Dienst / Nachfolge

Im Schatten bleiben

Je mehr Johannes der Täufer, dieser geschätzte Diener Christi, gezwungen wird, von sich und seinem Werk zu sprechen, desto mehr zieht er sich in den Schatten zurück. Wenn nach ihm selbst gefragt wird, sagt er: „Ich bin die Stimme eines Rufenden“ (Joh 1,23). Als er über sein Werk befragt wird: „Ich bin nicht würdig, ihm den Riemen seiner Sandale zu lösen“ (Joh 1,27). Er ist nicht aufgeblasen, erhebt sich nicht selbst, er macht kein Aufheben von seinem Dienst, er stellt sein Werk nicht zur Schau. Der größte der Propheten war in seinen Augen nur eine Stimme. Der am meisten geehrte Diener wagt es nicht, die Schuhe seines Meisters zu berühren.

Das ist erfrischend und belehrend. Es ist sehr gesund für die Seele, eine solche Atmosphäre zu atmen in einer Zeit wie dieser, in der es so viel verachtenswerten Egoismus und eitle Anmaßung gibt. Johannes war ein Mann von wirklicher Kraft, echtem Wert und wirklicher Gabe und Gnade. Deshalb war er ein demütiger und bescheidener Mann. So ist es meistens. Wirklich große Männer lieben es, im Schatten zu bleiben. Wenn sie von sich selbst sprechen müssen, machen sie es kurz.

David sprach nie von seinen wunderbaren Siegen über den Löwen und den Bären, bevor er durch Sauls Unglauben dazu gezwungen wurde. Paulus sprach nie über seine Entrückung ins Paradies, ehe er durch die Torheit der Korinther herausgefordert wurde – und zwar 14 Jahre nach dem Ereignis. Und als er dazu gezwungen wird, entschuldigt er sich und sagt: „Ich bin ein Tor geworden“ (2. Kor 12,11). Wahre Größe ist bescheiden und zurückhaltend. David, Johannes und Paulus und anderen gefiel es, sich hinter ihren Meister zurückzuziehen und selbst aus dem Blickfeld zu geraten angesichts der Strahlen seiner moralischen Herrlichkeit. Das war ihre Freude. Hier fanden sie tiefen, vollen und reichen Segen. Die höchste und reinste Freude für ein Geschöpf ist es, sich selbst aus dem Blick zu verlieren in der unmittelbaren Gegenwart Gottes. Dass wir mehr davon erlebten! Wir haben es so nötig.

 

C. H. Mackintosh

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2021, Heft 5, Seite 29

Bibelstellen: Johannes 1,23.27; 2. Korinther 12,11;

Stichwörter: Bescheidenheit, Demut, Selbstverleugnung