Dienst / Nachfolge

Die Arbeiter im Weinberg

In Matthäus 20 erzählt der Herr ein bemerkenswertes Gleichnis, bei dem es um unsere Einstellung zum Dienst für Ihn geht. Anlass hierzu gab zweifellos die Frage des Petrus: „Siehe, wir haben alles verlassen und sind dir nachgefolgt; was wird uns nun zuteilwerden?“ (Mt 19,27). In seiner Gnade hatte der Herr diese Frage beantwortet und den Jüngern mitgeteilt, dass sie im zukünftigen Reich einen besonderen Platz haben würden. Sie würden auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten. Außerdem würde jeder, der alles um seines Namens willen verlassen wird, reichlichen Lohn empfangen. Und dann fügt Er die ernste Warnung hinzu, dass viele Erste Letzte und Letzte Erste sein werden. Unser Gleichnis bildet nun die Fortsetzung hiervon. „Denn“, sagt Er, „das Reich der Himmel ist gleich einem Hausherrn, der frühmorgens ausging, um Arbeiter für seinen Weinberg anzuwerben“ (Mt 20,1).

Wir hören dann eine Beschreibung der verschiedenen Arbeiter, die zu unterschiedlichen Zeiten in den Weinberg geschickt werden. Doch eigentlich gibt es nur zwei Klassen: solche, die einen festen Lohn vereinbaren, und solche, die es dem Hausherrn überlassen, ihnen das zu geben, was Ihm gut erscheint. In der ersten Klasse sehen wir die „Ersten“ (die Letzte werden) und in der zweiten Klasse die „Letzten“ (die Erste werden). Die zunächst Ersten repräsentieren  zweifellos auch den Gedanken des Petrus, der in der Frage zum Ausdruck kommt: „Was wird uns nun zuteilwerden?“

Beide Gruppen haben ein unterschiedliches Motiv für die Ausübung ihres Dienstes. Die Arbeit der Ersten findet ihren Anreiz in dem erwarteten Lohn, während bei den Letzten der Wille des Hausherrn die Quelle ist, aus der alle Tätigkeit entspringt. Diese überlassen alles der Gnade, die sie berufen hat. Die einen denken an den Wert der geleisteten Arbeit, die anderen an den Hausherrn, für den sie ihren Dienst ausüben.

Diejenigen, die den Denar als Lohn vereinbart haben, sind, kurz gesagt, gesetzliche Diener, während jene, die dem vertrauen, der sie angeworben hat, unter der Kraft der Gnade stehen. Die einen tun ihre Aufgabe, um belohnt zu werden; für die anderen ist es ein Vorrecht, dem Herrn zu  dienen. Sie sehen den Wert ihrer Arbeit in der Person ihres Herrn, denn sie kennen etwas von der Gnade, die sie zu ihrem Dienst berufen hat.

Als der Verwalter abends im Auftrag seines Herrn mit den Arbeitern abrechnet, wird alles offenbar. Wie befohlen, beginnt er mit den Letzten und gibt jedem einen Denar. Die Ersten erhoffen sich nun einen größeren Lohn, da sie viel länger gearbeitet haben. Als sie ebenfalls nur einen Denar erhalten, sind sie verärgert. Doch die Antwort lautet, dass sie genau das bekommen haben, was sie ausgehandelt hatten. Und was die Belohnung der Letzten angeht: Hat der Hausherr nicht das Recht, mit dem Seinen zu tun, was er will? Blickt ihr Auge böse, weil er gütig ist? (vgl. Mt 20,14.15).

Die Erweisung von Gnade gegenüber anderen erregt im natürlichen Herzen stets Neid. Das war auch der Grund für den Widerstand der Juden, als das Evangelium den Nationen verkündigt wurde. Sie selbst lehnten die Gnade ab, wodurch sie, die „Ersten“, zu den „Letzten“ wurden.

Das ist die Belehrung dieses Gleichnisses. Diejenigen, die als Letzte die Arbeit im Weinberg angetreten hatten, gingen gesättigt von der Güte des Hausherrn nach Hause und wurden so zu „Ersten“, während jene, die als
Erste mit der Arbeit begonnen hatten, mit murrenden Lippen und einem verärgerten Herzen den Tag beendeten und somit die „Letzten“ in Bezug auf die Gnade wurden. Daher schließt der Herr mit denselben Worten, die Er dem Gleichnis vorangestellt hat: „So werden die Letzten Erste und die Ersten Letzte sein“, und fügt hinzu: „Denn viele sind Berufene, wenige aber Auserwählte“ (vgl. Mt 19,30; 20,16). Alle Arbeiter waren berufen, doch nur die Letzten waren auserwählt.

 

Edward Dennett

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2020, Heft 1, Seite 8

Bibelstellen: Matthäus 19,27; 20,1-16;

Stichwörter: arbeiten, erste, Gnade, Güte, Letzte, Lohn, Weinberg