Glaubensleben

Gottes Hand und der brüllende Löwe

Im ersten Jahrhundert hatten die Christen, die aus dem Judentum stammten, viel zu erleiden. Deshalb greift der Apostel Petrus in seinem ersten Brief an diese Gläubigen das Thema „Leiden“ auf und beleuchtet es von verschiedenen Seiten. Beim Lesen dieses Briefs spürt man das Anliegen eines Hirten: Er will der Herde eine gute Ausrichtung geben und sie im Glauben stärken. Diese Anweisungen sind bis heute vielen Bibellesern eine große Hilfe. Schauen wir uns dazu einige Punkte an.

Leiden – etwas Fremdes?

Die meisten von uns haben sich daran gewöhnt und werden es von Kindheit an nicht anders kennen, dass wir Glaubensfreiheit haben. Verfolgungen aufgrund unseres Glaubens sind uns fremd. Selbst Einschränkungen im Bereich der sogenannten Religionsausübung haben wir bis vor kurzem nicht gekannt. Frei zu sein und nicht auf irgendeine Weise leiden zu müssen, zählt heute zum höchsten Glück eines Menschen. Alles, was belastet und das persönliche Wohlbefinden einschränkt oder stört, will man so schnell wie möglich loswerden, selbst wenn dabei Normen und Werte auf der Strecke bleiben. Von diesem Lebensstil wollen wir uns allerdings nicht anstecken lassen.

Seit dem Sündenfall ist das Erdendasein mit Leiden verbunden. Insofern sind Leiden etwas Normales. Solange wir in dieser Welt leben, haben wir mit Zwängen, Einschränkungen und Konflikten zu tun, die in irgendeiner Form Leiden verursachen. Das gilt für die Menschen im Allgemeinen sowie für die Gläubigen im Besonderen. Nirgendwo sagt die Bibel, dass die Gläubigen weniger zu leiden hätten als die Menschen dieser Welt, im Gegenteil. Und das hat mehrere Gründe:

  • Gott will sich durch seine Auserwählten verherrlichen – heute sowie in Zukunft, wenn wir mit unserem Herrn Jesus Christus offenbar werden (vgl. 1. Pet 1,6.7).
  • Die Gläubigen sollen geistlich reifen, indem sie ausharren und ihr Glaube sich bewährt (vgl. Jak 1,2-4).
  • Gott will, dass wir Ihn als den „Vater der Erbarmungen und Gott allen Trostes“ erfahren (2. Kor 1,3). Das geschieht besonders dann, wenn wir an unsere Grenzen stoßen oder auf etwas verzichten müssen.
  • Kinder Gottes sind Fremde in dieser Welt, ihre Heimat ist der Himmel. Da ist es nicht verwunderlich, dass die Welt sie hasst oder sogar verfolgt (vgl. Joh 15,18-20). Es sollte uns also nicht befremden, wenn wir abgelehnt oder benachteiligt werden (vgl. 1. Pet 4,12).

Gewiss können und wollen wir uns nicht mit den verfolgten Gläubigen aus dem Judentum damals vergleichen. Unsere Mitmenschen sind oft tolerant und lassen die anderen glauben, was sie wollen. Doch wir leben in einer Zeit, wo Menschen, die nicht der vorherrschenden gesellschaftspolitischen Meinung folgen, schnell in die Kritik geraten und geschnitten werden. Wer sich als Christ klar positioniert, gerät oft ins Abseits. Doch wir haben Gott auf unserer Seite. Er ist für uns, und nichts kann uns von seiner Liebe trennen (vgl. Röm 8,31-39). Er will uns beistehen, welche Leiden wir auch immer zu erdulden haben.

Schauen wir uns dazu 1. Petrus 5,6-11 an. Dort spricht der Apostel Petrus unsere Haltung in den Leiden an, stellt die Absichten des Teufels vor und öffnet vor allem den Blick auf den gnädigen Gott und sein mächtiges Handeln.

Sich demütigen – erhöht werden

Offensichtlich knüpft Petrus an das Thema „Leiden“ an, wenn er seine Briefempfänger auffordert:

„So demütigt euch nun unter die mächtige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zur rechten Zeit“ (V. 6).

Wenn wir uns in einer belastenden Situation befinden und darunter leiden, stehen wir in Gefahr, uns aufzulehnen. Wir fangen an, uns zu beklagen, oder wir suchen einen Ausweg, um so schnell wie möglich wieder frei zu werden. Manchmal beten und flehen wir darum, dass Gott uns Erleichterung schenkt. Er ist doch der Allmächtige und könnte die Situation im Handumdrehen ändern! Nichts ist uns lieber, als dass die Hand Gottes alles Unangenehme von uns wegnimmt oder fernhält – eben weil sie mächtig ist.

Doch ist das nicht eine einseitige Ausrichtung? Wir vertrauen zwar der Allmacht Gottes, lassen aber seine Weisheit und Liebe außer Acht, als könnten wir darauf verzichten. So fällt es uns schwer, uns zu demütigen und anzunehmen, wie Gott mit uns handelt. Doch genau das ist die Absicht Gottes für uns. Wir sollen lernen, Ihm ganz zu vertrauen. Das ist nur möglich, wenn wir akzeptieren, dass hinter den widrigen Umständen seine mächtige Hand steht, die sich auf uns gelegt hat.

Nur wenn wir uns demütigen, wird Gott uns auch erhöhen (vgl. Jak 4,10). Und Gott weiß genau, wann die „rechte Zeit“ für unsere Erhöhung gekommen ist, wie Petrus in Vers 6 schreibt. Das kann bereits nach wenigen Tagen sein oder auch erst nach Wochen oder sogar nach Jahren … Wir werden spätestens dann erhöht werden, wenn Gott uns „Ruhe gibt bei der Offenbarung des Herrn Jesus vom Himmel her“ (2. Thes 1,7).

Die Sorge auf Gott werfen – Gott sorgt für uns

„… indem ihr alle eure Sorge auf ihn werft; denn er ist besorgt für euch“ (V. 7).

Mit diesen Worten führt Petrus seinen Gedanken weiter. Wir demütigen uns also, indem wir unsere Sorgen auf Ihn werfen. Jederzeit dürfen und sollen wir unsere Sorgen an Ihn abgeben. Er will unsere Lasten tragen. Das ist kein leeres Versprechen, sondern eine Tatsache, von der viele Gläubige berichten könnten. Auch David wusste dazu etwas zu sagen: „Wirf auf den HERRN, was dir auferlegt ist, und er wird dich erhalten“ (Ps 55,23).

Manche Gläubige haben ein sorgenreiches Leben und sind dennoch glücklich im Herrn. Wie schaffen sie das nur? Offensichtlich haben sie alle ihre Sorgen auf Gott geworfen und nicht die Hälfte sich selbst wieder aufgeladen.

Sorgen auf Gott werfen und dort lassen – das fällt uns manchmal nicht leicht. Solange wir mit Gott hadern, werden wir unsere Sorgen nicht los. Doch je mehr wir lernen, unsere eigenen Vorstellungen und Wünsche zurückzustellen, und Gott danken, dass „sein Tun vollkommen ist und alle seine Wege recht sind“ (5. Mo 32,4), umso mehr werden wir den Frieden Gottes erfahren und Erleichterung verspüren. Unsere Not ist gewissermaßen Gottes persönliche Angelegenheit, wodurch Er sich verherrlichen möchte. Je mehr wir also abgeben, umso leichter wird unsere Last und umso glücklicher werden wir sein.

Solange die Leidenszeit anhält, so lange haben wir unseren barmherzigen Gott an unserer Seite. Er lässt uns nicht zugrunde gehen, im Gegenteil – Ihm liegt an uns, Er ist „besorgt für uns“. Er ist niemals gegen uns, sondern immer für uns (vgl. Röm 8,31).

Nüchtern und wachsam sein – der Feind will verschlingen

In Zeiten, in denen Gott uns prüft, sollen wir uns unter seine mächtige Hand demütigen, wie Petrus schreibt. Ja, wir wollen wirklich lernen, uns nicht gegen Gottes Handeln aufzulehnen, sondern es von Ihm anzunehmen. Doch zugleich sollten wir daran denken, dass der Teufel seine Hand im Spiel haben kann. Da gilt es, nüchtern und wachsam zu sein:

„Seid nüchtern, wacht; euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge“ (V. 8).

Offensichtlich ist es Petrus sehr wichtig, dass seine Briefempfänger ihre Situation nüchtern beurteilen. Bereits in Kapitel 1,13 sowie in Kapitel 4,7 hat er sie dazu aufgefordert, nüchtern zu sein. Sie sollten der Realität ins Auge sehen, anstatt sich Illusionen hinzugeben oder sich von Gefühlen leiten zu lassen. Außerdem ist es notwendig, zu wachen und nicht geistlich zu schlafen. Sonst merken wir nämlich nicht, dass der Feind tätig ist und uns schädigt.

Der Teufel ist unser Widersacher. Nie beabsichtigt er etwas Gutes! Immer ist er gegen uns, so wie er auch gegen Christus ist. Er will „durcheinanderbringen“ (so die Bedeutung des griechischen Wortes diabolos, das mit „Teufel“ übersetzt wird) und Einzelne „verschlingen“. Petrus vergleicht ihn hier mit einem brüllenden Löwen. In der Natur ist das markerschütternde Löwengebrüll etwa acht Kilometer weit zu hören. So will auch der Teufel uns aus seinem „Revier“ verjagen und uns verschlingen. Dabei denken wir zuerst an Verfolgungen, die er anzettelt, um die Christen unter Druck zu setzen, damit sie ihren Glauben aufgeben. Doch der Teufel benutzt auch andere Maßnahmen, um sie in Angst zu versetzen. Haben wir in den letzten Monaten nicht auch etwas vom Gebrüll des Feindes wahrgenommen? Uns hat zwar keine Verfolgung gedroht, aber durch Gottesdiensteinschränkungen und -verbote anlässlich Covid-19 standen viele Christen in Gefahr, etwas von den vier Stücken in Apostelgeschichte 2 aufzugeben, weil sich Angst breit gemacht hatte.

Wer in Angst lebt, wird dem Feind leichter zum Opfer fallen und von ihm verschlungen werden. Petrus schreibt hier aus Erfahrung: Im Hof des Hohenpriesters hatte er das selbst erlebt. Als er auf seine Beziehung zu Jesus von Nazareth angesprochen wurde, verleugnete er Ihn, weil er Angst um sein Leben hatte. Und genauso geht der Feind heute vor: Er versetzt die Gläubigen in Angst, damit sie in ihrem Glauben wankend werden und ihren Glauben möglicherweise sogar verleugnen. Deshalb fordert Petrus im nächsten Vers dazu auf, dem Teufel standhaft zu widerstehen.

Dem Teufel widerstehen – andere leiden auch

„Dem widersteht standhaft im Glauben, da ihr wisst, dass dieselben Leiden sich an eurer Brüderschaft in der Welt vollziehen“ (V. 9).

Wer würde sich zutrauen, dem Teufel widerstehen zu können? Sind wir etwa stärker als er? Dass wir es aus eigener Kraft und mit Vertrauen auf uns selbst nicht schaffen, zeigt uns das Straucheln von Petrus, wie wir oben gesehen haben. Doch im (oder durch) Glauben sind wir stark, weil wir dann unser Vertrauen auf Gott setzen, der stärker ist als der Teufel. Jakobus schreibt, dass der Teufel von uns fliehen wird, wenn wir ihm widerstehen (Kap. 4,7). Was für eine Gnade, dass wir Gott an unserer Seite haben, mit dem wir nicht nur „eine Mauer überspringen“, sondern ebenfalls den „Weltbeherrschern dieser Finsternis“ widerstehen können (Ps 18,30; Eph 6,12).

Noch etwas hilft uns, standhaft zu sein: Wir denken an unsere Glaubensgeschwister, die teilweise noch vor viel größere Herausforderungen gestellt sind als wir. Sie werden hier „Brüderschaft“ genannt – ein Ausdruck, den nur Petrus verwendet, und das gleich zweimal: hier und in Kapitel 2,17. Haben wir uns nicht gerade in den letzten Monaten mit den Gläubigen weltweit besonders verbunden gefühlt? Auch sie sind von den Folgen der Pandemie betroffen, wobei viele von ihnen unter noch viel härteren Maßnahmen leben mussten als wir. Doch ihr starker Glaube ist uns erneut ein großes Vorbild gewesen, wodurch wir getröstet worden sind (vgl. Röm 1,12).

Die ganze Welt leidet unter den Folgen der Sünde. Doch nur die „Brüderschaft“ kennt Leiden, die ihren Glauben antasten und ihn ins Wanken bringen können. Die Ursache liegt darin, dass alle, die Christus angehören, nicht von der Welt sind und deshalb nicht zu ihr gehören: „Unser Bürgertum ist in den Himmeln“ (Phil 3,20). Die „Brüderschaft“ ist eine Gemeinschaft von Menschen, die weder auf natürliche Weise entstanden ist noch durch den Willen der Menschen. Es ist Gott selbst, der sich „ein Volk für seinen Namen“ genommen hat (Apg 15,14). Der gestorbene und auferstandene Sohn des Menschen schämt sich nicht, die Erlösten seine Brüder zu nennen (vgl. Heb 2,11)! Durch Ihn haben wir eine Beziehung zu Gott wie Kinder zu ihrem Vater. Und untereinander verbindet uns das ewige Leben, der eine Geist und der eine Glaube.

Hier leiden – dort die ewige Herrlichkeit

Wenn Petrus das letzte Mal von den Leiden der Gläubigen spricht, stellt er sie dem gegenüber, wozu Gott uns berufen hat und was Er für und an uns tut:

„Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, nachdem ihr eine kurze Zeit gelitten habt, er selbst wird euch vollkommen machen, befestigen, kräftigen, gründen“ (V. 10).

Wir haben es mit dem „Gott aller Gnade“ zu tun. Für jede Situation unseres Lebens steht uns seine Gnade zur Verfügung. Er gibt uns nicht nur das, was wir nötig haben, sondern Er gibt noch darüber hinaus. Das Maß seines Handelns ist seine göttliche Liebe. In dieser Liebe wendet Er sich uns zu und hält nichts zurück von dem, was Er uns geben kann. Er lässt uns sogar an seiner ewigen Herrlichkeit teilhaben! Sie ist uns in Christus Jesus geschenkt – ganz unverdient! Es ist so, als würde Gott nur an seinen geliebten Sohn denken, wenn Er seine Auserwählten segnen will. Unfassbar, dieser überragende Reichtum der Gnade Gottes, der sich im Himmel für ewig an uns erweisen wird (vgl. Eph 2,7)!

Doch schon heute empfangen wir „aus seiner Fülle Gnade um Gnade“ (Joh 1,16) – eine Gnade, die von der nächsten Gnade abgelöst wird. Je mehr wir davon in unser Leben aufnehmen und je mehr wir an die zukünftige Herrlichkeit denken, umso deutlicher empfinden wir, dass es nur eine „kurze Zeit“ ist, in der wir leiden. Paulus, der den verherrlichten Christus gesehen hatte und sogar in den dritten Himmel entrückt worden war, wusste zu berichten, „dass die Leiden der Jetztzeit nicht wert sind, verglichen zu werden mit der zukünftigen Herrlichkeit, die an uns offenbart werden soll“ (Röm 8,18). Und wollte man die Last der Leiden wiegen – sie wäre leicht im Vergleich zu dem ewigen Gewicht von Herrlichkeit, das über jedes Maß hinausgeht (vgl. 2. Kor 4,17).

Das Schönste kommt noch, und diese Aussicht sollte uns dazu motivieren, in dieser Zeit auszuharren. Aber „der Gott aller Gnade“ hält nicht nur eine unvorstellbar schöne Zukunft für uns bereit, sondern Er gibt uns schon heute täglich seine Gnade. „Er selbst“ ist tätig und „ersetzt bei uns alles Mangelnde“ (wie man „vollkommen machen“ aus Vers 10 auch übersetzen könnte; siehe die Fußnote in der Elberfelder Übersetzung), und Er befestigt, kräftigt und gründet uns, wie Petrus schreibt. Was könnte Gott mehr tun, damit unsere Herzen befestigt werden und wir in unseren Gedanken, Worten und Taten bewahrt bleiben? Ob wir an einen Pfosten denken, an dem etwas „befestigt“ wird, oder daran, dass Er uns „kräftigt“ bei dem, was wir für Ihn tun, oder an ein Fundament, auf dem ein Bau „gegründet“ ist – Gott tut alles, damit wir das herrliche Ziel erreichen. Er ist wirklich ein Gott aller Gnade.

Gerne stimmen wir in den abschließenden Lobpreis des Apostels Petrus ein:

„Ihm sei die Herrlichkeit und die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen“ (V. 11).

Seid nüchtern, wacht; euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge.

1. Petrus 5,8

 

Hartmut Mohncke

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2021, Heft 12, Seite 7

Bibelstellen: 1. Petrus 5,6-11; 2. Korinther 1,3; Psalm 55,23; 5. Mose 32,4; Philipper 3,20; u.a.

Stichwörter: Erhöhen, Leiden, nüchtern, wachsam, widerstehen