Fragen und Antworten

Fragenbeantwortung: Derselbe Geist – und doch nicht einig?

Frage: Wenn alle Gläubigen durch den Heiligen Geist von neuem geboren worden sind, den Geist besitzen, mit Ihm versiegelt worden sind, von Ihm geleitet werden und der Geist unter ihnen wirkt, warum gibt es dann eine so große Uneinigkeit – und manchmal sogar Feindseligkeit – unter Gläubigen, besonders unter Gläubigen aus verschiedenen Gruppierungen?

Ein Widerspruch?

Diese Frage stimmt nachdenklich. Sie legt den Finger auf einen wunden Punkt. Alle gläubigen Christen haben denselben Geist – und doch lehren und praktizieren sie Dinge, die unvereinbar miteinander sind. Was die einen als vom Geist gewirkte Erneuerung feiern, sehen andere als Gefahr. Was die einen lehren, wird von den anderen als Irrtum zurückgewiesen. Wie ist das alles zu erklären, wenn doch alle gläubigen Christen denselben Geist Gottes besitzen, der sie leiten möchte?

Dieser scheinbare Widerspruch löst sich schnell auf, wenn wir einige Unterscheidungen beachten, die Gottes Wort selbst vornimmt. Es handelt sich nicht um einen Widerspruch in der Bibel (denn Gott widerspricht sich nicht), sondern vielmehr um eine Herausforderung, die mit unserer Lebenspraxis zu tun hat.

Einige Unterscheidungen

  • Neue Geburt: Es ist richtig, dass die neue Geburt durch den Heiligen Geist erfolgt. Er benutzt das Wort Gottes, lässt es auf ein Herz einwirken und bringt einen Menschen zur Umkehr. Deshalb spricht der Herr Jesus davon, dass man aus Wasser (Wort Gottes) und Geist (Heiliger Geist) geboren wird (Joh 3,5).
  • Versiegelung und Innewohnung: Es ist ebenfalls wahr, dass jeder, der das Wort der Wahrheit geglaubt hat, mit dem Heiligen Geist versiegelt worden ist (Eph 1,13) und dass der Heilige Geist in ihm wohnt (2. Tim 1,14). Das Bild der Versiegelung illustriert die Tatsache, dass ein Gläubiger „echt“ ist, dass er Gottes Eigentum ist und dass das unwiderruflich der Fall ist (Eph 4,30; vgl. Est 8,8).
  • Vom Heiligen Geist geleitet: Es ist ein Kennzeichen eines Gläubigen, dass er vom Geist geleitet wird (Röm 8,14). Aber das bedeutet nicht, dass ein Gläubiger in der Praxis immer durch den Heiligen Geist geleitet wird. Leider handeln wir, obwohl der Geist Gottes in uns wohnt, manchmal (viel zu oft) gegen seine Interessen und gegen seinen Willen. Wenn das der Fall ist, „betrüben“ wir Ihn (Eph 4,30).
  • Erfüllt mit dem Geist: Der Geist Gottes wohnt in jedem Gläubigen, aber nicht jeder Gläubige ist immer mit dem Geist erfüllt. Leider müssen wir davon ausgehen, dass wir es oft nicht sind. Paulus hielt es für nötig, sogar die Epheser – die in einem guten geistlichen Zustand waren – aufzufordern, mit dem Heiligen Geist erfüllt zu werden, obwohl sie längst versiegelt waren (Eph 1,13; 4,30; 5,18). Wie können wir mit dem Geist erfüllt werden? Das geschieht, wenn alle Hindernisse ausgeräumt werden, wenn wir alles verurteilen und bekennen, was dem Heiligen Geist nicht entspricht.
  • Das Wirken des Heiligen Geistes: Der Heilige Geist wirkt an und unter Gläubigen¹. Und Er ist souverän. Er wirkt, wie Er will (vgl. 1. Kor 12,11; Joh 3,8). Allerdings wirkt Er immer im Einklang mit Gottes Wort. Er selbst hat es eingegeben, hat es inspiriert (2. Sam 23,2; 2. Pet 1,21). Daher stellt sich die Frage, ob Phänomene, Praktiken und Lehren, die wir unter Gläubigen beobachten, tatsächlich durch den Heiligen Geist bewirkt werden. Der ultimative Test ist das Wort Gottes – nicht etwa andere Faktoren (so gut und richtig sie an sich auch sein mögen) wie etwa Wachstum, positive Gefühle oder empfundener Segen. Die Frage ist, ob das beobachtete Verhalten und die vorgestellten Lehren der Bibel entsprechen. Ist das nicht der Fall, kann es nicht vom Heiligen Geist gewirkt sein.

Die Antwort

Wenn diese Unterscheidungen erst einmal getroffen sind, lässt sich die Frage leichter beantworten: Alle wahren Gläubigen sind von neuem geboren und auch mit dem Geist versiegelt. Aber viele Gläubige lassen sich nicht (zu jeder Zeit) vom Geist leiten und sie sind nicht (zu jeder Zeit) mit dem Geist erfüllt.

Wenn es Uneinigkeit unter Gläubigen gibt, liegt dies daran, dass unsere alte Natur (das Fleisch, die in uns wohnende Sünde, siehe Römer 7,17.20) aktiv wird und wir uns nicht durch den Geist und das Wort Gottes leiten lassen.

Wie steht es mit Gruppierungen?

In der Frage fiel das Stichwort „Gruppierungen“. Darauf möchte ich kurz eingehen. Gemeint sind offensichtlich verschiedene christliche Benennungen, Denominationen oder kirchliche Wege. Es ist sehr wichtig zu verstehen, dass es nach Gottes Gedanken gar keine verschiedenen kirchlichen Wege geben sollte. Das war nie Gottes Absicht.

Am Anfang der Geschichte der Kirche (also am Pfingsttag und in den darauffolgenden Jahren) gab es nur einen einzigen kirchlichen Weg. Alle Gläubigen waren in Gemeinschaft miteinander. Sie waren ein Herz und eine Seele (Apg 4,32). Wenn Schwierigkeiten aufkamen, wie etwa fleischliches Verhalten oder fremde Lehre, wurden diese im Licht des Wortes Gottes besehen und gelöst (siehe Apg 5; Apg 6; Apg 15). Die Gläubigen lebten in glücklicher Gemeinschaft mit dem Herrn und in Harmonie miteinander (Apg 9,31). Man bewahrte die Einheit des Geistes (Eph 4,1-3) und war dem Wort gehorsam. Als die Gefahr bestand, dass sich unbiblische Lehren und Praktiken einschlichen, griffen die Apostel ein, um das zu verhindern (1. Kor 15; Gal 1-5, insbesondere Gal 5,7).

Aber im Lauf der Geschichte wurde eine Institution „Kirche“ geschaffen, mit menschlichem Oberhaupt (zunächst Kaiser Konstantin). Später, insbesondere nach der Reformation, wurden Hunderte, wenn nicht Tausende, von kirchlichen Organisationen und Benennungen ins Leben gerufen. Manche Trennungen entstanden, weil man in bestimmten Fragen der Lehre oder auch der Praxis nicht einig war. So gibt es heute eine Vielzahl an verschiedenen kirchlichen Wegen – ganz im Gegensatz zu dem, was Gott gegeben hatte, und zur Praxis am Anfang.

Und dazu gibt es (leider) viel Uneinigkeit, auch unter echten Gläubigen.

Was ist zu tun?

Wie sollen wir uns in dieser Situation verhalten? Folgende Anregungen möchten Hilfestellung geben:

  • UneinigkeitUneinigkeit entsteht, wenn nicht alle dem Geist Gottes folgen. Wenn wir als Gläubige immer ganz vom Heiligen Geist – und damit im Einklang mit dem Wort Gottes – geleitet würden, gäbe es keine Uneinigkeit.
  • Demütigung: Wir müssen uns bewusst werden, dass wir in mancher Hinsicht versagt haben und sollten uns darunter demütigen.
  • Sich neu ausrichten lassen: Als Gläubige müssen wir uns immer wieder neu nach dem Wort Gottes ausrichten lassen.
  • Biblische Grundsätze umsetzen: Wir sind gehalten, die vom Geist gegebenen biblischen Grundsätze umzusetzen. Zentral dabei sind die folgenden:

 die Einheit des Leibes und

 die Absonderung vom Bösen.

Liebe, nicht Feindseligkeit: Bei alledem sind wir – trotz aller Differenzen – aufgerufen, alle Gläubigen zu lieben (Eph 1,15; Kol 1,4; Phlm 5). Feindseligkeit hat keinen Platz – wenn sie in unseren Herzen aufkommt, müssen wir das bekennen. Allerdings ist Liebe nicht dasselbe wie Nettigkeit. Echte Liebe sucht aufrichtig das Wohl des anderen. Dazu gehört auch, dass man ermahnt und zurechtweist. Paulus trat der Unordnung in Korinth entschieden entgegen – und zwar aus echter Liebe heraus (2. Kor 2,4; 11,11; 12,15). Wir sollten bemüht sein, allen Gläubigen, mit denen wir in Kontakt kommen, Hilfe und Orientierung durch Gottes Wort zu geben und so zu ihrer Erbauung beizutragen.


FN 1: Er wirkt sogar an Ungläubigen und bemüht sich, sie zur Buße zu leiten (vgl. Apg 7,51). Er „nötigt“ sie zu kommen (vgl. Lk 14,23).

Michael Hardt

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2022, Heft 10, Seite 13

Bibelstellen: Epheser 4,30; Römer 8,14; Johannes 3,8; 2. Petrus 1,21; 2. Samuel 23,2; u. a.;

Stichwörter: Heiliger Geist, Innewohnung, inspiriert, Kennzeichen, Versiegelung, Wachstum, Wiedergeburt