Biblische Lebensbilder

Esra – mehr als eine Führungsperson

Wir kennen Esra nicht nur als Autor des nach ihm benannten Buchs, wo er als bemerkenswerte Führerpersönlichkeit vorgestellt wird. Die Bibel zeigt uns diesen Mann vielmehr auch als einen Glaubenshelden, der bleibende Segensspuren hinterlassen hat.

Nachfolgend acht Punkte, in denen Esra uns Vorbild sein kann:

  1. Esra interessierte sich für seine Abstammung und kannte seine Herkunft (Esra 7,1-5). Bei anderen Zeitgenossen Esras war dies nicht der Fall (Esra 2,62). Offensichtlich hatten sich diese Männer in Babel nicht sonderlich dafür interessiert, weil es ihnen unwichtig erschien. Der Grund mag der fehlende Tempel und Tempeldienst gewesen sein. Esra war anders. Er wusste genau, woher er kam. Für uns ergibt sich daraus die Frage, ob uns unsere Stellung als „auserwähltes Geschlecht“ als „königliche Priesterschaft“ und „heilige Nation“ wichtig ist oder nicht (1. Pet 2,9). Gott legt Wert darauf, dass wir wissen, wer wir sind.
  2. Esra war priesterlicher Abstammung (Esra 7,1-5). Doch er gab sich mit dieser „Stellung“ nicht zufrieden, denn er wurde ein kundiger Schriftgelehrter (Esra 7,6). Das bedeutete nicht nur, dass er – im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen – lesen und schreiben konnte, sondern dass er sich für das Gesetz seines Gottes interessierte. Ein kundiger Schriftgelehrter wurde niemand durch Geburt, sondern diesen Titel musste man sich durch Fleiß erarbeiten. Esra tat das. Er hatte sein Herz darauf gerichtet, das Wort Gottes zu erforschen (Esra 7,10). Wir wollen von Esra lernen, ein echtes Interesse für Gottes Gedanken zu haben. Das Studium der Schriften (für uns die Bibel) war für ihn keine Kopfsache und auch keine lästige Pflicht, sondern eine Herzenssache.
  3. Esra kannte nicht nur das Gesetz seines Gottes, sondern es war ihm ebenso eine Herzenssache, das Gesetz zu tun (Esra 7,10). Er wollte dem Wort Gottes gehorsam sein. Für uns wollen wir lernen, dass es nicht nur darauf ankommt, das Wort Gottes zu kennen. Wichtig ist vielmehr, dass wir von Herzen wünschen, das Wort Gottes in unsere Lebenspraxis umzusetzen. Wir wollen den Gedanken Gottes in unserem Leben  -persönlich, als Familie, als Volk Gottes – Rechnung tragen (Jak 1,22).
  4. Esra hatte den Wunsch, in Israel Satzung und Recht zu lehren (Esra 7,10). Esra war kein Prophet, der neue Offenbarungen von Gott bekam. Darin unterschied er sich von den Propheten Haggai und Sacharja, die kurze Zeit vor ihm unter dem Volk geweissagt hatten. Sein Anliegen war es vielmehr, das bekannte Gesetz (Wort) Gottes dem Volk nahezubringen und die Juden zu ermutigen, diesem Wort zu folgen. Er wollte Bekanntes wieder in den Fokus rücken. Wir sehen das sehr deutlich im Buch Nehemia, wo Esra das Wort Gottes vor die Ohren des Volkes bringt (Neh 8). Auch darin ist er für uns ein Beispiel. Wenn wir das Wort Gottes kennen, lieben und tun, kann Gott uns gebrauchen, es anderen nahezubringen. Das beginnt in der eigenen Familie und setzt sich im Volk Gottes fort.
  5. Esra war ein Mann des Gebets. Sowohl in Kapitel 9,5 als auch in Kapitel 10,1 finden wir ihn im Gebet vor seinem Gott -und zwar in tiefer Trauer über die Missstände im Volk Gottes. Im Gebet identifizierte er sich mit der Not seines Volkes. Darin gleicht er Daniel und Nehemia (vgl. Dan 9, Neh 9). Männer und Frauen Gottes sind immer davon geprägt, dass sie die Not des Volkes Gottes zu ihrer eigenen Not machen und sie im Gebet vor Gott bringen.
  6. Esra genoss das Vertrauen des heidnischen Königs. Er wird von Artasasta ein „vollkommener Schriftgelehrter“ genannt (Esra 7,12). Der König wusste, dass das Gesetz seines Gottes in seiner Hand war (Esra 7,14) und dass Gottes Weisheit bei ihm zu finden war (Esra 7,25). Paulus sagt von einem Aufseher, dass er „ein gutes Zeugnis haben muss von denen, die draußen sind“ (1. Tim 3,7). Im erweiterten Sinn gilt das für jeden Christen. Es sollte unser Wunsch sein, dass man uns in unserem Umfeld – in der Nachbarschaft und im beruflichen Umfeld – als solche kennt, für die das Wort Gottes der Maßstab ihres Verhaltens ist.
  7. Esra war ein demütiger und zugleich mutiger und konsequenter Mann. Er führte alles auf die „gute Hand Gottes“ zurück, von dem er alles erwartete. In der gleichen demütigen Gesinnung finden wir ihn im Gebet, um die Sünden des Volkes zu bekennen. Seine Demut machte ihn jedoch nicht handlungsunfähig. Im Gegenteil: Wenn es darauf ankam, war Esra bereit, gegen den Strom zu schwimmen, Missstände anzuprangern und Widerstände zu überwinden.
  8. Esra war ein hingebungsvoller Mann. Er bewies große Liebe für seinen Gott, für das Volk Gottes und für das Haus Gottes. In seinem Eifer war er zugleich ein Vorbild für andere, die ihm folgten. Der Vorwurf Haggais an den Überrest, nur mit ihren eigenen Interessen beschäftigt zu sein, traf auf Esra nicht zu (vgl. Hag 1,2-11). Dieser Eifer für Gott, für das Volk Gottes und für die Versammlung (das Haus) Gottes sollte uns ebenfalls kennzeichnen. Der Herr fordert seine Jünger – und damit uns – auf, die Prioritäten richtig zu setzen (Mt 6,33).

Esra war ein alttestamentlich Gläubiger. Dennoch trifft auf ihn zu, was der Schreiber des Hebräerbriefs von den neutestamentlichen Führern im Volk Gottes sagt: „Gedenkt eurer Führer, die das Wort Gottes zu euch geredet haben, und, den Ausgang ihres Wandels anschauend, ahmt ihren Glauben nach“ (Heb 13,7).

 

Ernst-August Bremicker

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2022, Heft 3, Seite 3

Bibelstellen: Esra 2,62; 7,1-6.10.12.14.25; 9,5; 10,1; 1. Petrus 2,9; Jakobus 1,22; 1. Timotheus 3,7; u. a.;

Stichwörter: Führung, kennen, lehren, Tun, Umfeld, Wissen