Glaubensleben

Kleiner werden

„Er muss wachsen, ich aber abnehmen.“ (Joh 3,30)

Die Person des Herrn Jesus soll in unseren Augen immer größer werden – und wir selbst immer kleiner. Das erste bedingt das zweite, und das zweite ist die Folge des ersten. Je mehr wir an Ihn denken, desto weniger denken wir an uns, und je mehr wir auf Ihn sehen, desto weniger sehen wir auf uns. In dem Maß, wie der Herr Jesus in unserem Leben größer wird, werden wir immer kleiner werden, und in dem Maß, wie unsere eigene Person kleiner wird, wird seine Person immer größer werden.

Dieses „Kleiner werden“ der eigenen Person haben uns einige Menschen im Neuen Testament vorgelebt.

Johannes der Täufer

„Und dies ist das Zeugnis des Johannes, als die Juden aus Jerusalem Priester und Leviten zu ihm sandten, damit sie ihn fragen sollten: Wer bist du? Und er bekannte und leugnete nicht, und er bekannte: Ich bin nicht der Christus. Und sie fragten ihn: Was denn? Bist du Elia? Und er sagt: Ich bin es nicht. – Bist du der Prophet? Und er antwortete: Nein“ (Joh 1,19-21).

Als Johannes der Täufer von Priestern und Leviten gefragt wurde, wer er sei, antwortete er nur knapp, dass er nicht der Christus sei. Als die Fragesteller sich mit dieser Antwort nicht zufriedengaben und weiter fragten, wurden die Antworten von Johannes immer einsilbiger und mündeten schließlich in ein simples „Nein“.

Die Antworten des Johannes zeigen, dass er nicht gerne über sich selbst sprach, sondern es vorzog, über den zu sprechen, der sein Herz erfüllte: Christus. Hier verwirklichte Johannes, was er später den Juden vorstellte: „Er muss wachsen, ich aber abnehmen“. Auch als später Jünger von ihm weggingen und Jesus nachfolgten, war es für ihn kein Problem (Joh 3,26).

Johannes, der andere Jünger

„Am folgenden Tag stand Johannes wieder da und zwei von seinen Jüngern, und hinblickend auf Jesus, der da wandelte, spricht er: Siehe, das Lamm Gottes! Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach. Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und spricht zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sagten zu ihm: Rabbi (was übersetzt heißt: Lehrer), wo hältst du dich auf? Er spricht zu ihnen: Kommt und seht! Sie kamen nun und sahen, wo er sich aufhielt, und blieben jenen Tag bei ihm. Es war um die zehnte Stunde. Andreas, der Bruder des Simon Petrus, war einer von den zweien, die es von Johannes gehört hatten und ihm nachgefolgt waren“ (Joh 1,35-40).

Johannes stellt sich in seinem Evangelium und in seinen Briefen nicht als Verfasser vor. Wenn er sich überhaupt nennt, dann spricht er von sich als „der andere Jünger“ oder „der Jünger, den Jesus liebte“. Zeigt dies nicht etwas von der Haltung, die er seiner eigenen Person gegenüber einnahm? Der, der uns in seinem Evangelium die strahlende Herrlichkeit des eingeborenen Sohnes Gottes vorstellt, wollte sich angesichts der Größe dieser Person nicht mit seinem eigenen Namen nennen.

Wenn Johannes in seinem Evangelium über seine allererste Begegnung mit Jesus schreibt, erwähnt er nur Andreas namentlich, sich selbst nicht. Seine Beschreibung dieser Begebenheit strahlt etwas von der Herrlichkeit des Lammes Gottes wieder. Angesichts der alles überstrahlenden Herrlichkeit des Herrn Jesus bezeichnet Johannes sich und Andreas nur als „zwei Jünger“.

Der Schreiber des Hebräerbriefs

„Nachdem Gott vielfältig und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat in den Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet im Sohn“ (Heb 1,1.2).

Der Brief an die Hebräer beginnt im griechischen Grundtext mit dem Begriff „Gott“. Er hat sich in seinem Sohn Jesus Christus völlig offenbart. Von Ihm geht jeder Segen aus.

Neben Johannes 1 und Kolosser 1 ist das erste Kapitel des Hebräerbriefs eins der wenigen Kapitel, in denen die persönlichen Herrlichkeiten des Herrn Jesus in besonderer Weise gezeigt werden. In den ersten drei Versen finden wir sieben Herrlichkeiten des Sohnes Gottes. Um alles zu vermeiden, was dieses beeindruckende Bild von der Größe Gottes und der Herrlichkeit des Sohnes Gottes trüben könnte, tritt der Schreiber dieses Briefs – vermutlich Paulus – zurück und erwähnt sich nicht namentlich. Paulus, „der Kleine“, zeigt an dieser Stelle einmal mehr, dass er gelernt hat, in den Hintergrund zu treten. Christus wurde in seinem Leben immer größer, er selbst aber immer kleiner.

Daniel Melui

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2025, Heft 6, Seite 11

Bibelstellen: Johannes 1,19-21.35-40; 3,26.30; Hebräer 1,1.2; Kolosser 1;

Stichwörter: abnehmen, der andere Jünger, Johannes der Täufer, kleiner werden, wachsen