Glaubensleben

Vermutungen genügen nicht

Nichts ist für einen aufrechten Gläubigen verletzender, als lediglich auf Grund unbewiesener Vermutungen angeklagt zu werden. Und gerade dieses taten die drei Freunde Hiob gegenüber. Tatsachen, die imstande gewesen wären, sein Gewissen zu überzeugen, konnten sie nicht vorbringen. Stattdessen suchten sie nach einem Beweis für ihren Verdacht und wollten ihn in den unbeherrschten, oft rebellischen Worten des schwer geprüften Hiob zu finden.

Bis wann willst du solche Dinge reden, und sollen die Worte deines Mundes ungestümer Wind sein? Wird Gott das Recht beugen, oder wird der Allmächtige beugen die Gerechtigkeit? Wenn deine Kinder gegen ihn gesündigt haben, so gab er sie ihrer Übertretung preis.

Hiob 8,2-4 [Worte Bildads an Hiob]

Dies war für ihn äußerst kränkend, und wir wissen, wie schmerzlich er es empfunden hat. Der Geist der Kritik, der die drei Freunde beherrschte, hinderte sie daran zu warten, bis Gott die Wahrheit der Dinge ans Licht bringen würde. Denn ohne Zweifel war an Hiob manches auszusetzen, aber die verborgenen Sünden, auf die sie anspielten, hatte er nicht begangen. Sie überschritten alle Grenzen, die eine liebreiche Fürsorge geboten hätte, und scheuten sich nicht, unumwunden ein hartes Urteil auszusprechen. Gewiss teilt uns Gott dies alles mit, um uns vor diesem grundsätzlichen Fehler in der Beurteilung anderer Gläubiger zu warnen.

Sollte die Menge der Worte nicht beantwortet werden, oder sollte ein Schwätzer Recht behalten? Sollte dein Gerede die Leute zum Schweigen bringen, dass du spotten solltest und niemand dich beschämt? Und du sagst: Meine Lehre ist lauter, und ich bin rein in deinen Augen. Aber möge Gott doch reden und seine Lippen gegen dich öffnen und dir kundtun die
Geheimnisse der Weisheit, dass sie das Doppelte ist an
Bestand! Dann müsstest du erkennen, dass Gott dir viel von deiner Ungerechtigkeit übersieht.

Hiob 11,2-6 [Worte Zophars an Hiob]

Nichts ist gefährlicher, als nach dem Schein zu urteilen. Selbst wenn es ernsthaftere und begründetere Anklagen geben sollte, als die Freunde gegen Hiob vorbringen konnten, so darf von der Versammlung keine Zucht ausgeübt werden – und man sollte auch persönlich nicht urteilen -, solange Gott die Wahrheit nicht wirklich offenbar gemacht hat. Zu mancher Spaltung oder persönlichen Entfremdung wäre es wohl nie gekommen, wenn dies mehr beachtet worden wäre. Und da wir in der Schrift ein Buch haben, das unter anderem zum Ziel hat, uns vor derartigen Irrtümern zu bewahren, sind wir noch viel weniger zu entschuldigen als die Freunde Hiobs.

Ist es wegen deiner Gottesfurcht, dass er dich straft, mit dir ins Gericht geht? Sind nicht deine Bosheiten groß und deine Ungerechtigkeiten ohne Ende? Denn du pfändetest deinen Bruder ohne Ursache, und den Nackten zogst du die Kleider aus;
dem Lechzenden gabst du kein Wasser zu trinken, und dem Hungrigen verweigertest du das Brot. Und dem Mann der Gewalt, ihm gehörte das Land, und der Angesehene wohnte
darin. Die Witwen schicktest du leer fort, und die Arme der Waisen wurden zermalmt. Darum sind Schlingen rings um dich her, und ein plötzlicher Schrecken macht dich bestürzt.

Hiob 22,4-10 [Worte Eliphas an Hiob]

William Kelly

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2016, Heft 4, Seite 3

Bibelstellen: Hiob 8,2-4;11,2-6;22,4-6

Stichwörter: Anschuldigung, Hiob, kränkend, Verdacht