Gott / Jesus Christus

Der König wird kommen

„Frohlocke laut, Tochter Zion; jauchze, Tochter Jerusalem! Siehe, dein König wird zu dir kommen: Gerecht und ein Retter ist er, demütig und auf einem Esel reitend, und zwar auf einem Fohlen, einem Jungen der Eselin“ (Sach 9,9).

Jeder hat schon diese wunderbare Schriftstelle gelesen und ihre beeindruckende Erfüllung in den Evangelien bemerkt, aber nicht jedem sind die charakteristischen Unterschiede in den Zitaten im Matthäus- und Johannesevangelium aufgefallen. Wir
wenden uns zuerst der Stelle in Matthäus zu, wo wir lesen: „Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir, sanftmütig und auf einer Eselin reitend, und zwar auf einem Fohlen, einem Jungen des Lasttiers“ (Mt 21,5).

Wir überspringen den bedeutsamen Wechsel von „Frohlocke laut“ zu „Sagt der Tochter Zion“ und bitten den Leser, die Weglassung der Worte „gerecht und ein Retter“ zu beachten. Warum werden sie nicht zitiert? Weil sie nicht auf die damaligen Umstände des Heilands anwendbar waren. Er war auf dem Weg in die sichere Verwerfung, und obwohl es immer wahr ist, dass Er der Retter für diejenigen ist, die ihr Vertrauen auf Ihn setzen, brachte Er doch der Tochter Zion zu diesem Zeitpunkt keine Rettung. Auch zeigte Er sich ihr nicht als der Gerechte; denn wenn Er zu diesem Zeitpunkt in Gerechtigkeit in ihre Tore eingezogen wäre (wie Er es tun wird, wenn Er das Reich aufrichtet), hätte das ihr Gericht bedeutet. Der Heilige Geist ließ daher den Evangelisten diese Worte auslassen; „sanftmütig“ (o. „demütig“) hingegen ließ Er stehen, denn das war charakteristisch für die Gesinnung, in der Christus sich seinem Volk in der letzten Zeit vor seinem Kreuz zeigen würde (auch wenn es immer sein Charakter ist und bleibt).

„Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir, sanftmütig und auf einer Eselin reitend, und zwar auf einem Fohlen, einem Jungen des Lasttiers.“ Mt 21,5

Wenn wir uns nun das Zitat im Johannesevangelium vornehmen, heißt es dort: „Fürchte dich nicht, Tochter Zion! Siehe, dein König kommt, sitzend auf einem Eselsfohlen“ (Joh 12,15). Hier fehlt, zusätzlich zu den Weglassungen von Matthäus, auch das Wort „sanftmütig“ (o. „demütig“). Den Grund dafür finden wir im Charakter des Johannesevangeliums. Es stellt Jesus als den Sohn Gottes vor, und in Übereinstimmung damit wird deshalb das Wort „demütig“ nicht verwendet. Was für eine vollkommene Weisheit zeigt sich in diesen Unterschieden in der Schrift! Unterschiede, die so tiefgründig sind, dass dem gottesfürchtigen Leser ihr göttlicher Ursprung nicht entgehen kann.

„Fürchte dich nicht, Tochter Zion! Siehe, dein König kommt, sitzend auf einem Eselsfohlen.“ Joh 12,15

Doch eine Bemerkung zu der Erfüllung der Weissagung Sacharjas sei noch hinzugefügt. Ein Teil hat sich bereits erfüllt: Zions König ist gekommen, demütig und auf einem Esel reitend. Der Rest wird sich erfüllen, wenn Er in Herrlichkeit nach Zion zurückkehrt. Dann wird Er als „gerecht“ und als „Retter“ gesehen werden, und dann wird auch Zion „laut frohlocken“ und die Tochter Jerusalems „jauchzen“. Die ganze Kirchengeschichte muss demnach zwischen diesen beiden Teilen der Prophezeiung liegen. Beide Teile hätten sich bei seinem ersten Kommen erfüllt, wenn Israel Ihn als seinen Messias angenommen hätte. Das lehrt uns auch, dass seine Sanftmut oder Demut ausdrücklich eine moralische Eigenschaft und deshalb bleibend ist – sie ist nicht nur ein Merkmal seines Erdenlebens, als Er der Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut war. Es ist vielmehr eine Eigenschaft seiner vollkommenen Natur als Mensch; und deshalb ist Er jetzt, wenn Er in der Herrlichkeit zur Rechten Gottes sitzt, genauso der Sanftmütige oder Demütige wie damals, als Er nichts hatte, wo Er sein Haupt hinlegen konnte.

Edward Dennett

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2018, Heft 1, Seite 7

Bibelstellen: Matthäus 21,12; Johannes 12,15

Stichwörter: Eselsfohlen, König, Zion