Auserwählt nach Vorkenntnis Gottes

„… auserwählt nach Vorkenntnis Gottes, des Vaters, durch Heiligung des Geistes, zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi: Gnade und Friede sei euch vermehrt!“ (1. Pet 1,2)

Petrus richtet seinen ersten Brief an „Fremdlinge von der Zerstreuung“. Die Adressaten waren Fremdlinge, weil sie als gebürtige Juden nicht in ihrem Heimatland Palästina, sondern in einem fremden Land (der heutigen Türkei) wohnten. Zum andern waren sie Fremdlinge, weil sie als Christen Himmelsbürger waren, sich aber noch in einer feindlichen Welt befanden. In diesem zweiten Sinn ist jeder von neuem geborene Mensch ein Fremdling. Auch wir sind in der Welt, aber gehören nicht mehr zu dieser Welt. Unser Bürgertum ist im Himmel. Wir haben eine Art „Gaststatus“ auf dieser Erde. Unsere wirkliche Heimat ist hier nicht.

Gerade als Fremdlinge erinnert Petrus die Briefempfänger daran, dass sie Auserwählte Gottes waren. Für diese Juden im fremden Land muss das eine besondere Ermutigung gewesen sein – und diese Ermutigung gilt uns heute ebenso. Wir wollen gemeinsam darüber nachdenken, was uns der zitierte Vers sagt.

Drei wichtige Aussagen

Zunächst müssen wir bedenken, dass Petrus in diesem Vers nicht von der Praxis des christlichen Lebens, sondern von der christlichen Stellung spricht. Petrus zeigt in wenigen Worten das himmlische und christliche Teil und stellt es zum einen in einen Gegensatz zu dem irdischen Teil (als Fremdlinge) und zum anderen in einen Gegensatz zu dem jüdischen (alttestamentlichen) Teil.

a) Obwohl Fremdlinge in Kleinasien, waren sie doch auserwählt nach Vorkenntnis Gottes des Vaters. Auf der Erde sind wir in der Regel wenig bekannte Menschen. Bei Gott sind wir sehr wohl bekannt. Die Präposition „nach“ zeigt den Charakter der Auserwählung. Wir sind durch Gott, den Vater, auserwählt worden. Das ist eine andere Auserwählung als die im Alten Testament.

b) Obwohl Fremdlinge auf der Erde, gehören wir zu Gott. Er hat uns zu sich gebracht. Die Präposition „durch“ zeigt das Mittel an, das Gott dazu angewandt hat, um uns mit sich in Beziehung zu bringen. Es ist die Heiligung des Geistes. Diese ist etwas völlig anderes als die Heiligung im Alten Testament.

c) Wir sind zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi gebracht worden. Die Präposition „zu“ zeigt das Ziel an, das Gott hatte. Der Gehorsam Jesu Christi ist etwas ganz anderes als der Gehorsam unter dem Gesetz. Die Blutbesprengung Jesu Christi ist etwas anderes als das Besprengen mit dem Blut von Tieren.

Der Vers nennt alle drei Personen der Gottheit. Gott der Vater hat uns auserwählt. Der Heilige Geist hat uns geheiligt und wir sind zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi gebracht worden.

Auserwählt nach Vorkenntnis Gottes des Vaters

Jemanden „auserwählen“ bedeutet, ihn „herauszunehmen“ oder „auszuwählen“. Im Neuen Testament nimmt die Auserwählung durchweg Bezug auf das Handeln Gottes. Sie zeigt, dass Gott souverän und unumschränkt ist und in Gnade handelt. Die meisten Stellen sprechen von der Auserwählung der Gläubigen in der Gnadenzeit. Allerdings lesen wir auch von der Auserwählung der Engel (1. Tim 5,21), der Auserwählung des irdischen Volkes (Mt 24,22) und der Auserwählung von Christus als Eckstein (1. Pet 2,6).

Petrus erklärt die Auserwählung hier nicht, sondern erwähnt sie lediglich. Wir müssen uns zu den Schriften von Paulus wenden, um zu verstehen, was die christliche Auserwählung bedeutet (vgl. besonders Eph 1,3-5). Gott der Vater hat uns zu Kindern und Söhnen gemacht. Er hat uns passend für Seine Nähe gemacht. Wir sind heilig und tadellos vor Ihm in Liebe. Wir werden einmal dem Bild Seines Sohnes gleichförmig sein. Unsere ewige Bestimmung ist das Vaterhaus. Wir sind auserwählt, um dem zu entsprechen, was Gott ist, nämlich Licht und Liebe.

Die Briefempfänger kannten etwas von der Auserwählung Gottes des Volkes Israel im Alten Testament. Aber das Teil der Christen ist anders und besser:

a) Die Auserwählung der Israeliten ist eine zeitliche Auserwählung. Sie ist „von Grundlegung der Welt an“
(vgl. Mt 25,34) und für die Zeit. Wir sind „vor Grundlegung der Welt“ für die Ewigkeit nach der Zeit auserwählt worden.

b) Das Alte Testament brachte die Auserwählung in Verbindung mit dieser Erde. Das Volk Israel sollte das Reich auf der Erde erben. Die christliche Auserwählung ist nicht für die Erde, sondern für den Himmel.

c) Die Auserwählung Israels war eine nationale und kollektive Auserwählung. Gott hatte ein ganzes Volk auserwählt. Die christliche Auserwählung ist eine persönliche Auserwählung. Gott, der Vater, wählt einzelne Menschen aus, um sie ganz nahe zu sich zu bringen.

d) Die Auserwählung Israels geschah durch Gott, den HERRN. Kein Israelit – nicht einmal Abraham – kannte Gott als seinen Vater, so wie wir Ihn kennen. Christen hingegen sind vom Vater auserwählt worden
(Eph 1,3-5). Wir haben eine bewusste Beziehung zu Ihm als Vater. Wir sind Seine Kinder. Der „Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus“ ist unser „Gott“ und unser „Vater“ (vgl. Joh 20,17).

Die christliche Auserwählung ist darüber hinaus nach „Vorkenntnis Gottes, des Vaters“. Gott weiß alle Dinge im Voraus. Ihm ist nichts unbekannt. Aber es ist mehr. Gott der Vater hat bereits in der Ewigkeit vor der Zeit in Zuneigung und Liebe an uns gedacht, als Er uns auserwählt hat. Das ist ein gewaltiger Gedanke, über den wir nur staunen können. Die christliche Auserwählung ist und bleibt ein Geheimnis, das unser Fassungsvermögen auf dieser Erde immer übersteigen wird.

Durch Heiligung des Geistes

Als Nächstes zeigt Petrus, wie Gottes Auserwählung im Blick auf uns wirksam in der Zeit werden konnte. Christen sind durch den Heiligen Geist geheiligt. Wieder ist der Kontrast zum Alten Bund augenscheinlich. Israel war auch geheiligt, aber nicht durch den Heiligen Geist, sondern durch Satzungen und Gebote einerseits und durch die Beschneidung andererseits. Die Heiligung Israels war darüber hinaus wiederum eine nationale Heiligung, während Christen persönlich geheiligt sind. Schließlich war Israels Absonderung primär eine äußerliche (zuerst von Ägypten und dann von den Völkern des Landes), während die christliche Absonderung im Inneren beginnt.

Gott hat uns in der Ewigkeit vor der Zeit auserwählt. In der Zeit wirkt der Heilige Geist an Menschen, um sie in Beziehung zu Gott zu bringen. Dazu gebraucht Er das Evangelium, denn nur dadurch wird Erkenntnis der Sünden und Buße bewirkt (vgl. 1. Thes 1,5) sowie die neue Geburt und das ewige Leben (vgl. Joh 3,5).

Wenn Gott etwas „heiligt“, sondert Er es für sich ab. In
1. Mose 2,3 heiligt Gott den Sabbat für sich. In
2. Mose 13,2 heiligt Er zum ersten Mal Menschen. Er sagt zu Mose: „Heilige mir alles Erstgeborene, … es ist mein“. Das ist der große Gedanke der Heiligung: Obwohl wir noch auf der Erde leben, gehören wir jetzt schon Gott.

Die „Heiligung des Geistes“ steht ganz am Anfang des Glaubenslebens. Gott beruft Seinem Wesen gemäß „in Heiligkeit“ (1. Thes 4,7). Auf diesem Weg wird ein Mensch ein „Heiliger“.

Es geht bei der „Heiligung des Geistes“ nicht um praktische Heiligkeit. Es geht nicht um einen andauernden Prozess, sondern um die absolute Heiligung, die einmal stattfindet. Es geht um eine ganz neue Stellung mit ganz neuen Beziehungen. Wir finden den Ausdruck noch einmal in 2. Thessalonicher 2,13. Dort sagt Paulus, dass Gott uns von Anfang erwählt hat „… zur Errettung in Heiligung des Geistes und im Glauben an die Wahrheit“. Auch hier sehen wir zuerst die Auswahl Gottes und dann die Heiligung des Geistes. Sie steht unmittelbar in Verbindung mit dem Glauben an die Wahrheit.

Obwohl es um unsere Stellung geht, in die wir durch das Wirken des Heiligen Geistes gebracht worden sind, zeigt uns Gottes Wort zugleich, dass dies unbedingt mit Verantwortung verbunden ist. Praktische Heiligkeit muss die Folge sein. Es ist ebenfalls das Bemühen des Geistes, uns täglich zu heiligen, damit unsere Lebenspraxis unserer Stellung entspricht (vgl. z.B. 1. Thes 4,3-4; 1. Thes 5,23; Heb 12,14, 1. Pet 1,15).

Zum Gehorsam und zur Blutbesprengung Jesu Christi

Kein Mensch wird durch Gehorsam zu einem Auserwählten Gottes. Das ist nicht gemeint. Es geht auch nicht darum, dass die Heiligung das Ergebnis von Gehorsam ist. Petrus beschreibt vielmehr das Ziel, das Gott hat. Solche, die für Ihn beiseitegestellt sind, werden jetzt charakterisiert durch den Gehorsam Jesu Christi und sie kommen unter die Wirksamkeit und den Segen Seines Blutes. Die „Heiligung des Geistes“ geschieht im Blick auf den Gehorsam und im Blick auf die Blutbesprengung. Beide Ausdrücke sind mit der Person des Herrn Jesus verbunden. Es geht um Seinen Gehorsam und um Seine Blutbesprengung.

Israel war zu einem ganz anderen Gehorsam und zu einer ganz anderen Blutbesprengung gekommen. Der Gehorsam Israels war ein Gehorsam dem Gesetz gegenüber. Gott forderte die Einhaltung dieser Gebote und Satzungen. Israel war zur Blutbesprengung von Stieren und Böcken gekommen, das jedoch keine Sünden wegnehmen konnte. Petrus nimmt hier offensichtlich Bezug auf ein Ereignis, das in 2. Mose 24,1-8 beschrieben wird. Das Volk Israel hatte sich verpflichtet, alle Worte, die der HERR geredet hat, zu tun. Daraufhin nahm Mose das Buch des Bundes und las es vor. Dann nahm er Blut als Bestätigung, sprengte es auf das Volk und sagte: „Siehe, das Blut des Bundes, den der HERR mit euch geschlossen hat aufgrund aller dieser Worte“ (V. 8). Das Blut sprach also nicht von Segen, sondern von Gericht, das jeden treffen musste, der das Gesetz nicht halten würde. Es hatte eine strafende Kraft und war eine Andeutung des Todes und nicht des Lebens. Das ist für uns heute ganz anders.

a) Der Gehorsam Jesu Christi: Gläubige der Gnadenzeit sind nicht unter die neue Herrschaft eines „Gesetzes“ gekommen, sondern zu dem „Gehorsam Jesu Christi“ gebracht worden. Damit ist gemeint, dass wir nun in eine Stellung gebracht sind, in der wir gehorchen können, wie Jesus Christus als Mensch auf dieser Erde gehorcht hat. Sein Gehorsam war kein gesetzlicher Gehorsam. Er hatte erstens Einsicht in den Willen Seines Vaters und zweitens gehorchte Er aus Liebe. Der Wille Seines Vaters war für Ihn immer der Beweggrund zum Handeln. Er tat „allezeit das ihm Wohlgefällige“ (Joh 8,29). Er hatte keinen Eigenwillen, der durch ein Gesetz unterdrückt werden musste, sondern Er wollte das tun, was dem Willen Gottes entsprach (vgl. Joh 10,17-18). Er sagte einmal: „… damit die Welt erkenne, dass ich den Vater liebe und so tue, wie mir der Vater geboten hat“ (Joh 14,31). Für uns gilt nun, dass wir „von Herzen gehorsam geworden“ sind (Röm 6,17). Wir gehorchen nicht aus Zwang. Das neue Leben in uns will gar nichts anderes als den Willen Gottes tun.

b) Die Blutbesprengung Jesu Christi: Sie ist nicht mit dem Vergießen Seines Blutes zu verwechseln. Der Herr Jesus hat Sein Blut ein für alle Mal am Kreuz vergossen (Lk 22,20). Dieses Werk wird nicht wiederholt. Das Sprengen des Blutes hingegen symbolisiert die Anwendung des Blutes auf den, der das Werk vom Kreuz für sich persönlich in Anspruch nimmt und damit unter seine Segensfolgen kommt. Anders ausgedrückt: Das Blutvergießen spricht davon, dass der Herr Jesus Sein Leben als Opfer gegeben hat. Das Besprengen ist hier die Anwendung des Wertes und der Wirksamkeit des Opfers auf uns bei der Bekehrung. Auf der Grundlage Seines Blutes sind wir von unseren Sünden rein gewaschen und besitzen Frieden mit Gott (Röm 5,1). Was das Blut im Alten Bund nicht konnte (Heb 10,4), vermag das Blut des Herrn Jesus: Es reinigt von aller Ungerechtigkeit (1. Joh 1,9). So besitzen wir Heilssicherheit und Frieden in allen Umständen auf dieser Erde.

Wir freuen uns darüber, wozu wir gebracht worden sind, aber erneut wird klar, dass es in der Praxis des Lebens gilt, unserer Stellung entsprechend zu leben. Petrus spricht in Vers 14 des ersten Kapitels von dem Gehorsam, wie er sich konkret im täglichen Leben zeigt: „… als Kinder des Gehorsams bildet euch nicht nach den vorigen Begierden in eurer Unwissenheit“. Das ist eine klare Aufforderung. Das Prinzip Gottes lautet immer, dass wir in praktischer Übereinstimmung mit unserer Stellung leben sollen. Aber zuerst müssen wir unsere Stellung vor Gott kennen, damit wir ihr praktisch entsprechen können. So fordert Paulus die Kolosser auf: „Zieht nun an, als Auserwählte Gottes, als Heilige und Geliebte …“ (Kol 3,12). Wir sind Auserwählte Gottes, wir sind Heilige und Geliebte – und genau das soll in unserem Verhalten im Alltag gesehen werden.

E.-A. Bremicker

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2014, Heft 9, Seite 273

Bibelstellen: 1Petr 1,2

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