Freude

„Freude“ ist ein Begriff, der in der Bibel sehr häufig vorkommt. Freude ist auf der einen Seite etwas, was sich jeder Mensch wünscht, wonach er sucht. Wer möchte nicht glücklich sein, wer sucht nicht glückliche Erlebnisse und Momente? Auf der anderen Seite will Gott selbst dem Menschen Freude schenken, Er möchte den Menschen glücklich machen. Tragisch ist allerdings, dass der von Gott entfremdete Mensch seine Freude unabhängig von Gott sucht, er will ohne Gott glücklich sein. Dieses Ziel verfolgte auch der „verlorene Sohn“, als er von seinem Vater wegzog. Und der Ältere war keineswegs besser: Ohne den Vater, nur mit seinen Freunden wollte er fröhlich sein (vgl. Lk 15). Statt Freude und innere Ruhe in dem zu suchen, was Gott ihnen schenken möchte, suchen die Menschen sie in irdischen und vergänglichen Dingen und nicht zuletzt in der Befriedigung ihrer Begierden. Dabei müssen sie feststellen, dass die Dinge, die sie suchen, ihnen kein dauerhaftes Glück, keine bleibende Freude geben können.

Freude an irdischen Dingen

Zu dieser ernüchternden Feststellung kam auch der weise Prediger Salomo. Salomo hatte das Leben unter der Sonne, das heißt aus der rein menschlich-irdischen Perspektive betrachtet und aus diesem Blickwinkel ein sinnerfülltes Leben und bleibendes Glück für sich gesucht. Dazu hatte er Ausschau gehalten nach allen möglichen Tätigkeiten und Beschäftigungen; alles, was ihm damals zur Verfügung stand, hatte er reichlich ausprobiert, jede Freude sich gegönnt (vgl. Pred 2,10). Und weil er darin den wahren Lebenssinn nicht finden konnte, kam er zu der Überzeugung, dass es wohl nichts Besseres für den Menschen geben könne, als das Leben auf der Erde zu genießen und seine Seele Gutes sehen zu lassen, zu essen und zu trinken und sich zu freuen (vgl. Pred 8,15; 3,12).

Verhalten wir uns als Christen nicht manchmal (oder sogar öfter) auch so wie der Prediger und suchen unsere Freuden im Leben „unter der Sonne“? Besteht unsere Freude, unser Glück darin, das Leben unbeschwert zu genießen bei guter Gesundheit und mit möglichst vielen schönen Erlebnissen, die das Leben nach menschlichen Maßstäben lebenswert machen? Damit soll keineswegs gesagt werden, dass Gesundheit und äußeres Wohlergehen kein Grund zur Dankbarkeit seien. Aber wenn wir nur auf diese Dinge ausgerichtet sind und darin unsere Freude und Erfüllung suchen, wird es uns früher oder später wie dem Prediger ergehen: Wirklichen Lebenssinn und dauerhaftes Glück werden wir darin nicht finden.

Größere Freude

Ganz anders erging es David, als er den vierten Psalm schrieb. Offenbar befand David sich damals nicht in besonders günstigen äußeren Umständen, und er genoss keine Zeit äußerlichen Wohllebens. Trotzdem war er von einer Freude erfüllt, die größer war als alle Freuden, die er aufgrund von angenehmen Lebensumständen genossen hatte. Diese Freude hatte Gott ihm gegeben: „Du hast Freude in mein Herz gegeben, mehr als zur Zeit, als es viel Korn und Most gab“ (Ps 4,8). Da stellt sich die Frage: Worin besteht der Grund und was ist der Inhalt dieser Freude?

Freude in Gott – ein Beispiel aus dem AT

Eine Antwort auf diese Frage finden wir zum Beispiel in Psalm 16. Dort sagt David: „Ich habe den Herrn stets vor mich gestellt“ (V. 8), und dann schlussfolgert er: „Darum freut sich mein Herz und frohlockt meine Seele“ (V. 9). Der Grund seiner Freude lag offensichtlich in Gott selbst. Davon zeugen auch manche andere Psalmen, wie zum Beispiel Psalm 23. Dieser Psalm zeigt, dass David sich zutiefst in seinem Gott erfreute. Er rühmte sich seines Gottes, der ihn gerettet und bewahrt, der ihn erquickt und gestärkt hatte in notvollen Situationen, der ihn mit Seiner Fürsorge und Seinem Segen begleitet und mit Seiner Nähe glücklich gemacht hatte. Dieser Gott, dieser Herr, den David als seinen Hirten bezeichnet, war der Grund seiner tiefen Freude.

Freude im Herrn – drei Beispiele aus dem NT

1. Der äthiopische Kämmerer. Diese Freude in Gott, diese Freude im Herrn ist ein wesentliches Merkmal von Menschen, die zu Gott gebracht sind, die Ihn kennen gelernt und erfahren haben. Ein schönes Beispiel ist der Kämmerer von Äthiopien. Philippus hatte diesem Mann das Evangelium von Jesus verkündigt. Und der Kämmerer nahm Ihn, von dem er in der Jesajarolle gelesen hatte, sofort als Retter an. Er wollte diesem Mann der Schmerzen, der wegen unserer Übertretungen von Gott geschlagen wurde und die Strafe zu unserem Frieden auf sich genommen hat, konsequent folgen und ließ sich deshalb gleich taufen. Und obwohl Philippus nicht mehr zugegen war, zog der Kämmerer seinen Weg mit Freuden (Apg 8,39). Freude des Heils – das war es, was ihn motivierte.

2. Fremdlinge in der Zerstreuung. Die Freude im Herrn finden wir aber nicht nur als Merkmal von jung bekehrten Christen, die sich in aller Frische ihres Heils erfreuen (vgl. 1. Thes 1,6). Petrus schreibt Christen, die durch mancherlei Versuchungen gingen, dass sie den liebten, den sie noch nicht gesehen hatten, und im Glauben an Ihn mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude frohlockten (1. Pet 1,8). Was hatte solche Freude hervorrufen können? Im Gegensatz zu ihren ungläubigen Volksgenossen hatten diese Gläubigen den Herrn Jesus als ihren Messias erkannt und angenommen. Dadurch waren sie zu Segnungen und Vorzügen gelangt, die weit über das hinausgingen, was Israel in Aussicht gestellt war. Statt eines irdischen Erbteils besaßen sie jetzt ein Erbteil, das in den Himmeln für sie aufbewahrt wurde. Außerdem gehörten sie nun in einem viel großartigeren Sinn zu einem auserwählten Geschlecht, zu einer heiligen Nation. Sie waren zu einer heiligen Priesterschaft geworden mit viel erhabeneren Vorrechten, als das irdische Priestertum der Familie Aarons sie jemals besessen hat. Wodurch waren ihnen diese Barmherzigkeit und dieser Segen zuteil geworden? Sie verdankten sie Christus, der sie erlöst hatte mit Seinem kostbaren Blut, das Er als das Lamm ohne Fehl und ohne Flecken gegeben hatte. Diesen Herrn kannten sie bereits im Glauben, obwohl sie ihn noch nicht mit ihren Augen gesehen hatten, und sie erfreuten sich in Ihm und frohlockten mit einer unaussprechlichen und verherrlichten Freude.

3. Paulus. Das größte Beispiel für jemand, der Freude im Herrn kannte und davon erfüllt war, ist sicherlich der Apostel Paulus. Diese Freude ließ sein Herz übersprudeln – auch in Situationen, die alles andere als erfreulich waren. Nichts und niemand, kein Gefängnis, kein Widerstand, keine Anfeindung und Enttäuschung konnten diese Freude dämpfen, die ihre Quelle in der einzigartigen Person fand, die ihn geliebt und sich selbst für ihn hingegeben hat, die ihm, dem „ersten Sünder“, auf dem Weg nach Damaskus in den Weg getreten und sein Leben so grundlegend verändert hatte, die ihn seitdem faszinierte, die ihn ergriffen und ihn ganz in Beschlag genommen hatte. Christus und Christus allein machte sein tiefstes Glück aus.

Freude im Herrn – eine Aufforderung

Diese Freude im Herrn wünscht Paulus auch seinen Glaubensgeschwistern; er fordert sie auf: „Freut euch in dem Herrn!“ (Phil 3,1). Und weil es ihm so wichtig war, dass die Philipper diese Freude in ihren Herzen haben, wiederholt er diese Aufforderung in Kapitel 4: „Freut euch in dem Herrn allezeit! Wiederum will ich sagen: Freut euch!“ (Phil 4,4). Wir könnten fragen: Weshalb diese mehrmalige und eindringliche Aufforderung? Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen hat die Freude im Herrn segensreiche Auswirkungen, die Paulus den Philippern wünscht. Zum anderen ist die Freude im Herrn an Bedingungen geknüpft, die Paulus in den Philippern erfüllt sehen wollte und die auch uns kennzeichnen sollten.

Auswirkung der Freude im Herrn: Sicherheit

Und welche Auswirkungen hat die Freude im Herrn? Paulus sagt in Philipper 3,1: „Euch dasselbe zu schreiben ist mir nicht lästig, für euch aber ist es sicher“, das heißt, es dient euch zur Sicherheit. Die Freude im Herrn gibt Sicherheit, weil sie wie ein Schutzmantel wirkt. Sie schützt uns vor den Angriffen des Teufels und vor verderblichen Einflüssen; sie bewahrt uns vor Resignation und Verbitterung. Weshalb hat die Freude im Herrn diese Auswirkungen? Weil sie in den Herzen solcher verankert ist, die in der Gemeinschaft und Nähe des Herrn leben und Ihn vor Augen haben. Die Gedanken und Gefühle solcher Leute sind in Sicherheit, weil sie auf Christus ausgerichtet und von Ihm erfüllt sind. Dann steht man nicht in Gefahr, unguten Dingen nachzuhängen und sich negativ beeinflussen, sich aufreizen oder deprimieren zu lassen. Es ist in der Tat so, wie David es Abjathar in 1. Samuel 22,23 nahelegt: „Bleibe bei mir …; denn bei mir bist du wohl bewahrt“.

Auswirkung der Freude im Herrn: Stärke

Eine ähnliche Auswirkung der Freude finden wir in Nehemia 8. Nachdem der Überrest von Esra die Worte des Gesetzes gehört hatte und sich sehr betroffen zeigte, lesen wir, wie Esra und Nehemia das Volk beschwichtigten und sie aufriefen, sich zu freuen. Mit welcher Begründung? „Denn die Freude an dem Herrn ist eure Stärke“ (Neh 8,10). Man könnte auch lesen: „Die Freude an dem Herrn ist eure Festung, eure Schutzwehr“. Sie schützt uns vor allen Angriffen des Teufels und gibt unserem Glauben Festigkeit. Nur wer sich wirklich im Herrn erfreut, kann unbeweglich feststehen im Herrn und feststehen im Glauben.

Auswirkung der Freude im Herrn: Motivation

Darüber hinaus ist die Freude im Herrn auch unsere innere Antriebskraft und Motivation, die uns über alle Kümmernisse und Enttäuschungen erhebt, die uns beflügelt, auch in schwierigen Situationen durchzuhalten und mit und für unseren Herrn zu leben. Hier ist Paulus wieder das prominenteste Beispiel. Welche Kraft und Motivation hatte dieser Mann in allen Schwierigkeiten und Bedrängnissen von außen, aber auch in allen Angriffen, Widerständen und Enttäuschungen, die er von Seiten der Gläubigen erlebte! In 2. Korinther 12,15 lesen wir, dass er umso weniger Liebe von den Korinthern erfuhr, je überreichlicher er sie liebte. Dennoch gab er sie nicht auf, im Gegenteil, er wollte „gern alles verwenden und völlig verwendet werden“ für ihre Seelen. Woher nahm Paulus diese Motivation? Resultierte sie nicht daraus, dass er in allen Umständen auf Christus ausgerichtet war, dass er allein für Ihn lebte und sich zutiefst in seinem Herrn erfreute?

(Wird fortgesetzt) Ch. Mohncke

Einordnung: Ermunterung + Ermahnung, Jahrgang 2015, Heft 4