Seid heilig, denn ich bin heilig

Mit dieser Aufforderung konfrontiert der Apostel Petrus die Adressaten seines ersten Briefes. Sie gilt auch uns heute in gleicher Weise: „ … sondern wie der, der euch berufen hat, heilig ist, seid auch ihr heilig in allem Wandel! Denn es steht geschrieben: Seid heilig, denn ich bin heilig“ (1. Pet 1,15-16).

Berufen durch Gott

Petrus hatte seine Briefempfänger am Anfang seines Briefes daran erinnert, dass Gott sie auserwählt hatte (vgl.
1. Pet 1,2). Jetzt spricht er davon, dass Gott sie auch berufen hat. Unsere Auserwählung geschah in der Ewigkeit „vor der Zeit“, während der Ruf Gottes uns „in der Zeit“ erreicht hat. Petrus spricht wiederholt davon, dass wir „berufen“ sind (vgl. 1. Pet 1,15; 2,9; 2,21; 3,9; 5,10; 2. Pet 1,3; 1,10). Berufung steht an manchen Stellen damit in Verbindung, wozu wir berufen sind. Hier geht es jedoch mehr um den Charakter der Berufung und die daraus resultierenden Folgen für unser tägliches Leben. Der Gott, der uns berufen hat, ist ein heiliger Gott (vgl. Jes 6,3). Er ist ein „verzehrendes Feuer“ (Heb 12,29). Gott ist vom Bösen völlig getrennt. Er ist „zu rein von Augen, um Böses zu sehen“ (Hab 1,13). Gott ist Licht und deshalb ist Heiligkeit einer seiner Wesenszüge. Das ist etwas, das wir nie vergessen sollten. Wenn dieser Gott Menschen beruft, entspricht der Ruf immer diesem heiligen Charakter (vgl. 2. Tim 1,9). Petrus hatte schon vorher von der „Heiligung des Geistes“ gesprochen. Das bedeutet, dass wir durch den Heiligen Geist für Gott abgesondert sind. Der Stellung nach sind wir „Heilige“. Dieser Stellung entsprechend sollen wir nun leben.

Der heilige Wandel

Wenn Gott heilig ist und uns mit heiligem Ruf gerufen hat, kann die Schlussfolgerung nur lauten, dass wir heilig leben sollen. Der Appell wird hier in der Form eines ausdrücklichen Befehls gegeben. Es ist keine Bitte und kein Wunsch. Man könnte auch übersetzen: „Seid in Übereinstimmung mit dem Heiligen, der euch berufen hat“.

Heilige Menschen zeigen in ihrem Leben, was sie sind und wem sie gehören. „Heilig zu sein“ hat nichts mit Askese oder sonstigem „sonderbarem“ Verhalten zu tun. Es bedeutet vielmehr, dass wir unser Leben Gott zur Verfügung stellen, zu seiner Freude leben und uns folglich von dem trennen, was nicht mit Gottes Heiligkeit übereinstimmt. Der Schreiber des Hebräerbriefes sagt: „Jagt dem Frieden nach mit allen und der Heiligkeit, ohne die niemand den Herrn schauen wird“ (Heb 12,14). Paulus schreibt: „Denn dies ist Gottes Wille: eure Heiligkeit …“ (1. Thes 4,3). Unser Leben soll mit dem übereinstimmen, was wir unserer Stellung nach sind. Petrus betont in seinem Brief sowohl unsere heilige Stellung (vgl. Kap. 1,2) als auch den heiligen Wandel.

Der „Wandel“ nimmt Bezug auf die Lebensführung des Christen. „Aller Wandel“ schließt alle Lebensbereiche ein. Dazu zählen die Bereiche Ehe, Familie, Beruf, Nachbarschaft, Volk Gottes, persönliches Leben usw. Kein Bereich ist ausgenommen. Wir leben immer vor den Augen des heiligen Gottes.

Dabei wollen wir nicht vergessen, dass Heiligkeit nicht nur eine negative Seite hat, indem wir uns von dem trennen, was nicht mit Gott übereinstimmt. Heiligkeit hat vor allem die positive Seite, dass wir zur Ehre und Freude Gottes leben. Man kann das am Bild eines Blumengartens illustrieren. Das eigentliche Ziel des Gärtners ist nicht, dass sein Garten unkrautfrei ist, sondern dass dort schöne Blumen wachsen. Das eine ist allerdings die Voraussetzung für das andere.

Es steht geschrieben

Petrus bezieht sich auf das Alte Testament, das seine damaligen Briefempfänger gut kannten. Wir Christen können das Alte Testament nicht mit dem Hinweis beiseiteschieben, dass es für uns keine Gültigkeit hat. Es ist wahr, dass wir nicht unter dem Gesetz vom Sinai stehen. Es ist nicht unsere Lebensregel. Dennoch sind die moralischen Grundsätze und Anforderungen unverändert gültig. Das Alte Testament ist ebenso Gottes Wort wie das Neue Testament (vgl. 2. Tim 3,16) und seine moralischen Forderungen können sich nie ändern. W. Kelly schreibt einmal: „Die wesentlichen sittlichen Grundsätze des Alten Testaments werden in keiner Weise vom Christentum beeinträchtigt.“

Allein im dritten Buch Mose spricht Gott mindestens dreimal davon, dass das Volk Israel heilig sein sollte, weil Er heilig ist:

a) In Verbindung mit den Nahrungsvorschriften des Volkes Israel: „Denn ich bin der Herr, euer Gott; so heiligt euch und seid heilig, denn ich bin heilig … Denn ich bin der Herr, der euch aus dem Land Ägypten heraufgeführt hat, um euer Gott zu sein: So seid heilig, denn ich bin heilig“ (3. Mo 11,44-45). Die Nahrung ist das, was wir in uns aufnehmen. Der Volksmund sagt zu Recht: „Man ist, was man isst.“ So ist es auch im Geistlichen. Das, was wir verinnerlichen, prägt uns und hat einen entscheidenden Einfluss darauf, ob wir in allem Wandel heilig sind oder nicht. Dieser Punkt sollte z.B. dazu beitragen, dass wir unseren Medienkonsum einer kritischen Prüfung unterziehen.

b) In Verbindung mit unseren Beziehungen in familiärer und sozialer Hinsicht: „Rede zu der ganzen Gemeinde der Kinder Israel und sprich zu ihnen: Ihr sollt heilig sein; denn ich, der Herr, euer Gott, bin heilig“ (3. Mo 19,2). In unseren sozialen und familiären Kontakten, die wir pflegen, müssen wir der Heiligkeit Gottes ebenfalls Rechnung tragen. Schlechter Umgang verdirbt immer noch gute Sitten (1. Kor 15,33).

c) In Verbindung mit der uns umgebenden Welt und dem Zeitgeist, der in der Welt herrscht: „Und ihr sollt mir heilig sein, denn ich bin heilig, ich, der HERR; und ich habe euch von den Völkern abgesondert, damit ihr mein seid“ (3. Mo 20,26). In unseren nicht zu vermeidenden Kontakten zu ungläubigen Menschen ist es wichtig, dass wir praktisch heilig leben. Wir können nur dann ein Zeugnis für die Menschen sein, wenn wir uns von ihrem bösen Tun distanzieren. „Und seid nicht gleichförmig dieser Welt, sondern werdet verwandelt durch die Erneuerung eures Sinnes“ (Röm 12,2).

Es fällt auf, dass Gott nicht sagt: „Seid so heilig, wie ich heilig bin.“ Er sagt vielmehr: „Seid heilig, denn ich bin heilig.“ Kein Mensch wird – was die Praxis betrifft – je so heilig werden, wie Gott es ist. Dennoch bleibt Seine Heiligkeit der Maßstab für unsere Heiligkeit, auch wenn wir weit dahinter zurückbleiben. Gott hat uns Seine heilige Natur und den Heiligen Geist gegeben. Somit sind wir bestens ausgestattet für ein Leben in Heiligkeit, wozu wir uns gegenseitig ermuntern wollen.

E.-A. Bremicker

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2014, Heft 7, Seite 210

Bibelstellen: 1Petr 1,15.16

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