Gesänge in der Nacht
„Wegen der Menge der Bedrückungen schreit man; man ruft um Hilfe wegen des Armes der Großen. Aber man spricht nicht: Wo ist Gott, mein Schöpfer, der Gesänge gibt in der Nacht, der uns mehr belehrt als die Tiere der Erde und uns weiser macht als die Vögel des Himmels?“ (Hiob 35,9-11).
Hiob war irritiert darüber, dass Gott nicht eingreift, wenn Menschen unter Schmerzen ächzen und die Seele der Verwundeten schreit (Hiob 24,12). Elihu zeigte ihm, woran das liegt: Die Leidenden klagen zwar über das erlittene Unrecht und sehnen sich nach Hilfe, aber sie suchen nicht das Angesicht Gottes – und erhalten deshalb keine Antwort von Ihm (Hiob 35,12.13). Menschen mit bösem Herzen werden in der Not zornig; sie bitten Gott nicht um Hilfe, wenn sie gefesselt sind (Hiob 36,13). Elihu erinnerte Hiob daher daran, dass weder Schreien noch alle Kraftanstrengungen ihn aus der Bedrängnis befreien könnten (Hiob 36,19). Vielmehr sollte er auf Gott harren und seine Taten erheben (vgl. Hiob 35,14; 36,24).
Paulus und Silas
Wie man in einer schwierigen Lage auf Gott vertrauen kann, zeigt Apostelgeschichte 16 sehr eindrücklich. Dort wird berichtet, wie die angeblichen Unruhestifter Paulus und Silas in Philippi gefangen genommen wurden. Ohne ein faires Gerichtsverfahren wurden sie mit Ruten geschlagen und anschließend vom Gefängniswärter in das Innerste des Kerkers geworfen, wo ihre Füße in einen Holzblock geschlossen wurden (Apg 16,19-24).
Sie erlebten durch den „Arm der Großen“ eine „Menge von Bedrückungen“ – und doch schrien sie nicht empört, sondern sie suchten den Gott, der Gesänge gibt in der Nacht. Sie konnten zwar nicht …
• … musizieren, wie Asaph es in seinen glücklichen Tagen nachts getan hatte (Ps 77,7), denn ihnen stand kein Instrument zur Verfügung.
• … wie ein Psalmendichter um Mitternacht aufstehen, um Gott zu preisen (Ps 119,62), denn ihre Füße steckten im Block.
• … auf ihren Lagern jauchzen, wie es ein Psalmendichter empfiehlt (Ps 149,5), denn sie hatten kein Bett.
Aber sie konnten beten und singen: „Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobsangen Gott; die Gefangenen aber hörten ihnen zu“ (Apg 16,25). Was für ein mächtiges Zeugnis war dieses vertrauensvolle Gebet und der freudige Gesang dieser beiden Männer im dunklen Gefängnis!
Gott antwortete auf ihren Glauben in einer wunderbaren Weise: Ein Erdbeben erschütterte das Gefängnis, alle Türen öffneten sich und sämtliche Fesseln wurden gelöst. Doch das noch größere Wunder war, dass das Herz des Gefängniswärters bewegt wurde und er sich mit seiner ganzen Familie in dieser denkwürdigen Nacht dem Herrn Jesus zuwandte. So konnten Paulus und Silas, die kurze Zeit vorher noch im größten Elend saßen, mit einer nun glücklichen Familie christliche Gemeinschaft erleben. Am nächsten Tag wurden die beiden Diener Gottes ehrenhaft entlassen (vgl. Apg 16,26-40).
In der Nacht der Leiden
Was machen wir, wenn uns Unrecht widerfährt oder Probleme uns bedrücken? Begehren wir auf? Schreien wir empört? Suchen wir Hilfe bei Menschen? Das Vorbild von Paulus und Silas spornt uns an, gerade dann nach unserem Gott zu fragen. Wenn wir in der Nacht unserer Leiden zu Ihm beten, wird unser Herz erleichtert, und wir können unserem Herrn ein Loblied singen. Das ehrt unseren Gott und richtet uns innerlich neu aus: Trost und Hoffnung erfüllen uns.
Der Herr möchte uns die Erfahrung schenken, die die Söhne Korahs gemacht haben, als sie von ihren Feinden verhöhnt wurden: „Am Tag wird der Herr seine Güte entbieten, und bei Nacht wird sein Lied bei mir sein, ein Gebet zu dem Gott meines Lebens“ (Ps 42,9). Wenn wir uns so im Glauben auf Gott stützen, wird sich unsere gebeugte Seele wieder erheben, und wir werden geduldig auf die Hilfe Gottes warten (vgl. Ps 42,12). Und vielleicht ist seine Rettung ja näher, als wir denken!
Erinnere dich daran, dass du sein Tun erhebst, das Menschen besingen.Hiob 36,24