Glaubensleben

Der Sünde gestorben

„So auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde tot seid, Gott aber lebend in Christus Jesus“ (Röm 6,11).

In den ersten 10 Versen von Römer 6 finden wir die Darstellung der Lehre: Wir sind mit Christus gestorben. Dieser Teil des Briefes enthält keine einzige Ermahnung. Aber jetzt, in Vers 11, kommt eine Ermahnung. Sie ist eine Schlussfolgerung aus der Lehre: „So auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde tot seid, Gott aber lebend in Christus Jesus.“ Wenn es heißt „haltet dafür“, dann setzt das voraus, dass die Praxis anders sein kann.

Beachten wir auch, dass es nicht heißt: „Das sei eure Erfahrung“. Dass wir der Sünde gegenüber tot sind, ist das deine Erfahrung? Meine ist es nicht. Es heißt auch nicht: „Fühlt das, seid ganz glücklich“ oder: „Fühlt das, dass ihr der Sünde tot seid“. Du kannst das nicht fühlen. Manche liebe junge Gläubige schauen in sich hinein. Sie wollen etwas fühlen – auch bei der Errettung wollten sie etwas fühlen. Aber da ist gar nichts zu fühlen. Das musst du einfach annehmen, weil Gott es in seinem Wort sagt. Dass dann auch Gefühle des Dankes kommen, ist keine Frage, aber mein Glaube beruht nicht auf dem Gefühl, das ich gehabt habe.

Es war kürzlich ein junger Mann bei mir, der fühlte immer viel. Da habe ich gesagt, lieber Freund, hier ist ein Glas Wasser. Meine Faust passt in dieses Glas gerade hinein. Das Glas Wasser ist bis zum Rand voll und jetzt drücke ich meine Faust in das Glas. Nun befindet sich die Faust in dem Glas und sie hat das Wasser verdrängt. Das nennt man in der Physik das Verdrängungsprinzip. Du musst mal dich, dein elendes Ich verdrängen lassen – durch die starke Hand des Herrn. Du musst alles, was du bist, beiseitelassen und dich mit Ihm beschäftigen! Es geht gar nicht darum, was du gerade gefühlt hast. Paulus sagt nicht, „fühle das, dass das so ist“ – wir fühlen nämlich das Gegenteil -, aber er sagt: „Haltet euch dafür“.

Es ist sehr wertvoll zu sehen, wie Gott vorgeht. Er zeigt uns zuerst unsere Stellung. Und dann sagt Er nicht etwa: „Nun müsst ihr euch einmal so richtig anstrengen, dass ihr dahin kommt.“ Nein, Er sagt: „Schau mal, das habe ich euch gegeben, das ist euer Teil und nun haltet euch auch praktisch dafür.“ Das ist der Schlüssel zu einem heiligen Wandel, wo man der Sünde nicht gehorcht.

Gott hat uns durch den Tod und auch durch die Auferstehung Christi in diese großartige Stellung gebracht. Wir sind verbunden mit Ihm, seine Stellung ist auch meine Stellung. Unser Glaube fühlt das nicht etwa, sondern er stützt sich darauf. Oder kannst du etwa fühlen, dass der Herr Jesus am Kreuz von Golgatha gestorben ist? Natürlich nicht! Das Werk ist außerhalb von dir geschehen, wir können nur fühlen, was in uns geschieht. Das Erlösungswerk geschah außerhalb von mir und zudem vor rund 2000 Jahren, aber der Glaube nimmt es an und sieht es so, wie Gott es sieht.

Und genau das ist der Startpunkt für ein heiliges, gottseliges Leben ohne Sünde. „Haltet dafür, dass ihr der Sünde tot seid.“ Jetzt sagst du: „Ja, aber ich sehe, die Sünde lebt in mir.“ Ich glaube, dass viele von uns diesen Gedanken kennen: Die Sünde lebt in mir – wie kannst du da sagen: „Haltet dafür, dass ihr der Sünde tot seid“? Aber Gottes Wort sagt doch gar nicht, die Sünde sei tot! Gottes Wort sagt, dass du tot bist, dass du gestorben bist!

Wir können nicht genau genug sein mit der Sünde. Wir dürfen nicht darüber hinweggleiten und die Sünde verniedlichen: „Es ist heute eine andere Zeit, wir denken heute anders, wir sehen in den unmoralischen Dingen nichts mehr. Heute ist man darüber weg.“ Nein, wir sind gar nicht darüber weg. Das weißt du ganz genau. Sei genau mit der Sünde in dir. Aber im gleichen Atemzug erkenne, dass gerade dafür dein Heiland gestorben ist.

Ich habe manche Gläubige in tiefer Schwermut angetroffen. Sie haben eben nur die Sünde gesehen und sie waren sehr genau damit. Aber den Nachsatz haben sie nicht gekannt oder beachtet: „Gott aber lebend in Christus Jesus!“ Wir stehen nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade (V. 14). Die Gnade gibt mir eine neue Stellung und dann sagt sie zu mir: „Nun halte dich dafür.“ Und wenn ich doch sündige, dann weiß ich, dass mein Heiland gerade dafür starb. Ich werde im Lauf meines Lebens und Tag für Tag immer mehr erkennen, was für ein schändliches Teil, was für eine schreckliche Natur in mir ist. Ich habe es oft mit einem Raubtier verglichen. Du brauchst nur ein wenig die Tür des Raubtierkäfigs zu öffnen, dann kommt es und wird dich verletzen. Aber es macht einen gewaltigen Unterschied, wenn wir verstehen, dass dieses Raubtier nicht mehr „ich“ ist, das heißt, dass ich mich nicht mehr mit der alten Natur, der Sünde in mir identifiziere. Sie ist ein Fremdkörper. Wenn ich nicht wachsam war und das „Raubtier“ herausgelassen habe, muss ich das bekennen, aber die Sache selbst – meine alte Natur – ist längst gerichtet (Röm 8,3).

Es ist ein wichtiges Wort: „Haltet dafür, dass ihr der Sünde tot seid!“ Er sagt nicht: „Tut so, als hättet ihr keine.“ Wenn die Sünde kommt, dann sage nicht: „Das gibt es doch nicht, ich bin jetzt ganz mutlos!“, sondern sage: „Herr, das ist Sünde!“ Wir können sogar über die Sünde Gemeinschaft haben mit Gott. Wie? Indem wir so denken, wie Er darüber denkt – das ist Gemeinschaft. Ich kann so denken wie Er und stelle mich auf seine Seite. Wenn böse Gedanken kommen und sozusagen über deinem Kopf schweben, dann sage einfach: „Diese Gedanken sind nicht von mir!“ Aber wenn die bösen Vögel auf deinem Kopf ein Nest gebaut haben, dann musst du es bekennen. Aber dann bekennst du etwas, wofür der Herr starb – und dann wird der Friede des Herzens wieder bei dir einkehren.

So auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde tot seid, Gott aber lebend in Christus Jesus.

Römer 6,11

  • [Nach einem Vortrag, sprachlich überarbeitet]

Christian Briem

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2021, Heft 5, Seite 3

Bibelstellen: Römer 6,11; 8,3;

Stichwörter: Gesetz, Leben, Sünde