Fragen und Antworten

War Lot ein Gottseliger?

Frage: Petrus führt in seinem zweiten Brief das Beispiel Lots an, der vor dem Gericht gerettet wurde, das über Sodom kam. Daran schließt er den Satz an: „So weiß der Herr die Gottseligen aus der Versuchung zu retten“ (2. Pet 2,9). Kann man daraus folgern, dass Lot ein Gottseliger war?

Diese Frage zeigt, wie vorsichtig wir mit scheinbar logischen Schlussfolgerungen in göttlichen Dingen sein müssen. Auf den ersten Blick mag tatsächlich der Eindruck entstehen, Lot werde in 2. Petrus 2 als „Gottseliger“ eingestuft; denn es ist in den Versen 7 und 8 von Lot die Rede, und dann heißt es direkt anschließend in Vers 9: „So weiß der Herr die Gottseligen aus der Versuchung zu retten“.

Aber diese Schlussfolgerung ist weder zwingend noch zulässig.

Bevor wir versuchen, den Gedankengang zu erklären, sollten wir uns kurz mit den Begriffen „gerecht“ (V. 7) und „gottselig“ (V. 9) befassen.

Lot war ein Gläubiger

Gottes Wort benutzt hier das Wort „gerecht“ in Bezug auf Lot, und zwar sogar dreimal:

  • „den gerechten Lot rettete” (V. 7)
  • „der unter ihnen wohnende Gerechte” (V. 8a)
  • „quälte … seine gerechte Seele“ (V. 8b).

Daraus lernen wir, dass Lot ein Gläubiger war. Das Wort „gerecht“ ist hier im Sinn von gläubig oder Gott gehörend zu verstehen (so wie in 1. Pet 4,18; s. auch Mt 13,49; 23,35.37; 25,46 etc.). Zwar wird das Wort „gerecht“ auch manchmal im Blick auf praktisches Verhalten benutzt (Tit 1,8), aber das ist hier nicht der Fall (gerade der Ausdruck „seine gerechte Seele“ macht das klar). Selbst wenn man die Auffassung vertreten würde, dass in Vers 7 Lots praktische Gerechtigkeit gemeint wäre, käme man zu genau demselben Schluss, denn Gottes Wort bezeichnet nie die Taten eines Ungläubigen als „gerecht“. Halten wir also fest: Lot war ein Gläubiger.

Lot war kein Gottseliger

Leider war davon, dass Lot ein Gläubiger war, in seinem Leben nicht viel zu sehen. Angezogen von den bewässerten Ebenen erlag er dem Sog der Stadt Sodom, wohnte schließlich in dieser Stadt, hatte dort eine verantwortungsvolle Position („im Tor Sodoms“) und redete die Männer, die in schlimmster Absicht sein Haus umringten, mit „meine Brüder“ an. Der Gegenvorschlag, den er ihnen unterbreitete, war ein fauler Kompromiss, dem Gott niemals seine Zustimmung geben konnte (1. Mo 19,1.7.8). Kann man dieses Leben als gottselig bezeichnen?

Sicher nicht. Das Neue Testament bezeichnet nicht viele Personen als gottselig (oder „fromm“; Gr. eusebees): nur Kornelius, einen Soldaten (Apg 10,2.7) und Ananias (Apg 22,12). Das Wort Gottseligkeit (das zehnmal in den Briefen des Paulus an Timotheus und Titus vorkommt) meint, dass man Gott in sein tägliches Leben hineinbringt und Ihn in alle Einzelheiten mit einbezieht, um Ihm zu gefallen. Es geht um einen Lebensstil, in dem wir uns „üben“ und in dem wir „streben“ sollen (1. Tim 4,7; 6,11). Hätte Lot diese Haltung gehabt, wäre sein Leben anders verlaufen. Er hätte nicht „durch das, was er sah und hörte, Tag für Tag seine gerechte Seele mit ihren gesetzlosen Werken“ gequält. Lot lebte – leider – nicht gottselig.

Dabei ist bemerkenswert, dass Lots Seele durch die gesetzlosen Werke anderer gequält wurde – nicht durch seine eigenen (2. Pet 2,7.8). Er mag sogar versucht haben, in Sodom einen positiven Einfluss auszuüben, denn die Einwohner Sodoms halten ihm vor: „Der eine da ist gekommen, um als Fremder hier zu weilen, und will den Richter machen 1“ (1. Mo 19,9). Wie dem auch sei, gute Absichten reichen eben nicht aus, um gottselig zu leben. Was immer auch seine Absichten waren, es konnte nicht Gottes Wille sein, dass Lot im Tor dieser Stadt saß, von der es heißt: „Und die Leute von Sodom waren böse und große Sünder vor dem HERRN (1. Mo 13,13).

Warum spricht Petrus dann von einem „Gottseligen“?

Petrus hatte davor gewarnt, dass es im christlichen Bereich falsche Lehrer geben würde (2. Pet 2,1). Diese Lehrer würden einen verheerenden Schaden anrichten: „Und viele werden ihren Ausschweifungen nachfolgen, derentwegen der Weg der Wahrheit verlästert werden wird“ (V. 2). Nun beweist er anhand von drei Beispielen (gefallene Engel, die Zeitgenossen Noahs und Sodom), dass Gott tatsächlich Gericht bringen wird. Das ist die Hauptschlussfolgerung dieses Abschnitts, wie wir in Vers 9 lesen: „So weiß der Herr … die Ungerechten aber aufzubewahren auf den Tag des Gerichts, damit sie bestraft werden.“

Gleichzeitig zeigen diese Beispiele (besonders die von Noah und Sodom) aber auch, dass Gottes Auge nicht nur Ungerechte sieht und bestraft, sondern auch Kenntnis nimmt von denen, die Ihm gehören, und dass Er zu ihren Gunsten eingreift und sie aus Schwierigkeiten und Versuchungen2 rettet. Dabei stellt sich nun die Frage, warum er nicht sagt, dass der Herr „die Gerechten“ rettet, sondern „die Gottseligen“.

Liegt die Antwort nicht einfach darin, dass Gottes Wort nie den Eindruck erweckt, es sei gleichgültig, wie das praktische Leben der Gläubigen aussehe? Auf keinen Fall soll der Eindruck entstehen, man könne ruhig wie Lot leben und dabei erwarten, dass Gott einem hilft, weil man doch der Stellung nach ein „Gerechter“ ist. Die Unverlierbarkeit unseres Heils lehrt Gottes Wort sehr klar – aber eben an anderer Stelle. Petrus geht es um die praktische Lebensführung. Er spricht von den Regierungswegen Gottes
(d. h. dass Gott auf seine Art und zu seiner Zeit Treue belohnt und Ungerechtigkeit bestraft). So wird Er einerseits die Ungerechten richten und andererseits die Treue der Gläubigen belohnen, indem Er zu ihren Gunsten eingreift und sie aus Schwierigkeiten rettet.

Dass Petrus die Gläubigen zu einem gottseligen Leben anspornen möchte, entspricht auch dem Gedankengang dieses ganzen Briefes: Am Anfang sagt Petrus, dass Gott uns alles „zum Leben und zur Gottseligkeit“ nötige geschenkt hat (Kap. 1,3). Dann stellt er die goldene Kette der Tugend vor, zu der auch die Gottseligkeit gehört (Kap. 1,6.7), und erinnert im Folgenden immer wieder an „diese Dinge“. Dann zeigt er, dass Gott in seinen Regierungswegen einerseits die Bösen richten wird, aber andererseits Treue belohnt (Kap. 2,7-9). Das sollte sie darin bestärken, als Gottselige zu leben. Im nächsten Kapitel bringt Petrus es noch einmal auf den Punkt: „Da nun dies alles aufgelöst wird, welche solltet ihr dann sein in heiligem Wandel und Gottseligkeit!“ (Kap. 3,11).

In seinen Regierungswegen bestraft Gott die Bösen. Bei den Gläubigen belohnt Er Treue. Das soll uns anspornen, ein gottseliges – das heißt ein auf Gott ausgerichtetes – Leben zu führen.

1 Das Wort „Richter“ ist im Grundtext betont. Keil übersetzt: „… will immerfort den Richter spielen.“

2 Das Wort Versuchung wird auch einmal für das kommende Gericht gebraucht (Off 3,10), aber meistens für Schwierigkeiten im praktischen Leben (s. z. B. Apg 20,19; 1. Kor 10,13; Jak 1,2.12). Das ist auch hier der Fall, denn (1.) es steht im Plural und (2.) es heißt „retten aus“, nicht „vor“.

Michael Hardt

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2017, Heft 10, Seite 28

Bibelstellen: 2. Petrus 2,7-9

Stichwörter: Gerechter, gläubig, gottselig