Prophetie

Der Assyrer

Wer ist der Assyrer?

Assyrien, in der Bibel auch Assur genannt, ist eines der ältesten Reiche der Welt. In der Antike umfasste es große Teile der arabischen Halbinsel, des heutigen Irak, des Iran, der Türkei und Syriens.

Assur/AssyrienAssyrien tritt in der Bibel (außer den ersten kurzen Erwähnungen in 1. Mo 2,14; 10,10.11) relativ spät in Erscheinung (2. Kön 15,19 usw.). Neben Babel spielte Assyrien als Feind des irdischen Volkes Gottes eine große Rolle. Gott benutzte das mächtige Reich im Norden als Zuchtrute für sein eigenes Volk. In der Endzeit wird dieses Reich neben dem Antichristen und dem Römischen Reich zu den drei Hauptfiguren der Feindschaft gegen Christus gehören.

Die Assyrer waren hochmütige Götzendiener, die den allein wahren Gott verachteten und sich über alle Nationen weit erhaben dünkten. Wie in der Vergangenheit, so wird es auch in der Zukunft sein (s. 2. Chr 32,10-15; Jes 10,10.11). Aber anders als das Römische Reich, das in seiner Feindschaft gegen Gott und seinen Christus mit den Juden verbündet sein wird, ist der Assyrer nicht nur ein Feind Gottes, sondern auch der Juden. Das scheint sich bereits jetzt im Nahen Osten abzuzeichnen.

In mehreren prophetischen Büchern des Alten Testaments (vor allem Jesaja, Daniel, Joel, Micha, Nahum und Zephanja) kommt der Assyrer der Zukunft vor, auch König des Nordens genannt (s. Dan 11,40; in den vorhergehenden Versen sind damit jedoch verschiedene geschichtliche Könige Syriens gemeint).

Im Neuen Testament wird er dagegen nur andeutungsweise erwähnt. Das hat wohl damit zu tun, dass Israel in der neutestamentlichen Prophetie keine Hauptrolle zukommt. Der Gegenstand der alttestamentlichen Prophetie ist im Wesentlichen die Einführung Christi als König Israels und der Welt. In diesem Rahmen werden viele Völker erwähnt, die in Beziehung zu Israel standen oder stehen werden. Das ist im Neuen Testament anders. Dort kommt eigentlich nur dem Römischen Reich ein wichtiger Platz zu, denn dieses Reich herrschte zur Zeit Christi auf der Erde und wird in der Endzeit wieder erstehen. Nur die in Offenbarung 9,14 und 16,12 genannten Völker östlich des Euphrat könnten auf den Assyrer der Zukunft hindeuten.

Und zur Zeit des Endes wird der König des Südens mit ihm zusammenstoßen, und der König des Nordens wird gegen ihn anstürmen mit Wagen und mit Reitern und mit vielen Schiffen; und  er wird in die Länder eindringen und wird sie überschwemmen und überfluten.
Daniel 11,40

Der Angriff des Assyrers

Als vom Herrn gesandte „Zuchtrute“ wird der Assyrer – wie bereits in der Vergangenheit – in der Zukunft die Juden wegen ihrer Auflehnung gegen Gott, wegen ihres Götzendienstes und der Ablehnung des Messias strafen (s. Jes 10,5; Dan 9,27; 12,11; Mi 4,14). Wenn in der zweiten Hälfte der letzten Jahrwoche (siehe Artikel „Die siebzig Jahrwochen“) vor dem Erscheinen Christi das Volk unter seinem König, dem Antichristen, und im Bund mit dem Römischen Reich den Höhepunkt seiner Gottlosigkeit erreicht haben wird, wird Gott den Assyrer und seine Verbündeten in das Land einfallen lassen wie einen gewaltigen Wasserstrom (Jes 8,7.8). Das Bild des alles überflutenden, reißenden Wassers ist ein charakteristisches Merkmal des Assyrers (s. Jes 28,2.15-18; 59,19; Jer 47,2; Dan 11,40). Dabei wird auch Jerusalem nicht verschont bleiben. Der dort im Unglauben wieder aufgebaute Tempel, in dem der Antichrist sich anbeten lässt, wird dann zerstört werden (s. 2. Thes 2,4; Ps 74,3.7; 79,1; Jes 63,18; 66,1-6; Dan 12,11; Mt 24,15).

Wenn ihr nun den Gräuel der Verwüstung, von dem durch Daniel, den Propheten, geredet ist, stehen seht an heiligem Ort – wer es liest, beachte es -, dann sollen die, die in Judäa sind, in  die Berge fliehen.
Matthäus 24,15.16

Die in Jesaja 10,5-11 und 28,14-22 beschriebenen Angriffe des Assyrers sind der letzte Ausbruch des Grimmes Gottes über sein irdisches Volk. Gott wird die Assyrer dazu benutzen, sein Volk zu plündern und es auf den Straßen zu zertreten. Kein anderer Feind Israels wird so klar als Strafinstrument in der Hand Gottes bezeichnet.

Der Assyrer wird Jerusalem zweimal angreifen. Das erste Mal wird er aus seiner Heimat, d. h. von Nordosten, vorstoßen. Die in Jesaja 10,28-32 genannten Orte (Aijat, Migron, Mikmas, Geba, Rama, Gibea Sauls, Gallim, Lais, Anatot, Madmena, Gebim, Nob) liegen nördlich von Jerusalem. Beim zweiten Angriff wird er jedoch aus Ägypten, also von Süden, gegen Jerusalem heranziehen und sein Lager zwischen dem Mittelmeer und Jerusalem aufschlagen (s. Dan 11,40-45).

Die gottlosen Juden der Endzeit haben zu dieser Zeit bereits den Antichristen als Herrscher angenommen, der „in seinem eigenen Namen kommen“ wird (Joh 5,43). Dieser hat mit dem Haupt des Römischen Reiches, dem Tier aus dem Abgrund, dessen Macht satanischen Ursprungs ist, im wahrsten Sinn einen „Bund mit dem Tod“ und einen „Vertrag mit dem Scheol“ geschlossen (Jes 28,15; s. Dan 9,27; Off 13; 17,8).

Beim ersten Angriff des Assyrers wird ein Teil des Volkes der Juden seine Zuflucht in Ägypten suchen, aber der Assyrer wird auch dorthin ziehen (Jes 30,2; Dan 11,42). Doch Gerüchte aus dem Osten und dem Norden – wozu wohl auch die Nachricht vom Aufmarsch der Armee des Römischen Reiches gehört – werden ihn bewegen, nach Israel zurückzukehren (Dan 11,44.45). Es folgt die zweite Belagerung Jerusalems durch den Assyrer. Diese sowie das Ende des Angreifers wird – ohne Namensnennung – in Jesaja 29,1-8 beschrieben.

Das Ende des Assyrers

Jetzt wird die Weltmacht, die Gott beim ersten Angriff als Zuchtrute für die gottlosen Juden benutzt hat, selbst gerichtet. Denn der Herr Jesus wird aus dem Himmel herabkommen, um den gläubigen Überrest der Juden zu befreien. Er wird zuerst das Heer und das Staatsoberhaupt des Römischen Reiches sowie den Antichristen in Armageddon vernichten, und danach den Assyrer und seine Bundesgenossen auf den Bergen Israels zerschmettern und zertreten (Jes 14,25; 31,8.9; und 9; Dan 11,45; Off 16,13-16; 19,19-21).

Der Assyrer ist sich der Tatsache nicht bewusst, ein Werkzeug Gottes zu sein und handelt in Vermessenheit. Auch deshalb wird Gott ihn am Ende vernichten. „Und es wird geschehen, wenn der Herr sein ganzes Werk am Berg Zion und an Jerusalem vollbracht hat, so werde ich die Frucht der Überhebung des Herzens des Königs von Assyrien und den Stolz der Überheblichkeit seiner Augen heimsuchen“ (s. Jes 10,12-15).

Dieses Werk Gottes in der Bestrafung durch den Assyrer wird „befremdend“ und „außergewöhnlich“ genannt (Jes 28,21). Damit ist weder die Bestrafung des Bösen an sich gemeint noch das Gericht an seinem Volk, das Er liebt. Gott ist nicht nur Liebe, sondern auch Licht, und daher ein „Gott des Gerichts“ (Jes 30,18). Das Befremdende und Außergewöhnliche ist die Tatsache, dass Gott zur Ausführung seines Gerichts Menschen als Werkzeuge benutzt, die noch größere Sünder sind als diejenigen, die bestraft werden.

Erst nachdem der Assyrer, durch Gerüchte von Osten und Norden aufgeschreckt, sich von Ägypten wieder auf den Weg in das Heilige Land macht, werden die Worte in Jesaja 10,32-34 erfüllt werden. Gott hat sein Ziel mit seinem Volk erreicht und lässt nicht zu, dass der Feind, der beim ersten Angriff noch seine Zuchtrute war, seine Hand nochmals „gegen den Berg der Tochter Zion, den Hügel Jerusalems“ erhebt. Das gewaltige Heer der Assyrer, das wie ein Wald aus hochgewachsenen und emporragenden Bäumen vor der Stadt steht, wird jetzt mit Schreckensgewalt niedergehauen und vernichtet. „Und er wird zu seinem Ende kommen, und niemand wird ihm helfen“ (Dan 11,45). Mag auch der Feind „wie ein Strom“ heranbranden, er wird durch den „Hauch des Herrn“ in die Flucht geschlagen werden. Das Schwert, mit dem es geschlagen wird, geht aus dem Mund des Herrn hervor (Jes 59,19; s. Jes 14,25; 31,8; Dan 8,25; 11,45).

Und Assur wird fallen durch ein Schwert, nicht eines Mannes; und ein Schwert, nicht eines Menschen, wird es verzehren. Und es wird vor dem Schwert fliehen, und seine Jünglinge werden fronpflichtig werden. Und sein Fels wird vor Schreck entweichen, und seine Fürsten werden vor dem Banner verzagen, spricht der Herr, der sein Feuer in Zion und seinen Ofen in Jerusalem hat.
Jesaja 31,8.9

Wenn der Assyrer seinen Auftrag erfüllt hat, endet auch der Grimm Gottes gegen Israel. „Wenn der Herr sein ganzes Werk am Berg Zion und an Jerusalem vollbracht hat“, wenn sein Grimm gegen sein abtrünniges und götzendienerisches Volk gestillt ist, dann wird Er das Werkzeug, das Er dazu benutzt hat, vernichten, und zwar wegen dessen unbeschreiblichen Stolzes und Hochmuts (Jes 10,12; vgl. Kap. 40,2). Mit der Vernichtung des Assyrers (nicht des Antichristen und des Römischen Reiches, die schon vorher gerichtet werden) endet der Zorn des Herrn. Im Unterschied zum Antichristen und dem Oberhaupt des Römischen Reiches mit ihren Heeren, die in Harmagedon (Megiddo) ihr Ende finden, findet die Vernichtung der assyrischen Heeresmacht bei Jerusalem, im Tal Josaphat („der Herr richtet“) statt, wobei der Herr Jesus auf dem Ölberg stehen wird (Joel 4,12; Sach 14,1-4).

Das Gericht über den Machthaber Assyriens und seine Armee ist jedoch nicht das Ende. Es gibt eine „Fortsetzung“: Die Feindschaft der Länder gegen Israel wird durch die Erscheinung Christi für immer beendet werden. „An jenem Tag wird eine Straße sein von Ägypten nach Assyrien; und die Assyrer werden nach Ägypten und die Ägypter nach Assyrien kommen, und die Ägypter werden mit den Assyrern dem Herrn dienen“ (s. Jes 19,23-25). So groß ist die Gnade Gottes!

Gog und Magog aus dem „äußersten Norden“

Wenn alle Gerichte über die Gott und seinem Volk feindlich gegenüberstehenden Nationen vorüber sind, wird der lang ersehnte Friede unter der Herrschaft des Messias eintreten. Doch gerade dann wird ein letzter, gewaltiger Angriff aus dem Norden stattfinden. Der Assyrer, der zukünftige König des Nordens, war nur ein Repräsentant und Vorläufer dieser letzten feindlichen Macht¹.

Dieser in Hesekiel 38 und 39 beschriebene Angriff fällt in die Zeit nach der völligen Wiederherstellung des Volkes Israel im Land der Verheißung, die wir in den vorhergehenden Kapiteln 36 und 37 finden. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang die Charakterisierung des Königs des Nordens, also des Assyrers, in Daniel 8,24: „Und seine Macht wird stark sein, aber nicht durch seine eigene Macht.“ Diese Worte deuten darauf hin, dass hinter diesem König eine andere, größere Macht steht, eben Gog und Magog.

Gott nennt diesen letzten Angreifer „Gog vom Land Magog, den Fürsten von Rosch, Mesech und Tubal“, der „vom äußersten Norden“ heraufziehen wird (Hes 38,1.15; 39,2). Allgemein werden in den Namen Rosch (Russland; russisch „Rossija“) Mesech (Moskau) und Tubal (Tobolsk) Anklänge an eine Staatsmacht aus den nördlichen Weiten Russlands gesehen. In unersättlicher Raub- und Mordgier wird er mit einer aus vielen Völkern bestehenden gewaltigen Heeresmacht heraufziehen. Ihn kennzeichnen die Worte: „… um Raub zu rauben und Beute zu erbeuten, um deine Hand zu kehren gegen die wieder bewohnten Trümmer und gegen ein Volk, das aus den Nationen gesammelt ist, das Hab und Gut erworben hat, das den Mittelpunkt der Erde bewohnt“ (Hes 38,12). Darin können wir eine gewisse Ähnlichkeit mit der Beschreibung des Assyrers erkennen: „Gegen eine ruchlose Nation werde ich ihn senden und ihn gegen das Volk meines Grimmes entbieten, um Raub zu rauben und Beute zu erbeuten und es der Zertretung hinzugeben wie Straßenkot“ (Jes 10,6). Diese Ähnlichkeit weist ebenfalls auf eine Beziehung zwischen diesen beiden Mächten hin.

Der Angriff von Gog und Magog hat wohl das Ziel, seinen gefallenen Bundesgenossen, den Assyrer, zu rächen, vielleicht aber auch, nach der Auslöschung des Römischen Reiches die Weltmacht zu übernehmen. Zu diesem Zweck soll Israel, das den „Mittelpunkt der Erde bewohnt“ und von wo dann die Weltherrschaft ausgeht, vernichtet werden (s. Jes 2,2-4; Hes 38,12). Doch er, der Gott und seine Macht nicht kennt, wird im Land Israel durch Verwirrung, Krankheiten und Naturgewalten aufgerieben und vernichtet werden, so dass der Name des Herrn sich groß und heilig erweisen wird (Hes 38,20-23).

Und ich werde Gericht an ihm üben durch die Pest und durch Blut; und einen überschwemmenden Regen und Hagelsteine, Feuer und Schwefel werde ich regnen lassen auf ihn und auf  seine Scharen und auf die vielen Völker, die mit ihm sind. Und ich werde mich groß und heilig erweisen und werde mich kundtun vor den Augen vieler Nationen. Und sie werden wissen, dass ich der HERR bin.
Hesekiel 38,22.23

Erst dann werden auf der Erde tausend  Jahre wahre Gerechtigkeit und wahrer Frieden herrschen. Dies kann nur der Herr Jesus, der wahre Melchisedek, zustande bringen, „der erstens übersetzt König der Gerechtigkeit heißt, dann aber auch König von Salem, das ist König des Friedens“ (Heb 7,2). In seinem Reich werden alle Wege Gottes mit der gegenwärtigen Schöpfung ihre friedvolle und gerechte Erfüllung finden.


FN 1: Die meisten Propheten des Alten Testaments unterscheiden aus ihrer „Fernsicht“ nicht zwischen dem Assyrer und Gog (nicht zu verwechseln mit Gog und Magog in Off 20,8, die erst am Ende des Tausendjährigen Reiches auftreten werden).

 

 

Arend Remmers

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2019, Heft 10, Seite 9

Bibelstellen: Hesekiel 38,20-23; Daniel 11,40; Jesaja 31,8.9; Matthäus 24,15.16; u. a.

Stichwörter: Assyrer, Gog und Magog, Rosch, Russland, u. a.