Der erste wunderbare Fischfang

Lukas 5,1-11

Der Herr Jesus lehrte am See Genezareth die Volksmenge, zunächst vom Ufer und anschließend vom Schiff des Simon Petrus aus. Nachdem Er Seine Belehrungen beendet hatte, wirkte Er ein Wunder: Petrus und seine Genossen durften einen gewaltigen Fischfang machen. Simon Petrus folgte daraufhin dem Herrn Jesus nach und ließ alles hinter sich zurück. Aber darin war Petrus nicht allein. Die Parallelberichte in anderen Evangelien zeigen, dass auch Andreas, der Bruder von Petrus, sowie Jakobus und Johannes alles verließen, um dem Herrn ganz zu dienen (Mt 4,18-22; Mk 1,16-20).

Lukas konzentriert sich in seinem Bericht auf Petrus – wobei es ihm nicht darum geht, dessen Bekehrung zu schildern. Denn Simon kannte den Herrn bereits und hatte von Ihm einen neuen Namen empfangen (Joh 1,42). Außerdem fällt auf, dass Simon in unserem Abschnitt gerade dann Petrus genannt wird, als er seinen sündigen Zustand bekennt (V. 8). Es war das Bekenntnis eines Mannes, der bereits von neuem geboren war. Dementsprechend stellte Simon Petrus dem Herrn willig sein Schiff zur Verfügung und gehorchte dem Befehl seines Meisters, die Netze auszuwerfen.

Es geht in Lukas 5 also nicht um Bekehrung, sondern um Berufung zur Nachfolge und zum Dienst. Noch etwas anderes ist die Erwählung der zwölf Apostel, die kurz darauf erfolgte (Lk 6,12-16).

Die Predigt des Wortes

Der Herr Jesus stand am Ufer des Sees Genezareth und predigte das Wort Gottes (V. 1); etwas, was auch wir heute tun sollen (2. Tim 4,2). In der Nähe lagen zwei Schiffe am Ufer (V. 2). Eins dieser Schiffe gehörte Simon Petrus und seinem Bruder Andreas, das andere Schiff war Eigentum der Brüder Jakobus und Johannes. Die Fischer standen neben ihren Schiffen und gingen einer zweifellos frustrierenden Tätigkeit nach: Sie wuschen ihre Netze, mit denen sie in der vergangenen Nacht keinen einzigen Fisch gefangen hatten.

Weil die Zuhörer den Herrn umdrängten, stieg Er in das Schiff, das Simon gehörte. Er bat Simon, ein wenig vom Ufer wegzufahren, damit Er vom Schiff aus predigen konnte (V. 3). Die Volksmengen würden Ihn so besser verstehen; außerdem konnte sich der Herr im Schiff hinsetzen. Aber nicht nur das: Simon Petrus, der eben noch an den Netzen arbeitete, musste sich nun ganz auf das Wort Gottes konzentrieren.

Der Herr möchte, dass auch wir aufmerksam sind, wenn Er uns etwas zu sagen hat. Um das zu erreichen, werden wir manchmal gezwungen – zum Beispiel durch Krankheit -, die Arbeit beiseitezulegen. Unsere Hände sollen ruhen und unsere Ohren für Sein Wort geöffnet sein.

Petrus folgte der Bitte des Herrn, mit dem Schiff hinauszufahren, ohne ein Wort zu erwidern (V. 3). Es war für ihn selbstverständlich, dem Meister seinen Besitz zur Verfügung zu stellen.

Fahre hinaus!

Nachdem Jesus Seine Belehrungen beendet hatte, sagte Er Simon, er solle in tiefere Gewässer fahren und dort die Netze herablassen (V. 4). Was der Herr sagte, klang – menschlich betrachtet – wenig vielversprechend. Denn in tieferen Gewässern schwammen die Fische bei Tageslicht weit unten. Wie sollten die Fischer mit ihren einfachen Netzen die Fische dort erreichen? Außerdem hatten sie sich bereits die ganze Nacht hindurch erfolglos bemüht. Petrus sprach seine Bedenken offen aus1, beeilte sich aber hinzuzufügen: „Auf dein Wort hin will ich die Netze hinablassen“ (V. 5).

1 Auch Ananias aus Damaskus, der den zunächst schwer verständlichen Auftrag bekam, zu Saulus von Tarsus zu gehen, redete mit dem Herrn offen über seine Zweifel – und ging dann doch (Apg 9,11-17).

Diese Worte machen klar: Petrus stützte sich nicht auf seine Gefühle, seine Erfahrung und seinen Verstand. Sonst hätte er vielleicht gesagt: „Ich bin zu müde, ich habe die ganze Nacht gearbeitet, ich fühle mich ausgelaugt, es geht nicht mehr.“ Oder: „Am Tag an tiefen Stellen zu fischen ist erfahrungsgemäß aussichtslos.“ Oder: „Beim Fischen kann man nicht dem Rat eines Zimmermanns folgen.“ Nein, so redete Petrus nicht. Bei ihm war Glaube tätig, der sich auf Gottes Wort stützt. Er vertraute auf den Herrn mit seinem ganzen Herzen (Spr 3,5); und darum gehorchte der erschöpfte Simon seinem Meister2 und ließ, zusammen mit anderen, die frisch gewaschenen Netze wieder ins Wasser hinab.

2 Petrus akzeptierte Christus nicht nur als Lehrer, sondern er sprach Ihn als Meister an. Ein Meister ist der, der das Sagen hat und der weiß, wie es geht.

Auch wir stehen zuweilen mit hängendem Kopf an unseren „leeren Netzen“ und denken, dass die Arbeit im Evangelium keinen Zweck mehr habe. Alle Mühe scheint umsonst. Aber wenn Er uns an die Arbeit schickt, vielleicht an einen ungewöhnlichen Ort, wollen wir es dann nicht doch „wagen“? Und wir wissen alle: Das, was wir mit Ihm tun, kann nicht vergeblich sein.

Der großartige Fang

Die Fische gehorchten dem Sohn des Menschen: Scharenweise schwammen sie in die Netze der gehorsamen Fischer (V. 6). Die Menge der Fische brachte die Netze zum Reißen, und Petrus rief seine Genossen in dem anderen Schiff zu Hilfe (V. 7). In beide Schiffe wurde so viel Fisch verfrachtet, dass sie zu sinken drohten.

Die eingerissenen Netze und die unter der wertvollen Last schwankenden Schiffe machen deutlich: Gottes Segen ist so gewaltig, dass wir ihn nicht erfassen können. Sein Segen wird nur durch die Anzahl und Größe unserer „Gefäße“ beschränkt (vgl. mit 2. Kön 4,6).

Dieses Fischfang-Wunder hatte Jesus Christus in Seiner Macht gewirkt. Aber Er verknüpfte das Wunder mit den ausgeworfenen Netzen der Jünger. Die Fische kamen nicht an Land geschwommen und sie sprangen auch nicht ins Boot. Das zeigt ein wichtiges Prinzip: Wenn auch alles von Christus und Seinem Wirken abhängt, so nimmt das nichts von unserer Verantwortung weg. Der Herr möchte gerne Seinen Segen auf unsere Bemühungen legen. Wenn wir aber nicht arbeiten, wird „nichts zu holen sein“.

Petrus lernte hier auch, dass der Herr sich nichts schenken lässt. Er, der Jesus sein Boot geliehen hatte, durfte einen großen Fang machen. Simon Petrus erlebte die Wahrheit der Worte: „Gebt, und euch wird gegeben werden: Ein gutes, gedrücktes, gerütteltes und überlaufendes Maß wird man in euren Schoß geben“ (Lk 6,38).

Petrus erkennt seine Sündhaftigkeit

Petrus kümmerte sich aber nicht um den großartigen Fang oder um sein Schiff. Denn er war erschrocken über die gewaltige Macht, die sein Meister demonstriert hatte! Seinen Genossen erging es genauso (V. 9). Auch die Menschen in Kapernaum waren einige Zeit vorher entsetzt gewesen, als Christus Seine Macht gezeigt und einen Dämon ausgetrieben hatte (Lk 4,36). Doch nur Petrus fiel vor dem Herrn nieder3 und sagte: „Geh von mir hinaus, denn ich bin ein sündiger Mensch“ (V. 8).

3 Er fiel zu den Knien Jesu nieder und nicht zu Seinen Füßen, wie wir das bei vielen Gelegenheiten finden. Womöglich geschah das deshalb, weil der Boden des Schiffes mit Fischen bedeckt war.

Was Petrus tat, erscheint fast widersprüchlich: Er fiel vor Jesus nieder, suchte also Seine Nähe, und bat gleichzeitig, dass Er weggehen möge. Sicher wollte Petrus nicht von Jesus getrennt werden, aber er spricht offen seine Empfindungen aus: „Ich, der sündige Mensch, passe nicht in die Gegenwart des Heiligen.“ Petrus fühlte sich unwürdig, mit dem Sohn Gottes in einem Boot zu sein.

Beachten wir, dass Petrus von dem redete, was er war und nicht von dem, was er getan hat. Es ging ihm nicht um böse Taten, sondern um seinen sündigen Zustand. So sagte auch der „verlorene Sohn“ nicht nur: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir“, sondern fügte hinzu: „ich bin nicht mehr würdig, dein Sohn zu heißen“ (Lk 15,21). Er fühlte sich als Person unpassend für das Haus seines guten Vaters.

Aber, so könnte man fragen, warum wurde ihm gerade jetzt seine Sündhaftigkeit so nachhaltig bewusst? Gewiss deshalb, weil er die Herrlichkeit des Meisters in dem Wunder gesehen hat – und das machte ihm klar, wie wenig er dieser Herrlichkeit entsprach.

Ähnlich wie Petrus war es schon Hiob ergangen. Als er von Gott „hörte“, brach er nicht zusammen, doch als sein Auge Ihn „sah“, da verabscheute er sich (Hiob 42,5.6). Und als Jesaja den Herrn auf seinem Thron der Herrlichkeit erblickte, rief er aus: „Wehe mir! Denn ich bin verloren; denn ich bin ein Mann mit unreinen Lippen, und inmitten eines Volkes mit unreinen Lippen wohne ich; denn meine Augen haben den König, den Herrn der Heerscharen, gesehen“ (Jes 6,5). Direkt nach diesen Worten, in denen Jesaja seinen sündigen Zustand eingeräumt hatte, wurde er zum Dienst ausgesandt (Jes 6,9).

Es ist gut, wenn wir die Verdorbenheit der sündigen Natur durch das Licht der Herrlichkeit Gottes begreifen. Wir können diese Lektion auch anders lernen: durch das eigene Versagen. Später würde Petrus diese schmerzhafte Erfahrung machen. So oder so: Es muss sich uns einprägen, dass in unserem Fleisch nichts Gutes wohnt und dass das Fleisch nichts nützt (Röm 7,18; Joh 6,63), sonst kann der Herr uns nicht in Seinem Dienst gebrauchen.

Petrus wird zum Menschenfischer berufen

Petrus, der sich zerknirscht vor dem Herrn hingeworfen hatte, empfing ein herrliches Wort der Ermutigung und Berufung: „Fürchte dich nicht; von nun an wirst du Menschen fangen“ (V. 10). Petrus musste keine Angst haben. Der Herr kannte ihn durch und durch und in Seiner Liebe wollte Er ihn für eine große Aufgabe gebrauchen: Menschen fischen. Petrus sollte diese Arbeit in Abhängigkeit, Demut und im Vertrauen auf die Macht seines Meisters tun. Der Segen würde nicht ausbleiben – so hatte es der wunderbare Fischzug ja gerade gezeigt.

Wenn der Herr Jesus vom „Fangen von Menschen“ spricht, knüpft Er an Simons Beruf an. Und Simon Petrus wusste, dass er Fische mit zwei Methoden fangen konnte: mit der Angel den einzelnen Fisch (wie in Mt 17,27) oder mit dem Netz viele Fische. Im übertragenen Sinn gebrauchte Petrus die Angel in Apostelgeschichte 10, als er sich dem Hauptmann Kornelius das Evangelium brachte. Das Netz verwendete er in Apostelgeschichte 2, als er öffentlich predigte und sich dreitausend Menschen bekehrten. Bei der „Angelarbeit“ ist besonders Geduld und Ausharren gefragt, während bei der „Netzarbeit“ Energie und Fleiß im Vordergrund stehen. Ein großer Unterschied zwischen dem Fische-Fischen und dem Menschen-Fischen besteht darin, dass die Fische vom Leben zum Tod kommen, während die Menschen vom Tod zum Leben geführt werden.

Obwohl die Netze gerissen und die Schiffe tief ins Wasser eingetaucht waren, konnte der Fang sichergestellt werden. Doch die vier Jünger Petrus, Andreas, Jakobus und Johannes kümmerten sich nicht um den wahrscheinlich besten Fang ihres Lebens (V. 11). Sie verließen alles und bewiesen damit große Hingabe an den Herrn, dem sie folgen wollten.4

4 Es ist die Weise des Herrn, fleißige und gute Arbeiter in Sein Werk zu stellen. Mose und David wurden berufen, als sie Schafe hüteten, und Elisa bekam den Prophetenmantel umgehängt, als er mit zwölf Joch Rindern vor sich her pflügte und beim zwölften Joch angekommen war (1. Kön 19,19).

Wir lesen bei Lukas nicht, dass der Herr sie zur Nachfolge aufgefordert hätte (vgl. mit Mk 1,17-20). Lukas betont mit seiner Schilderung der Dinge, dass Nachfolge die logische Konsequenz war, nachdem sie den Herrn so erlebt hatten. Für diesen Meister muss man alles stehen und liegen lassen!

Müssen auch wir alles verlassen, um dem Herrn dienen zu können? Das wird wahrscheinlich kaum von uns gefordert werden. Aber wir sollten alles aufgeben, was uns daran hindert, das zu tun, wozu der Herr uns berufen hat.

Zusammenfassung

Wir lernen aus dieser Begebenheit, dass wir im Glaubensgehorsam auf „Menschenfang“ gehen und dabei mit dem Segen des Meisters rechnen dürfen. Außerdem erkennen wir, dass der Herr uns zu einer tieferen Gotteserkenntnis bringen möchte, die uns auch zur rechten Selbsterkenntnis führen wird. Das ist eine wichtige Voraussetzung für den Dienst. Wenn wir von der Herrlichkeit des Sohnes Gottes beeindruckt sind, bekommen wir Kraft, für Ihn etwas aufzugeben, Ihm nachzufolgen und unseren Dienst nach Seinen Gedanken mutig zu tun.

G. Setzer

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2015, Heft 6