Glaubensleben

Himmelsbürger

Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten. Philipper 3,20

Dieser vielen Bibellesern gut bekannte Vers zeigt uns zwei wichtige Tatsachen:

  • Das Bürgertum des Christen ist nicht auf der Erde, sondern in den Himmeln.
  • Vom Himmel aus erwarten wir unseren Herrn Jesus Christus als Heiland.Unser Bürgertum ist in den Himmeln

In dem ersten Satzteil ist das Wort „unser“ betont. Vorher hatte Paulus von Menschen gesprochen, die er Feinde des Kreuzes des Christus nennt. Ihre ganze Gesinnung war durch und durch irdisch. Jetzt spricht er von den Gläubigen. Im Gegensatz zu den Feinden ist ihr Bürgertum in den Himmeln. Der Kontrast wird dadurch verstärkt, dass er von den Himmeln (Mehrzahl) und nicht einfach von dem Himmel (Einzahl) spricht. Das Wort „Himmel“ steht im Grundtext ohne Artikel, d. h., es geht mehr um den Charakter der Sache und nicht so sehr um eine „Örtlichkeit“. Das Wort „ist“ wird in diesem Fall nicht von dem Verb „sein“ abgeleitet, sondern bedeutet eigentlich „existieren“. Mit anderen Worten: Das Bürgertum der Gläubigen „existiert“ im himmlischen – und nicht im irdischen – Bereich.

Unser Bürgertum existiert im himmlischen Bereich.

Obwohl dieses Bürgertum himmlisch ist, ist es eine Realität (d. h. es ist existent) und keine Phantasie. Es ist nicht von ungefähr, dass Paulus das gerade den Philippern schreibt, die von ihrer Herkunft her vielleicht in der Gefahr stehen konnten, sich etwas auf ihr römisches Bürgerrecht einzubilden.

Als Gläubige haben wir ein völlig anderes Bürgertum als die Menschen um uns her. Es ist in seinem Charakter himmlisch. Diese Erde ist nicht unsere eigentliche Heimat. Wir sind hier nur vorübergehend. Das Wort „Bürgertum“ kommt als Hauptwort nur an dieser Stelle vor. Ein ähnliches Wort steht in Apostelgeschichte 22,3, wo es um das römische Bürgerrecht geht und in Epheser 2,12, wo es um das Bürgerrecht Israels geht. Aus dem griechischen Wort für „Bürgertum“ ist unser deutsches Wort „Politik“ abgeleitet. Gemeint ist ein Gemein- oder Staatswesen. Das Wort beschreibt, welche Beziehung ein Bürger zu dem Staat hat, dem er angehört. Wir sind als Christen in dieser Welt, doch wir gehören nicht zu dieser Welt.

Christen sind in der Welt, aber nicht von der Welt.

Unser Bürgertum ist nicht hier. Wir gleichen Ausländern, die in einem fremden Land leben. Sie sind dort zwar den Gesetzen des Landes unterworfen und müssen sich nach ihnen richten. Dennoch haben sie keine politischen Rechte, weil sie keine Staatsangehörigen sind.

Aus diesem Grund nennt die Bibel uns „Fremdlinge und ohne Bürgerrecht“ (1. Pet 2,11). Wir sollen der Regierung untertan sein (Röm 13,1-7). Gleichwohl ist es unsere erste Pflicht, unserem Herrn im Himmel gute Treue zu erweisen. Das hat Priorität. Mit der Politik dieser Welt haben wir folglich nichts zu tun. Man muss die verschiedenen Bibeltexte, die dieses Thema behandeln, schon ziemlich verdrehen, wenn man das politische Engagement eines Christen biblisch belegen will. Dieser Vers – und andere – lehren eindeutig etwas an-deres. Es ist nicht unsere Aufgabe, die äußeren Umstände auf dieser Erde durch politisches Engagement (passiv oder aktiv) zu verändern. Das Evangelium verändert nicht primär die Umstände, in denen wir leben, sondern die Menschen, die es annehmen. Deshalb haben wir die Aufgabe, in dieser Welt Zeugen zu sein und unser Licht vor den Menschen scheinen zu lassen (Phil 2,15). Wir sind Salz der Erde und Licht der Welt (Mt 5,13.14). Politisches Engagement ist nicht unser Auftrag. Was uns prägen soll, sind himmlische Grundsätze und nicht irdische.

Hebräer 11 fasst den Charakter des Christen auf dieser Erde sehr schön zusammen: „Diese alle sind im Glauben gestorben und haben die Verheißungen nicht empfangen, sondern sahen sie von fern und begrüßten sie und bekannten, dass sie Fremde und ohne Bürgerrecht auf der Erde seien. Denn die, die solches sagen, zeigen deutlich, dass sie ein Vaterland suchen. Und wenn sie an jenes gedacht hätten, von dem sie ausgegangen waren, so hätten sie Zeit gehabt, zurückzukehren. Jetzt aber trachten sie nach einem besseren, das ist himmlischen. Darum schämt sich Gott ihrer nicht, ihr Gott genannt zu werden, denn er hat ihnen eine Stadt bereitet“ (Heb 11,13-16).

Den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten

Die Tatsache, dass unser Bürgertum in den Himmeln ist, verbindet sich untrennbar damit, dass wir gerade von dort den Herrn Jesus als Heiland erwarten. Wir leben als Fremdlinge, doch wir tun es mit einer klaren Erwartungshaltung. Unser „Sinnen und Trachten“ richtet sich auf den Himmel. Die Thessalonicher hatten sich von den Götzenbildern zu Gott bekehrt, um diesem Gott zu dienen „und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten“ (1. Thes 1,10).

Der Herr Jesus hatte seinen Jüngern auf dieser Erde bereits die Zusage gegeben, dass Er wiederkommen würde, um sie zu sich in das Haus seines Vaters zu nehmen (Joh 14,3). Der Schreiber des Hebräerbriefs sagt, dass der Kommende kommen und nicht ausbleiben wird (Heb 10,37). Auf dem letzten Blatt der Bibel bestätigt der Herr Jesus dreimal: „Ich komme bald“ (Off 22,7.12.20). An dieser Tatsache kann es nicht den geringsten Zweifel geben.

Es ist eine Tatsache: Der Herr kommt bald.

Hier geht es allerdings nicht nur um die Tatsache, dass Er kommt, sondern vielmehr um die Feststellung, dass wir Ihn erwarten. Dass Er selbst kommen wird, freut uns und gibt uns Mut. Hier liegt die Betonung jedoch darauf, dass wir auf Ihn warten. Das spricht unsere Verantwortung an. Das Wort „warten“ in unserem Vers meint nicht einfach auf etwas zu „warten“, das vielleicht oder hoffentlich bald eintrifft, sondern es ist ein „Warten mit Intensität“. Es geht darum, dass wir geduldig und standhaft warten. Römer 8,19 spricht von einem „sehnlichen Harren“, mit dem die Schöpfung wartet. In Römer 8,25 schreibt Paulus: „Wenn wir aber das hoffen, was wir nicht sehen, so warten wir mit Ausharren“ (Röm 8,25). In fast allen Stellen, wo das Wort vorkommt, bezieht es sich entweder auf das Kommen des Herrn (1. Kor 1,7; Hebr 9,28) oder auf ein Ergebnis seines Kommens (Röm 8,19.23; Gal 5,5).

Der Herr Jesus wird hier mit seinem vollen Titel genannt. Es ist der „Herr Jesus Christus“. In Johannes 14 spricht der Sohn des Vaters von dem Haus seines Vaters und von seinem Kommen. In dem Gleichnis der zehn Jungfrauen (Mt 25,1-13) stellt Er sich als der Bräutigam vor. In Offenbarung 22,17 sagen der Geist und die Braut: „Komm!“ So warten wir auf Ihn, unseren Bräutigam. Hier formuliert Paulus es etwas anders: Wir warten auf den „Herrn Jesus Chris-tus“. Paulus nennt Ihm mit seinem vollen Titel:
Wir warten auf den Herrn, dem alle Herrschaft gehört, dem wir hier auf der Erde dienen und dem wir folgen.
Wir warten auf Jesus, den vollkommenen Menschen, der am Kreuz von Golgatha für uns litt und starb. Jesus ist sein Name als Mensch. Er bedeutet: „Der Herr ist Rettung“.
Wir warten auf Christus, den erhöhten Menschensohn zur Rechten Gottes, der
Gottes Ratschluss erfüllt hat. Christus ist der Gesalbte Gottes.Für jeden von uns stellt sich die Frage, ob wir Ihn wirklich mit solcher Sehnsucht erwarten, wie Paulus es hier schreibt und ohne Frage selbst tat. Es ist eine Sache, die Wahrheit seines Kommens für uns zu kennen und sie von der Wahrheit seines Kommens auf diese Erde mit den Seinen zu unterscheiden. Es ist hingegen eine ganz andere Sache, tatsächlich auf Ihn zu warten.

Erwarten wir den Herrn Jesus täglich aus dem Himmel?

Die jungen Gläubigen in Thessalonich sind ein motivierendes Beispiel. Sie hatten sich bekehrt und fortan ruhte ihr Leben auf zwei großen Säulen. Erstens dienten sie Gott und zweitens erwarteten sie seinen Sohn aus den Himmeln (1. Thes 1,9-10). Das war in Übereinstimmung mit den Worten des Herrn Jesus, der den Knecht „glückselig“ nennt, der wachend auf Ihn wartet und gleichzeitig seinen Dienst nicht vernachlässigt (Lk 12,37.43). Es gibt übrigens nichts, was noch in Erfüllung gehen müsste, bevor Er kommen kann.

Resümee

Der kurze Bibeltext stellt uns vor zwei Fragen:

  • Akzeptieren wir unsere Stellung als „Himmelsbürger“ auf dieser Erde, oder sind wir so sehr mit dieser Erde und ihren Dingen „verwurzelt“, dass von unserem Charakter als „Fremdlinge“ nicht viel zu sehen ist?
  • Leben wir täglich in der Erwartungshaltung, dass unser Herr zurückkommt, um uns zu sich zu nehmen oder ist das Wissen um sein Kommen mehr oder weniger „graue Theorie“, die wir zwar kennen, die jedoch unser Leben nicht beeinflusst?

Ernst-August Bremicker

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2016, Heft 5

Bibelstellen: Philipper 3,20

Stichwörter: Erwartung, Himmelsbürger