Glaubensleben

Den Willen Gottes erkennen

Wir Menschen möchten gerne ein bequemes und einfaches Mittel haben, um den Willen Gottes zu erkennen, so wie man für alles Mögliche eine Anleitung bekommen kann.

Jedoch gibt es zum einen keine Möglichkeit, den Willen Gottes zu erkennen, ohne unseren Seelenzustand einzubeziehen. Zum anderen ist es so, dass wir unsere eigene Person oft zu wichtig nehmen. Und wir täuschen uns dann, wenn wir annehmen, in diesem oder jenen Fall Gottes Willen zu erkennen. Gott hat uns vielleicht in diesen Fällen gar nichts zu sagen. Es ist vielleicht das Böse in uns, das uns in helle Aufregung versetzt. Vielleicht ist es in solchen Fällen eher der Wille Gottes, dass wir ganz ruhig einen unbedeutenden Platz einnehmen sollten.

Zudem versuchen wir manchmal Gottes Willen in Umständen zu erkennen, in denen wir nach seinem Willen überhaupt nicht sein sollten, und möchten dann wissen, wie wir uns verhalten sollen. Wenn unser Gewissen wirklich intakt wäre, würde sein erster Impuls darin bestehen, uns zum Verlassen dieser Umstände aufzufordern. Es war ja unser eigener Wille, der uns in ungute Umstände gebracht hat. Und leider kommt es häufig vor, dass wir den Trost der Führung Gottes auf einem Weg genießen möchten, den wir selbst gewählt haben.

Wir können sicher sein, dass wir keine Schwierigkeiten haben werden, seinen Willen zu erkennen, wenn wir nahe genug bei Gott sind.

In einem langen und aktiven Leben kann es vorkommen, dass Gott uns in seiner Liebe nicht immer sofort seinen Willen offenbart, damit wir unsere Abhängigkeit spüren. Dies gilt besonders, wenn man die Tendenz hat, nach dem eigenen Willen zu handeln.

Jedoch gilt das Wort: „Die Lampe des Leibes ist das Auge; wenn nun dein Auge einfältig ist, so wird dein ganzer Leib licht sein“ (Mt 6,22). Daraus folgt zwangsläufig, dass das Auge nicht einfältig ist, wenn der ganze Leib nicht licht ist.

Du wirst jetzt sagen: Das ist aber ein schwacher Trost. Ich antworte dir: Es ist ein starker Trost für diejenigen, deren ganzer Wunsch es ist, ein einfältiges Auge zu haben und mit Gott zu wandeln. Dieser Gedanke ist natürlich kein Trost für jemanden, der alle Schwierigkeiten meidet, seinen Willen objektiv zu erkennen, sondern nur für denjenigen, dessen Wunsch es ist, mit Gott zu wandeln.

„Wenn jemand am Tag wandelt, stößt er nicht an, weil er das Licht dieser Welt sieht; wenn aber jemand in der Nacht wandelt, stößt er an, weil das Licht nicht in ihm ist“ (Joh 11,9-10). Es ist immer das gleiche Prinzip. „Wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12). Man kann Gottes Willen nicht losgelöst von diesem moralischen Grundprinzip des Christentums erkennen.

So betete auch der Apostel, dass „ihr erfüllt sein mögt mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlicher Einsicht, um würdig des Herrn zu wandeln zu allem Wohlgefallen, in jedem guten Werk Frucht bringend und wachsend durch die Erkenntnis Gottes“ (Kol 1,9-10). Die wechselseitige Verbindung dieser Dinge ist von immenser Bedeutung für die Seele: Man muss den Herrn genau kennen, wenn man auf eine Weise wandeln möchte, die Seiner würdig ist. Und auf diesem Weg wachsen wir in der Erkenntnis des Willens Gottes.

„Und um dieses bete ich, dass eure Liebe noch mehr und mehr überströme in Erkenntnis und aller Einsicht, damit ihr prüfen mögt, was das Vorzüglichere ist, damit ihr lauter und ohne Anstoß seid auf den Tag Christi, erfüllt mit der Frucht der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus ist, zur Herrlichkeit und zum Preise Gottes“ (Phil 1,9-11). Schließlich steht geschrieben, dass der geistliche Mensch „[alles] beurteilt …, er selbst aber wird von niemand beurteilt“ (1. Kor 2,15).

Es ist folglich der Wille Gottes, und ein kostbarer Wille, dass wir ihn nur entsprechend unserem eigenen geistlichen Zustand erkennen können. Im Allgemeinen zeigt sich, dass es Gott ist, der uns und unseren Zustand beurteilt, während wir glauben, die Umstände beurteilen zu müssen. Unsere Aufgabe ist es, in seiner Nähe zu bleiben. Gott wäre nicht gut zu uns, wenn Er uns erlauben würde, seinen Willen ohne die Nähe zu Ihm zu erkennen.

 

John N. Darby

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2021, Heft 4, Seite 3

Bibelstellen: Matthäus 6,22; Johannes 8,12; 11,9-10; Philipper 1,9-11; u. a.;

Stichwörter: Einsicht, Erkenntnis, geistlicher Zustand, Wille Gottes