Ein wunderbarer Fischfang

(Johannes 21,1-14)

Der großartige Fischfang am See von Galiläa ist das einzige Wunder, dass der Herr, so weit uns das die Schrift berichtet, nach Seiner Auferstehung getan hat.

Diese Begebenheit am See weist prophetisch auf das Tausendjährige Reich hin, wenn der Herr sich in Herrlichkeit offenbaren wird und diejenigen aus den Nationen, die der Verkündigung der jüdischen Sendboten geglaubt haben, in die Segnungen des Reiches einführen wird. Sie belehrt uns darüber hinaus, wie der Herr im Dienst hilft und wie Er geistliche Nahrung austeilt. Auf diese praktische Anwendung beschränken sich im Wesentlichen die nachfolgenden Gedanken.

Am See von Tiberias

Der Herr befahl den Jüngern, dass sie nach Seiner Auferstehung auf Ihn warten sollten – und zwar in Galiläa
(Mt 26,32; 28,10). Und so ist es nicht verwunderlich, dass sich hier sieben Jünger am Ufer des Sees von Tiberias (oder: See von Galiläa) aufhalten. Drei von ihnen nennt der Evangelist Johannes mit Namen: Simon Petrus, Thomas und Nathanael. Von allen drei musste Johannes in den vorigen Kapiteln etwas Negatives schreiben: Nathanael war skeptisch, weil Jesus aus der Stadt Nazareth kam, Petrus verleugnete den Herrn und Thomas zweifelte an der Auferstehung seines Meisters (Joh 1,45.46; 18,25-27; 20,26.27). Dass sie nun namentlich erwähnt und an die Spitze der kleinen Jüngerschar gesetzt werden, zeigt die Gnade dessen, der „nichts vorwirft“ (Jak 1,5).

Erfolgloses Fischen

Petrus wollte nicht tatenlos herumsitzen. Warum nicht fischen gehen? Ein fischreicher See sowie ein Boot mit Ausrüstung lagen vor der Haustür. So machte Petrus sich auf. Er beriet sich vorher nicht mit den anderen – von denen mindestens zwei auch Fischer waren -, sondern teilte ihnen nur seine Absicht mit. Die Jünger schlossen sich ihm aber prompt an, offenbar ohne groß nachzudenken.

Der Herr Jesus hatte Petrus von den Fischernetzen weggerufen und aus ihm einen Menschenfischer gemacht
(Lk 5,10.11). Wenn Petrus nun wieder fischen ging – blickte er dann nicht zurück, obwohl er „die Hand an den Pflug gelegt“ hatte (Lk 9,62)? Wir dürfen ihm und den anderen Jüngern nicht unterstellen, dass sie ihren Dienst für den Herrn aufgeben und ihre Berufung verleugnen wollten. Aber sie trachteten nicht zuerst nach dem Reich Gottes und zeigten auch Eigenwillen. Dass ihr Tun nicht gut war, mag dadurch deutlich werden, dass zunächst der Segen fehlte und sie nicht fähig waren, den Herrn am Ufer sogleich zu erkennen. Später, als sie sich an einen „gedeckten Tisch setzten“, wurde ihnen klar, dass sie der Fürsorge des Herrn in ihrem Dienst vertrauen konnten und sich nicht ängstlich um ihren Lebensunterhalt sorgen mussten. Auch wir dürfen daran festhalten, dass Er uns nicht versäumen und verlassen wird. In diesem Vertrauen wollen wir uns nicht in die „Beschäftigungen des Lebens“ verwickeln lassen.

Die Jünger hatten Ungeduld, Eigensinn und Unabhängigkeit beim Fischfang gezeigt und mussten erleben, dass ihre Bemühungen erfolglos blieben. Wenn wir dieselben Fehler machen, wird es uns im Blick auf den Dienst des Evangeliums, das „Fischen“ von Menschen, nicht anders ergehen. Der Herr wird uns dann durch bittere Erfahrungen das lehren müssen, was Er einige Tage vorher zu den Jüngern gesagt hatte: „Außer mir könnt ihr nichts tun“ (Joh 15,5).

Im Dienst für den Herrn genügt es nicht, einfach das zu tun, was wir schon oft getan haben, oder das, was naheliegend erscheint. Ein entschlossenes „Ich gehe hin (Menschen) fischen“ sollte nur aus der bewussten Abhängigkeit vom Herrn hervorkommen. Dass am Segen des Herrn alles gelegen ist, darf nicht eine fromme Redensart sein. Salomo sagte: „Wenn der Herr das Haus nicht baut, vergeblich arbeiten daran die Bauleute; wenn der Herr die Stadt nicht bewacht, vergeblich wacht der Wächter. Vergeblich ist es für euch, dass ihr früh aufsteht, spät aufbleibt, das Brot der Mühsal esst; so gibt er seinem Geliebten im Schlaf“ (Ps 127,1.2).

Der Fremde am Ufer

Nachdem die Jünger lange vergeblich auf Beute gewartet hatten, zogen sie enttäuscht das leere Netz ins Boot und nahmen Kurs auf die Küste. Im Licht der ersten Sonnenstrahlen sahen sie einen fremden Mann am Ufer stehen. Wie lange mochte Er ihnen bereits zugesehen haben? Die ganze Nacht? Jedenfalls konnte das ihr Eindruck sein. Auch wenn der Herr ihnen nicht auf dem Wasser gefolgt war (wie bei einer anderen Gelegenheit), so hatte Er sie doch nicht im Stich gelassen. Er stand am Ufer, Er wartete auf sie. Aber zunächst erkannten sie Ihn nicht.

Leicht geschieht es, dass wir den Meister nicht „erkennen“, wenn wir von unserer Arbeit ganz in Beschlag genommen sind. Ebenso können Trauer, Angst und Enttäuschung unseren Blick verschleiern (vgl. Joh 20,14;
Mt 14,26; Lk 24,31).

Der Herr fragte sie vom Ufer aus, ob sie „etwas Zukost“ hätten (V. 5, Anmerkung).1 Konnten sie wenigstens etwas Fisch als Beilage zum Brot vorweisen? Als der Herr diese Frage stellte, ging es Ihm nicht darum, etwas von ihnen zu bekommen, denn Er selbst hatte ja bereits ein Frühstück gemacht (V. 12). Er wollte ihnen vielmehr bewusst machen, dass sie getrennt von ihm nichts erreichen können sowie Sein Interesse an ihrem Wohlergehen und ihrer Arbeit bekunden.

1 Wir finden nur hier, dass der Herr Seine Jünger mit „kleine Kinder“ (so wörtlich) anredete. Wird nicht allein schon dadurch deutlich gemacht, dass sie noch etwas zu lernen hatten und dass Er für sie sorgen würde?

Nachdem die Jünger die Frage schlicht verneint hatten, wies der vermeintlich Fremde sie an, das Netz auf der rechten Seite des Schiffes auszuwerfen. Er empfahl es nicht, sondern Er befahl es! Und was noch erstaunlicher für die Jünger gewesen sein musste: Dieser Mann gab ihnen eine Verheißung. Musste es ihnen nicht dämmern, dass sie es mit dem Herrn zu tun hatten? Der Befehl des Mannes am Ufer klang töricht, denn wir können doch davon ausgehen, dass sie das Netz auf der rechten Seite schon einmal ausgeworfen hatten. Außerdem waren der Zeitpunkt (es wurde schon hell) und die Lage (sie waren in Ufernähe) nicht gerade günstig, um Fische zu fangen. Dennoch taten sie es – und der Herr segnete es.

Wir sollten das „Netz des Evangeliums“ gehorsam auswerfen und darauf vertrauen, dass Gott Sein Wort segnen wird und dass unsere Mühe im Herrn nicht vergeblich ist (2. Tim 4,2.5; Jes 55,11; 1. Kor 15,58). Dabei sollten wir bereit sein, etwas zu tun, was ungewöhnlich und nicht Erfolg versprechend aussieht. So wie die Jünger, die doch noch einmal das Netz auswarfen, oder wie Philippus, der gehorsam auf einen öden Weg ging und dort von Gott gebraucht werden konnte (Apg 8,26.27).

Es ist der Herr!

Der Mensch hat verschiedene Tiere domestiziert und unter Kontrolle gebracht. Doch Fische hören nie auf Befehle – außer, wenn sie vom Schöpfer kommen. Und genau das finden wir hier. Als der Herr gebot, schwammen Fische in das ausgeworfene Netz der Jünger, denen es nicht gelang, das gefüllte Netz ins Boot zu ziehen. Sie erlebten, was Sprüche 10,22 sagt: „Der Segen des Herrn, er macht reich, und Anstrengung fügt neben ihm nichts hinzu.“

Obwohl Petrus schon einmal einen durch den Herrn bewirkten wunderbaren Fischfang erlebt hatte (Lk 5,4-8), erkannte nicht er, sondern Johannes, dass Jesus am Ufer stand. Dieser Jünger, der sich in besonderer Weise der Liebe des Herrn bewusst war, sprach zu Petrus: „Es ist der Herr“ (V. 7). Wie wichtig ist das, was Johannes erkannte und sagte! Wenn unsere Bemühungen mit Erfolg gekrönt werden, brauchen auch wir manchmal jemand, der uns auf Gott als die Quelle jeden Segens hinweist.

Ist es nicht bemerkenswert, dass Johannes seine „Entdeckung“ nur Petrus und nicht den anderen mitteilte? Geschah das nicht deshalb, weil er wusste, dass Petrus in seiner glühenden Liebe darauf besonders freudig reagieren würde? Und in der Tat: Petrus sprang in erfrischender Spontanität in die Fluten, dem Herrn entgegen.

Johannes war ein Mann der Einsicht: Er erkannte, wer am Ufer stand. Petrus war ein Mann der Tat: Er schwamm ans Ufer. Das Verhalten dieser unterschiedlichen Jünger lehrt uns, wie wir uns gegenseitig ergänzen können. Der Leib Christi benötigt sowohl das Auge, was von der Einsicht spricht, als auch die Hand, was an Taten erinnert
(1. Kor 12,21).

Petrus wollte nicht im Untergewand vor seinen Herrn treten und legte darum das Obergewand an, obwohl das beim Schwimmen natürlich hinderlich war. Er erreichte das Ufer dennoch vor Johannes und den anderen Jüngern, die mit dem Boot fuhren und das Netz mit 153 großen Fischen hinter sich herzogen. Einige Tage vorher kam Petrus noch nach Johannes zum leeren Grab des Herrn, da ihn die Schuld seines kläglichen Versagens drückte (Joh 20,4). Inzwischen war Petrus aber dem auferstandenen Herrn begegnet, die Sache war geordnet worden, und Petrus hatte seine Kühnheit zurückerlangt.

Die Fische werden gebracht

Die Jünger hatten viele Fische gefangen. Aber der Herr war nicht darauf angewiesen: Fisch und Brot lagen bereit, als die Jünger ans Land kamen. Wenn wir als Menschenfischer „erfolgreich“ tätig sein durften, machen wir manchmal eine vergleichbare Erfahrung wie die Jünger: Wir erleben, dass der Herr Jesus Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit bringt, ohne dass Er dazu jemand im aktiven Dienst benutzt. Der Herr braucht uns nicht, aber Er will uns gebrauchen!

Das, was die Jünger unter Seinem Segen fingen, anerkennt der Herr gnädig als ihre Arbeit, denn Er sprach ausdrücklich von den Fischen, die sie gefangen hatten
(V. 10). Wenn der Heiland uns benutzt hat, dann ist es Gnade – und es ist auch Gnade, dass Er unseren geringen Dienst anerkennt und uns dafür belohnen will.

Der Herr gebot, dass die gefangenen Fische zu Ihm gebracht werden. Vielleicht ist das ein Hinweis darauf, dass die Menschen, die für den Herrn „gefangen“ wurden, mit Ihm vertraut gemacht werden sollen. Seine Knechte dürfen dafür arbeiten, dass Er der Mittelpunkt im Leben der Glaubenden wird. Wir dürfen niemand hinter uns herziehen (Apg 20,30), sondern sollen stets zu Ihm hinführen.

Der Herr beauftragte die Jünger gemeinsam, die Fische zu bringen. Doch der durchnässte Petrus zog die Fische allein aufs Land (V. 10.11). Das ist umso bemerkenswerter, wenn wir bedenken, dass sechs Männer im Boot das Netz nicht zu ziehen vermochten (V. 6). Seine Tatkraft leuchtet hier hell hervor.

Obwohl es viele Fische waren, riss das Netz nicht. Bei einem anderen wunderbaren Fischfang erlebte Petrus, dass die Netze rissen (Lk 5,6.7). In Lukas 5 soll gezeigt werden, dass der Segen des Herrn von uns nicht erfasst werden kann, während es in Johannes 21 darum geht, dass Er über die Arbeit Seiner Diener in Treue wacht. Wenn Er segnet, dann werden wir sowohl Menschen „fangen“ als auch zu Ihm bringen können.

Der bereitete Tisch

Der Herr bat die Jünger „zu Tisch“. Sie durften sich sättigen und wärmen. Sie sollten nicht nur arbeiten, sondern auch Speise zu sich nehmen. Wieder einmal gab es Brot und Fisch. Der gütige Herr reichte übrigens nie Brot allein, sondern immer auch Fisch dazu – Christus gibt uns mehr, als notwendig ist.2

2 Unter diesem Blickwinkel betrachtet sind die Fische ein Bild geistlicher Nahrung und natürlich nicht von Menschen, die für den Herrn gewonnen werden.

Auch wir brauchen nach getaner Arbeit geistliche Nahrung (Mk 6,31). Wir können uns nicht nur um andere mühen, sondern sollen auch auf uns selbst achthaben. Wir müssen in Seiner Gegenwart zur Ruhe kommen. Auf diese Weise werden wir auch für neue Aufgaben innerlich zubereitet. So bekam Petrus nach diesem Frühstück den Auftrag, sich der Herde Gottes anzunehmen (V. 15-17).

Die Jünger wollten gern, dass der Herr ihnen ganz klar sagen würde, dass Er es wirklich sei (vgl. mit Mt 14,27). Aber es war ihnen unangenehm, darum zu bitten, weil Er Ihnen doch klare Beweise Seiner Größe und Herrlichkeit gegeben hatte (V. 12). Es war bereits das dritte Mal, dass sich der Herr Seinen Jüngern kollektiv offenbarte (V. 14).

Eine Szene der Ruhe

Die Szene am Ufer des Sees von Tiberias ist, wie eingangs erwähnt, ein Vorausbild auf das Tausendjährige Reich. Die Jünger repräsentieren hier den jüdischen Überrest kommender Tage. Aber sicherlich dürfen wir auch eine Anwendung auf uns Christen machen, die an der himmlischen Seite des Reiches teilhaben und mit Christus herrschen werden. Drei Punkte möchte ich in diesem Zusammenhang erwähnen:

• Als der Fang ans Land gebracht wurde, riss das Netz nicht, und kein Fisch ging verloren. Das erinnert daran, dass alle, die das Evangelium angenommen haben, ausnahmslos das Ziel erreichen werden.

• Als die Jünger nach getaner Arbeit am Seeufer waren, sahen und zählten sie das, was sie gefangen hatten. Wenn wir im Himmel sein werden, werden unsere Werke uns nachfolgen und offenbar werden (vgl. Off 14,13; 1. Tim 5,25).

• Als die Jünger das vom Herrn bereitete Mahl aßen, genossen sie die Augenblicke der Ruhe und fragten nicht, wer Er sei. Im Himmel werden wir uns an der Gemeinschaft mit dem Herrn erfreuen, und niemand wird sich danach erkundigen, wer Er ist, denn wir alle werden Ihn erkennen. In Seiner Gnade wird Er hinzutreten und uns bedienen (Lk 12,37).

Zusammenfassung

Wir sind im Verlauf unserer Betrachtung drei Aufforderungen des Herrn Jesus begegnet:

1. „Werft das Netz aus“ (V. 6)

2. „Bringt von den Fischen her“ (V. 10)

3. „Kommt her, frühstückt!“ (V. 12)

Diese Befehle lehren uns: Wir sollen als Menschenfischer unsere „Netze“ auswerfen. Die, die gläubig geworden sind, sollen wir zu Ihm hinführen. Da der Dienst Kraft kostet, haben wir es außerdem immer wieder nötig, geistliche Nahrung zu uns zu nehmen, die Er uns in Seiner Güte gerne gibt.

Und über all dies wissen wir, dass Er bald kommen und uns in Seine Ruhe einführen wird. Herrliche Gnade!

G. Setzer

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2014, Heft 2, Seite 46

Bibelstellen: Jo 21,1-14