Glaubensleben

Das Gebet im Verborgenen

Wir haben keine Zeit zum Beten – wir müssen sie uns nehmen.

„Du aber, wenn du betest, so geh in deine Kammer, und nachdem du deine Tür geschlossen hast, bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist, und dein Vater, der im Verborgenen sieht, wird es dir vergelten“ (Mt 6,6).

Der Mangel an Zeit für das verborgene Gebet in der Kammer ist die Ursache dafür, dass vielfach so wenig Lebenskraft zu sehen ist und das „Fleisch“ die Oberhand hat.

Das muss anders werden. Wollen wir nicht für einen gründlichen Wandel in den Gewohnheiten des Volkes Gottes beten? In solchem Gebet kann uns niemand vertreten; ein anderer kann es ebenso wenig für uns tun, als unser Leib dadurch gedeihen kann, dass jemand an unserer statt Nahrung zu sich nimmt. Jeder Einzelne muss im Verborgenen ringen; die Gebetsstunde genügt nicht hierzu, obwohl sie gewiss ein gesegnetes Vorrecht ist.

Das vernachlässigte Gebet

Wie viele mag es geben, die das verborgene Gebet allmählich aufgegeben haben, bis ihre Gemeinschaft mit Gott so völlig unterbrochen ist, als ob es für sie überhaupt keinen Gott mehr gäbe. Das ist kein bloßes Gerede; jeder, der ein wenig unter den Heiligen herumkommt, wird das aus Erfahrung kennen. Dass Gott seine Beter hat, glauben wir – ja, wir freuen uns, es zu wissen. Er ist nie ohne Treue gewesen, die Tag und Nacht zu Ihm schreien, wenn sie auch nur einen Überrest ausmachen.

Doch die schreckliche, abwärtsgehende Strömung dieser letzten Tage reißt viele mit sich fort, ja sogar viele vom Volk Gottes; und der große Feind der Seelen konnte auf keine tödlicher wirkende List verfallen, um die Heiligen zu verkaufen, als die, dass er sie um die Unterstützung des Thrones der Gnade brachte. Wenn das Gebet im Verborgenen matt wird, so ist das Haupt krank und das Herz siech (vgl. Jes 1,5). Der Mangel an verborgenem Gebet verrät ein geringes Verlangen nach himmlischer Speise. Wem die Kammer fremd wird, der wird eine leichte Beute der Versuchung; bei jeder Gelegenheit erringt Satan einen Vorteil über ihn. Nichts geht seinen rechten Gang, alles ist einem dann entgegen, denn der Pfad, der eine Seele von Gott wegführt, ist dornig. Wenn ein Bruder ein- oder zweimal nicht in der Gebetsversammlung ist, so kann man mit ihm darüber reden und ihn ermahnen, weil seine Abwesenheit auffällt. Sein Fehlen in der Kammer aber entzieht sich deiner Beobachtung, dann fühlst du nur, wenn du mit ihm in Berührung kommst, dass etwas sein geistliches Leben untergräbt. Wer aber wird den ewigen Verlust ermessen, den die Vernachlässigung des verborgenen Gebets mit sich bringt?

Die gelebte Gemeinschaft

Wie ganz anders steht es mit denen, die eifrig darüber wachen, dass der Herr immer sein Teil bekommt. Ihr Ein- und Ausgehen, ihr ganzes Leben beweist, dass sie dort waren, wo der himmlische Tau fiel. Ihr Vater, der es im Verborgenen sah, lohnt es ihnen öffentlich. Wohin sie kommen, bringen sie, obwohl sie sich dessen nicht bewusst sind, die Ruhe jener verborgenen Stätte mit sich, wo sie Gott allezeit danken und mit Ihm wie mit einem Freund reden. Man spürt bei solchen etwas Einzigartiges; und es ist zu befürchten, dass es nur wenige ihrer Art gibt, wenige gegenüber den vielen, die dahineilen und denen die Kammer und die Stunde mit Gott allein fremd sind. So ist es denn kein Wunder, dass Heilige so weltlich werden, wie es eigentlich nur ein Weltmensch sein kann. Und auch das ist kein Wunder, wenn es vergebliche Mühe zu sein scheint, ihnen die einfachsten Vorschriften des Wortes Gottes ans Herz zu legen. Doch Das Geheimnis des HERRN ist für die, die ihn fürchten (Ps 25,14). Abraham, der in enger Gemeinschaft mit Gott war, kannte das Schicksal Sodoms, lange bevor die Einwohner dieser Stadt auch nur im Traum an eine Gefahr dachten. Und derselbe Abraham war es auch, der sich beeilte und frühmorgens aufstand, um nach dem Befehl des Herrn Isaak zu opfern, obwohl dadurch seine innigsten natürlichen Bande zerrissen würden. Männer der Gemeinschaft waren Männer des Gehorsams. Und Männer des Gebets sind es gewesen, die zu aller Zeit den Arm der Allmacht Gottes zum Eingreifen bewegten. Gottesmänner, die dem Anschein nach es am wenigsten nötig hatten, für sich selbst zu beten – gerade ihnen war die einsame Kammer am wertvollsten.

Schlussgedanken

Und unser größtes Vorbild, der Herr Jesus selbst, war ein Mann des Gebets. Wir lesen von Ihm, dass Er lange vor Tagesanbruch aufstand und an einen stillen Ort ging, um zu beten. Lasst uns Ihm folgen, wohin immer Er geht. Wenn Er des Beistands der himmlischen Macht bedurfte, um Ihn in der Stunde der Drangsal zu stärken, wie viel mehr wir! In dieser überaus wichtigen Sache sollte keine Unklarheit herrschen.

Lasst uns den Kindern Gottes gegenüber auf das Gebet im Verborgenen dringen, denn es ist ein Haupterfordernis des geistlichen Lebens! Der Vater sieht ins Verborgene und wird öffentlich vergelten. Nutzlos und fruchtleer bleibt der größte Dienst, wenn er nicht im verborgenen Gebet seinen Ausgang und seine Quelle hat. Möchte sich jeder von uns die Frage stellen: Liebe ich die verborgene Stätte, um mit dem Herrn zu reden, meine Kraft zu erneuern, mit Gott zu ringen und zu siegen?

J. N. Darby

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2024, Heft 4, Seite 25

Bibelstellen: Matthäus 6,6; Jesaja 1,5; Psalm 25,14;

Stichwörter: Gebet, Gemeinschaft, Herr Jesus, Kraft, reden, verborgen