Versammlung

Die himmlische Stadt

Gottes Wort gibt schon auf den ersten Blättern einen Hinweis auf die Versammlung – in dem Bild von Adam und Eva. Doch die Bibel beginnt nicht nur, sie endet auch mit einem Blick auf die Versammlung, denn die Offenbarung beschreibt in Kapitel 21,9 bis 22,5 ihre Herrlichkeit im Tausendjährigen Reich. Was Gott sich vor aller Zeit vorgesetzt hat in Bezug auf Christus und die Versammlung (vgl. Eph 3,9-11), und was Er bereits ganz am Anfang in Adam und Eva versteckt angedeutet hat (das heißt, nur im Licht des NT erkennbar), das wird Er einmal zur vollkommenen Erfüllung bringen. Gott spannt also einen Bogen vom Anfang seines Wortes bis zum Ende und zeigt damit auch, welchen Platz seine Versammlung in seinem Herzen hat.

Und diesen Platz hatte sie auch im Herzen Christi, als Er sich in tiefer Liebe am Kreuz für sie hingab. Sie wird für Ihn immer kostbar sein. Er wird sie sich einmal verherrlicht darstellen. Und nicht nur das, Er wird sich vor der ganzen Welt mit ihr schmücken. Offenbarung 21 berichtet von der Herrlichkeit der Versammlung, wie sie im Tausendjährigen Reich vor der Welt dargestellt wird zur Verherrlichung Christi.

Für uns liegt der Wert dieser prophetischen Sicht in Offenbarung 21 darin, dass in uns der Wunsch geweckt werden soll, diesem makellosen Zustand in unserer Praxis heute mehr zu entsprechen. Und wir sollen erkennen, welches Ziel Christus im Blick hat, wenn Er sich heute mit uns beschäftigt, indem Er seine Versammlung heiligt und reinigt, nährt und pflegt.

Um diese Sicht auf den zukünftigen Zustand der Versammlung zu bekommen, wie sie dem Herzen Christi entspricht, wird Johannes „im Geist auf einen großen und hohen Berg“ geführt. Und auch wir werden diese erhabene Sicht auf die Versammlung nur durch den Geist Gottes erlangen, indem wir uns Gottes Sicht zu eigen machen und uns von der sittlichen Verdorbenheit der Welt bewusst trennen.

Die Braut, die Frau des Lammes

Die Offenbarung beginnt in Kapitel 2 und 3 mit der Entwicklung des Zustands des christlichen Zeugnisses unter der Verantwortung des Menschen. Der Niedergang in der Versammlung Gottes begann damit, dass sie ihre erste Liebe zu Christus verließ (Off 2,4). Aber in Offenbarung 21 sieht der Seher sie als die Braut, die Frau des Lammes, in unverrückbarer Nähe zu Christus und in frischer Liebe zu Ihm. Die Hochzeit liegt hinter ihr (Off 19,7), sie ist die Frau des Lammes, aber bleibt doch immer seine Braut. Nie mehr wird ihre Liebe erkalten. Welche moralische Wirkung sollte das auf uns heute haben, wenn wir an unsere so wechselhaften Zuneigungen zu Christus denken! Es ist die Braut des Lammes – des geschlachteten Lammes (Off 5,12). Ihre Verherrlichung und innige Beziehung zu Christus gründen sich auf seine Hingabe für sie am Kreuz.

Heilig, herabkommend aus dem Himmel, von Gott

Die Versammlung wird in dem Bild der Stadt gezeigt. Die Offenbarung bleibt ihrem Charakter treu, dass es um die Verwaltung der Dinge auf der Erde geht. Der Engel beginnt jedoch mit den Worten: „Ich will dir die Braut, die Frau des Lammes, zeigen.“ Wie schön, dass dieses Bild mit einem Blick auf die Beziehung der Versammlung zu Christus eingeleitet wird, der wenig mit dieser Erde zu tun hat: die Braut des Lammes.

Doch nun zu der Stadt. Sie wird durch drei Kennzeichen beschrieben: Sie ist eine heilige Stadt (1), sie kommt aus dem Himmel herab (2) und sie ist von Gott (3).

  1. Die Versammlung besteht aus Menschen, die ihrer Stellung nach Heilige sind (vgl. Eph 1,1). Heute benötigt sie Heiligung und Reinigung (Eph 5,26), weil wir in unserer Praxis der Stellung als Heilige leider oft nicht entsprechen. Dann aber wird sie heilig in Stellung und Praxis sein, abgesondert für Gott, passend für seine Gegenwart.
  2. Sie ist außerdem „herabkommend aus dem Himmel“. Ihr Charakter ist himmlisch, sie gehört nicht zu dieser Erde. Sie reflektiert zwar das Licht der Herrlichkeit Gottes auf die Erde; doch es wird nicht von ihr gesagt, dass sie auf die Erde kommt. Wenn wir diesen himmlischen Charakter der Versammlung heute schon mehr erkennen würden, würde es uns nicht davor bewahren, uns für die Dinge dieser Welt zu engagieren?
  3. Die Versammlung ist außerdem „von Gott“, d. h. göttlichen Ursprungs. Sie ist nicht von Menschen gemacht, Christus selbst hat Gläubige aus Juden und Nationen „zu einem neuen Menschen geschaffen und … in einem Leib mit Gott versöhnt durch das Kreuz“ (Eph 2,15.16). Das wird dann völlig sichtbar sein. Heute müssen wir uns immer wieder bewahren lassen, dass dieser von Gott gebildete Organismus nicht in der Praxis durch menschliche Organisation und Regelungen ersetzt wird.

„Sie hatte die Herrlichkeit Gottes“

Die Versammlung wird die Herrlichkeit Gottes haben – eine gewaltige Aussage! Jetzt rühmen wir uns „in der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes“ (Röm 5,2). Dann haben wir sie! Es wird ein Lichtglanz für die Erde sein. Kraft dieser durch die Versammlung ausgestrahlten Herrlichkeit Gottes werden die dann auf der Erde lebenden Menschen ihr Leben führen (vgl. V. 24). Die Stadt wird „gleich einem sehr wertvollen Stein“ leuchten. Es ist göttliche Herrlichkeit, die wir widerspiegeln, denn die Stadt leuchtet wie ein Jaspisstein (vgl. Off 4,3).

Das hier verwendete Wort „Lichtglanz“ kommt sonst nur noch in Philipper 2,15 vor, wo wir aufgefordert werden, wie Lichter inmitten eines verdrehten und verkehrten Geschlechts zu scheinen, indem wir Christus, das Wort des Lebens, darstellen. Was dann vollkommen so sein wird, soll heute schon mehr so sein: Wir sollen die Wesenszüge Christi in unserem Leben zeigen.

Später lesen wir, dass die Grundlagen der Mauer mit jedem wertvollen Stein geschmückt waren. Jeder Stein hat eine andere Farbe und doch hat keiner in sich selbst Licht. Die Lichtquelle dieser Stadt ist das Lamm (V. 23). Die Herrlichkeit Christi strahlt in wunderbaren Farben durch die vielen Steine nach außen. Trotzdem leuchteten die vielen Steine der Stadt „wie ein kristallheller Jaspisstein“. Wie weit sind wir heute davon entfernt! Und doch ist genau das schon heute der Wunsch des Herrn für uns (vgl. Joh 17,22.23).

Mauer und Tore der Stadt

Die Mauer der Stadt ist groß und hoch. Sie kann nicht eingerissen und nicht überwunden werden. Nichts Böses kann je in diese Stadt eindringen. Die Trennung zwischen Heiligem und Unheiligem, wofür die Mauer steht (vgl. Hes 42,20), ist dann vollkommen. Die Herrlichkeit Gottes ist der Schutz der Stadt, denn „der Bau ihrer Mauer war Jaspis“. Wo ein Empfinden für Gottes Herrlichkeit vorhanden ist und diese Herrlichkeit auch ausgestrahlt wird, hat Böses keinen Platz (vgl. Sach 2,9; Apg 5,13).

Die Verwirklichung dieser Trennung vom Bösen ist heute oft schwach. Die Mauer ist vielerorts eingerissen. Das Böse will mit Macht eindringen, und es ist kaum noch Kraft da, es draußen zu halten. Haben wir uns damit arrangiert? Nehemia „weinte und trug Leid tagelang“ (Neh 1,4) über die niedergerissene Mauer des damaligen Jerusalems und fasste den Plan, sie wiederaufzubauen. Wollen wir seinem Beispiel in unserem Verantwortungsbereich folgen?

Die Mauer hatte zwölf Tore und „jedes einzelne Tor war aus einer Perle“. Die Perle zeigt die Schönheit der Versammlung, die das Herz Christi anzieht (vgl. Mt 13,45). Ihre Schönheit entfaltet sich nur in ihrer Einheit. Wenn man die Perle teilt, verliert sie ihren Wert. Von welcher Seite man sich der Stadt auch nähern wird, immer wird man ihre Einheit sehen. Heute ist diese Einheit kaum noch zu sehen. Die Christenheit ist zertrennt. Und doch werden wir aufgefordert, „die Einheit des Geistes zu bewahren in dem Band des Friedens“ (Eph 4,3). Diese Ermahnung hätten wir nicht bekommen, wenn das nicht heute noch möglich wäre.

Maße und Material der Stadt

Der Seher sieht dann, dass die Stadt mit einem goldenen Rohr vermessen wird. Gott legt den Maßstab seiner eigenen Gerechtigkeit an diese Stadt an. Und das Ergebnis? Länge, Breite und Höhe sind gleich. Übersetzt bedeutet das: völlige Ausgewogenheit, keine Differenz zwischen Lehre und Praxis, keine Überbetonung oder Vernachlässigung bestimmter Wahrheiten. Welch ein Ausblick: Die Versammlung wird einmal in allem die völlige Zustimmung Gottes haben. Christus wird tatsächlich eine Frau haben, „die ihm entspricht“.

Die Stadt und ihre Straße waren reines Gold, wie reines, durchsichtiges Glas, was von göttlicher Gerechtigkeit und vollkommener Transparenz spricht. Ein solches Material findet man auf der Erde nicht, weder im wörtlichen noch im übertragenen Sinn. Zwar ist der neue Mensch „nach Gott geschaffen in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit.“ Aber die Sünde haftet uns heute noch an und wir benötigen die Reinigung. Auch ist manches undurchsichtig und wir können von verborgenen Motiven geleitet sein, die das Zusammenleben der Gläubigen oft erschweren. Dann werden wir Gottes Gerechtigkeit vollkommen widerspiegeln und alles ist transparent. Das Licht der Herrlichkeit Gottes durchdringt alles und bringt nie mehr Befleckung an den Tag. Auch sind die Wege der Gläubigen nie mehr getrennt, denn es gibt nur noch eine Straße.

Fazit

Es ist ein anspornender Blick auf die Versammlung. So hat Christus sie immer vor Augen. Wollen wir unsere heutige Praxis nicht mehr im Licht der zukünftigen Herrlichkeit beurteilen? Und kann dieser Blick nicht auch jeden ermutigen, der sich heute noch für diese Versammlung einsetzt? Damals ließ Gott dem entmutigten Volk in Bezug auf den Bau des Tempels ausrichten: „Ich werde dieses Haus mit Herrlichkeit füllen“ (Hag 2,7). Und das wird auch von der Versammlung, dem himmlischen Bau Gottes, wahr sein: „Und sie hatte die Herrlichkeit Gottes.“ Nichts Geringeres könnte der Würde Christi, des Lammes Gottes, entsprechen.

 


Und er führte mich im Geist weg auf einen großen und hohen Berg und zeigte mir die heilige Stadt, Jerusalem, herabkommend aus dem Himmel von Gott; und sie hatte die Herrlichkeit Gottes.

Offenbarung 21,10.11

Marco Leßmann

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2021, Heft 9, Seite 27

Bibelstellen: Offenbarung 21,9; 5,12; Epheser 5,26; 1,1; Römer 5,2; Matthäus 13,45; u. a.;

Stichwörter: Herrlichkeit, Mauer, Perle, Schönheit, Stadt, Tore, Versammlung