul“ an. Der Herr Jesus hatte gesagt: „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt“ (Joh 13,35). Saulus hatte noch kein Wort gesagt, aber das Zeugnis des Herrn über ihn genügte Ananias, um ihn als jemand anzusprechen, der jetzt zur Familie Gottes gehörte. Damit bewies Ananias Glauben an Gott und Liebe zu seinem „Bruder Saul“.

In dem kurzen Abschnitt in Apostelgeschichte 9,10-19 wird sechsmal der Titel „Herr“ verwendet und nur einmal der Name „Jesus“. Der Herr, der Saulus als „Jesus“ erschienen war, hatte jetzt Ananias beauftragt, ihm die Hände aufzulegen. Als Diener haben wir es immer mit dem „Herrn“ zu tun. Das wollen wir nicht vergessen. Ihm wollen wir folgen und gehorsam zur Verfügung stehen. Ananias bekam einen großen Auftrag und hat ihn treu ausgeführt. Er ist uns ein Ansporn, auch in kleinen Dingen diese Treue unserem Herrn gegenüber zu beweisen. So werden auch wir „gewisse Jünger“, die Er gebrauchen kann.

E.-A. Bremicker

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2014, Heft 10, Seite 310

Bibelstellen: Apg 9,10

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