Der eine Leib Christi und das Haupt im Himmel
„Da ist ein Leib“
Warum ist der Gedanke der Einheit der Versammlung, des Leibes Christi, so wichtig? Weil die Erlösten das Wesen Gottes widerspiegeln und das auch praktisch bezeugen sollen. Der erste Mensch war im Bild Gottes erschaffen, und auch in der neuen Schöpfung, wozu ja auch die Versammlung gehört, kommt Gottes Wesen geistlich zum Ausdruck.
- Gott ist Licht (1. Joh 1,5), aber wir waren einst Finsternis. Durch den Glauben an den Herrn Jesus sind wir Licht in dem Herrn geworden und sollen in der Finsternis, die uns umgibt, als Kinder des Lichts wandeln (Eph 5,8). In der Versammlung sehen wir dies in dem bildlichen Ausdruck des heiligen Tempels Gottes (1. Kor 3,17; Eph 2,21; vgl. Off 21,11). Auch das Bild der sieben Versammlungen in Kleinasien als sieben Leuchter spricht von dem Licht, das die einzelnen Versammlungen nach Gottes Willen auf der Erde verbreiten sollen (Off 1,20).
- Gott ist Liebe (1. Joh 4,8.16), wir dagegen waren Feinde Gottes, verhasst und einander hassend (Röm 5,10; Tit 3,3). Er hat seine Liebe in unsere Herzen ausgegossen, damit wir in Liebe wandeln können (Röm 5,5; Eph 5,2). Als Braut und Frau Christi ist die Versammlung der besondere Gegenstand seiner Liebe (Eph 5,25-32).
- Gott ist einer (5. Mo 6,4; 1. Kor 8,4; Gal 3,20; Eph 4,6; 1. Tim 2,5; Jak 2,19). Auch dieses wesentliche Kennzeichen Gottes soll zum Ausdruck kommen. Das geht aber nicht durch die einzelnen Gläubigen, sondern nur durch die Versammlung als Ganzes, die aus vielen Gliedern besteht und den einen Leib Christi bildet. Können wir uns eine innigere Verbindung und Einheit vorstellen als die eines lebenden Körpers mit seinem Kopf oder Haupt? Die Einheit des Leibes ist ein Grundbestandteil der biblischen Lehre über die Versammlung (1. Kor 12,12-27).
Die Anerkennung der Einheit des Leibes Christi, der Versammlung, bildet auch die Grundlage des schriftgemäßen Zusammenkommens von Erlösten. Der Ausdruck „Einheit des Leibes“ wird zwar manchmal als nicht schriftgemäß abgetan, weil er nicht im Neuen Testament vorkommt. Die Existenz des einen Leibes Christi wird jedoch so häufig erwähnt, dass die Bezeichnung „Einheit des Leibes“ durchaus gerechtfertigt ist (Röm 12,5; 1. Kor 10,17; 12,12; Eph 2,15; 4,4; Kol 3,15). Darin kommen zwei Dinge zum Ausdruck:
- Die Erlösten in der gegenwärtigen Zeit sind nicht länger „zerstreute Kinder Gottes“ (Joh 11,52), sondern sie bilden durch den Heiligen Geist eine Einheit: den einen Leib Christi. Jeder Errettete ist ein Glied dieses einen Leibes (1. Kor 12,13).
- Es gibt nicht mehrere „Leiber Christi“, sondern nur einen einzigen. Dieser Gesichtspunkt wird leider wenig verstanden. Durch die vielen Kirchen- und Gemeinde-Gruppierungen innerhalb der Christenheit wird er total verzerrt (vgl. 1. Kor 1,12.13).
Aus der von Gott, dem Heiligen Geist, geschaffenen Einheit der Erlösten ist scheinbar eine menschliche Vielfalt geworden, wobei in vielen Fällen auch noch Gläubige und Ungläubige vermischt sind. Das ist von keinem Standpunkt aus positiv zu sehen. Die Zerrissenheit innerhalb der Christenheit ist das traurige Ergebnis der Anstrengungen Satans und menschlichen Eigenwillens.
Trotzdem bleibt das Wort Gottes auch in dieser Hinsicht gültig. Hat Gott uns denn zu irgendeinem Zeitpunkt mitteilen lassen: Ab jetzt braucht ihr die Einheit des Leibes nicht mehr zu respektieren? Im Gegenteil! Gottes Wort hat sich nicht geändert, und auch unsere Haltung im Blick auf das Wort darf sich nicht ändern. Wenn wir uns als Gläubige schriftgemäß versammeln möchten, muss die Voraussetzung und Grundlage unseres Zusammenkommens die Einheit des Leibes Christi sein.
Christus, das Haupt im Himmel
Bevor die Versammlung auf der Erde entstehen konnte, musste Christus nach vollbrachtem Erlösungswerk in den Himmel aufgenommen werden. Das Haupt musste im Himmel sein, bevor der Leib auf der Erde gebildet werden konnte. Bei seiner Himmelfahrt hat Gott Christus als verherrlichten Menschen zum Haupt über alle Dinge gemacht (Eph 1,20-22). Als solcher ist Er auch das Haupt der Versammlung geworden (s. Kol 1,18). Vom Himmel aus sandte Er den Heiligen Geist herab, durch den alle Erlösten zu einem Leib getauft worden sind (1. Kor 12,13; vgl. Joh 7,39; 16,7).
Die Versammlung ist auch keine irdische, sondern eine himmlische Körperschaft. Ihr Platz ist dort, wo Christus, ihr Haupt, sich jetzt schon befindet. Haupt und Leib gehören zusammen. Deshalb ist die unmittelbare Erwartung des Wiederkommens Christi zur Heimholung der Seinen fester Bestandteil unseres Glaubens. Erst dann werden Haupt und Leib für immer sichtbar eins sein. Bis zu dem Augenblick, wenn Er kommt, verkündigen wir auf der Erde durch das Brechen des einen Brotes und das Trinken des Kelches den Tod des Herrn und stellen die Einheit des Leibes dar (1. Kor 11,26; 10,16.17).
Christus als unser Haupt im Himmel ist sowohl die Quelle als auch das Ziel des geistlichen Wachstums der Versammlung und aller ihrer Glieder. Das wird uns in Epheser 4,11-16 gezeigt. Geistliches Wachstum besteht in erster Linie darin, dass wir innerlich heranwachsen zu Christus, unserem Haupt, und Ihm ähnlicher werden. Geistliches Wachstum besteht nicht darin, möglichst viel Wissen zu erwerben. Johannes der Täufer hat geistliches Wachstum mit den einfachen Worten umschrieben: „Er muss wachsen, ich aber abnehmen“ (Joh 3,30).
Das Bild der Versammlung als Leib Christi dient in erster Linie dazu, die unzertrennliche Verbindung zwischen dem Haupt und dem Leib zu verdeutlichen. Aber es gibt einen bedeutsamen Unterschied. Anders als beim menschlichen Körper steht jedes Glied in unmittelbarer Beziehung zum Haupt, und nur der Leib muss zur Vervollkommnung heranwachsen, nicht das Haupt im Himmel, das ja vollkommen ist. Von Ihm geht ja das geistliche Wachstum des Leibes aus, und zu Ihm führt es auch hin.
Dazu muss jeder Gläubige an dem ihm gegebenen Platz die ihm zufallende Aufgabe in Abhängigkeit von Ihm in Liebe zu allen anderen erfüllen. Die Liebe zu Christus, unserem Haupt, und zueinander ist überhaupt die wesentliche Voraussetzung zu wahrem geistlichen Wachstum der Versammlung.
Diese Mitteilungen über das Wachstum der Versammlung sind keine Theorie, sondern Wahrheit. Das bedeutet, dass sie auch dann gültig bleibt, wenn viele Kinder Gottes sie nicht mehr kennen oder beachten. Gerade deshalb werden wir aufgefordert, nicht mehr „Unmündige [zu] sein, hin und her geworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre, die durch die Betrügerei der Menschen kommt, durch ihre Verschlagenheit zu listig ersonnenem Irrtum“ (Eph 4,14). Leider ist im Lauf der Zeit gerade das eingetreten. Sehr vieles in der Christenheit ist in der Praxis nicht mehr so, wie es nach Gottes Wort und Willen sein sollte. Trotzdem wird der Plan Gottes nicht ungültig, wonach alles „wohl zusammengefügt“ ist (Eph 4,16).
Wenn uns hier auch keine vollkommene Versammlung gezeigt wird (die es auf der Erde nicht gibt), wäre es jedoch falsch, zu meinen, Gläubige könnten sich nicht mehr in allem nach dem Wort Gottes richten und entsprechend zusammenkommen. Die richtige Schlussfolgerung aus diesem Abschnitt ist, den Willen des Herrn zu erkennen und in aller Einfachheit im Aufblick zu Ihm, dem Haupt, zu handeln. Was für ein Zeugnis wäre das für den Herrn Jesus und die Wahrheit seines Wortes! Wie würde es das Herz Gottes erfreuen, wenn Einheit und Wachstum des Leibes in der Praxis auf der Erde sichtbar würden, wenn alle Gläubigen sich der Tatsache bewusst wären, dass sie dazugehören, und sich als Glieder dieses einen Leibes verhielten, und alles von Ihm erwarteten! Lasst uns diese Wahrheit mehr erforschen, uns daran erfreuen und versuchen, sie in Abhängigkeit vom Herrn zu verwirklichen. Nicht die Anzahl der Geschwister ist unsere Legitimation, sondern das heilige Wort Gottes.
Die Darstellung der Einheit
In der Versammlung sollen nicht nur Gottes Wesenszüge Licht und Liebe zum Ausdruck kommen, sondern auch die Einheit. Obwohl die Glieder der Versammlung in Korinth nur ein Teil des Leibes Christi auf der Erde waren, schrieb Paulus seinen Brief „der Versammlung Gottes, die in Korinth ist“, und sagte von ihr: „Ihr seid Christi Leib“ (1. Kor 1,2; 12,27). Beide Bezeichnungen gelten in erster Linie für die Gesamtheit aller Gläubigen sowie für alle zu einem bestimmten Zeitpunkt auf der Erde lebenden Gläubigen (Eph 1,23; 4,4). Und doch werden sie auch auf die örtliche Versammlung angewandt.
Die Versammlung in Korinth war nach den Gedanken Gottes der Ausdruck der Versammlung, des Leibes Christi, in dieser Stadt. Das ist wichtig. Die Versammlung an einem Ort kann und darf nicht von der Gesamtheit aller Christen, dem Leib Christi, getrennt gesehen werden. Sie ist nicht unabhängig von den übrigen Gläubigen, sondern im Gegenteil untrennbar mit ihnen verbunden. Ja, noch mehr: Die örtliche Versammlung, die in Übereinstimmung mit dem Wort Gottes zusammenkommt, ist die von Gott dazu bestimmte Repräsentation der Versammlung auf der Erde.
Die Einheit der Versammlung, gesehen als Leib Christi auf der Erde, kommt sichtbar beim Brechen des Brotes zum Ausdruck: „Der Kelch der Segnung, den wir segnen, ist er nicht die Gemeinschaft des Blutes des Christus? Das Brot, das wir brechen, ist es nicht die Gemeinschaft des Leibes des Christus? Denn ein Brot, ein Leib sind wir, die Vielen, denn wir alle nehmen teil an dem einen Brot“ (1. Kor 10,16.17). Die Gemeinschaft am Tisch des Herrn wird durch die Teilnahme an den beiden Zeichen des Todes Christi zum Ausdruck gebracht. Das eine Brot ist zugleich Darstellung der Einheit des Leibes, die durch das Erlösungswerk Christi und das Herabkommen des Heiligen Geistes entstanden ist. Wahre christliche Gemeinschaft beruht auf der Grundlage der Einheit der Versammlung.
Das zeigt sich auch an den praktischen Ermahnungen des Neuen Testaments, von denen zwei uns noch kurz beschäftigen sollen.
- Epheser 4,25: „Deshalb, da ihr die Lüge abgelegt habt, redet Wahrheit, jeder mit seinem Nächsten, denn wir sind Glieder voneinander.“ Alle Erlösten bilden gemeinsam den Leib Christi auf der Erde und sind nicht nur Glieder dieses Leibes, sondern auch „Glieder voneinander“. Bedenken wir das immer im Umgang miteinander? Die Glieder unseres Körpers würden sich gegenseitig nie schaden, denn sie würden letzten Endes sich selbst schaden. „Wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit“ (1. Kor 12,26). Wie wenig bedenken wir jedoch, dass wir als Gläubige Glieder voneinander sind! Wenn uns das mehr bewusst wäre, würde manches nicht vorkommen, ob es sich um Unwahrheiten, Unaufrichtigkeit oder böse Reden handelt.
- Kolosser 3,15: „Und der Friede des Christus regiere in euren Herzen, zu dem ihr auch berufen worden seid in einem Leib.“ Der Friede des Christus ist der Friede, den Er in allen Umständen genoss, als Er auf der Erde war (vgl. Joh 14,27). Zu diesem Frieden sind wir berufen, und zwar, wie der Apostel schreibt, in einem Leib. Es handelt sich also nicht um etwas, das jeder für sich allein genießen soll, als ob er nichts mit anderen Christen zu tun hätte. Im Gegenteil: Wie die Liebe soll auch der Friede des Christus uns praktisch miteinander verbinden, und zwar, weil wir Glieder des einen Leibes Christi sind.
W. Kelly schreibt dazu: „Angenommen zum Beispiel, etwas Schmerzliches beunruhigt mich betreffs jemand, der mit uns das Brot bricht: Sollte ich mich dadurch dermaßen aus der Fassung bringen lassen, dass ich es vorziehe, lieber nicht zum Tisch des Herrn zu gehen? Gewiss nicht. Das hieße nur, dem einen Unrecht ein zweites hinzufügen. Denn wenn es für mich recht wäre, abseits zu stehen, so müsste das auch für andere der Fall sein. Nie sollte ich der Beunruhigung über solche Dinge erliegen, sondern auch in Bezug darauf den Frieden des Christus in meinem Herzen regieren lassen. Für Christus gibt es in allen Sachen allezeit einen Ausweg“ („Bemerkungen über den Brief an die Kolosser“, Christliche Schriftenverbreitung; S. 95-96).
Da ist ein Leib und ein Geist, wie ihr auch berufen worden seid in einer Hoffnung eurer Berufung.
Epheser 4,4
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