Wie vorübergeflossene Wasser
In Zeiten großer Not keimt rasch die lähmende Vorstellung auf, dass der innere Druck nie mehr verschwinden wird. Viele Versuche, die traurigen Gedanken in eine andere, bessere Richtung zu lenken, sind ja schließlich schon gescheitert. Die Worte Hiobs sind erlebte Realität: „Wenn ich sage: Ich will meine Klage vergessen, will mein Angesicht glätten und mich erheitern, so bangt mir vor allen meinen Schmerzen“ (Hiob 9,27.28). Doch muss die Harfe wirklich für immer an der Trauerweide hängen bleiben? Gibt es nicht einen Ausweg aus der Enge in die Weite, aus der Trauer in das Glück?
Ja, es gibt Hoffnung. Zophar bringt es in seiner Ansprache an Hiob – obwohl sie von böswilligen Unterstellungen durchwoben ist – beeindruckend auf den Punkt: „Du wirst die Mühsal vergessen, wirst dich an sie erinnern wie an vorübergeflossene Wasser“ (Hiob 11,16). Gott kann sowohl die Prüfung beenden als auch die qualvolle Auseinandersetzung damit. Er vermag derart zu segnen und das Herz auszufüllen, dass man sich an die Mühsal nur wie an vorübergeflossene Wasser erinnert.
Wenn Wasser vorüberfließt, verblassen alle Details über das Aussehen des Wassers in Sekundenbruchteilen. Man weiß zwar, dass es vorbeigerauscht ist, aber wie sich die Wellen gekräuselt haben oder wie sich die Kontur der Wasseroberfläche verändert hat, kann niemand mehr sagen. Das Wasser ist dahingeflossen, ohne einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen, und es wird nie mehr zurückkehren.
Vielleicht kannst du dir kaum vorstellen, dass die gefühlte Ausweglosigkeit, die tiefe Trauer und die bleierne Mattheit jemals wieder dem Sonnenschein einer ungetrübten Freude weichen werden. Und doch möchte der Gott aller Gnade gerade das bewirken. Denk an Joseph. Er wurde sehr enttäuscht, verletzt und verachtet und hätte in Bitterkeit versinken können. Aber Gott wendete sein Geschick: Er führte ihn aus dem Gefängnis heraus, verhalf ihm zu Ansehen und schenkte ihm eine Frau an seiner Seite. Als Josephs erster Sohn geboren wurde, gab er ihm einen Namen, der deutlich machte, dass er mit dem dunklen Kapitel seiner Leidensgeschichte abschließen wollte. Er nannte ihn Manasse, was bedeutet: „Der vergessen macht“ (1. Mo 41,51).
Fasse Mut, denn Gott kann auch dir durch sein erstaunliches Gnadenwirken ein heiliges Vergessen schenken! Vollständig wird das wahr werden, wenn der Herr Jesus dich in den Himmel führen wird. Dann wird jedes Leid für immer vorüber und der Schmerz der Erinnerung getilgt sein, denn Gott „wird jede Träne von ihren Augen abwischen“ (Off 21,4). Alle Mühsal der Erde ist vergessen in der Herrlichkeit des Himmels. Was für eine großartige Aussicht!
Die früheren Bedrängnisse werden vergessen und vor meinen Augen verborgen sein.
Jesaja 65,16
Denn du wirst die Mühsal vergessen, wirst dich an sie erinnern wie an vorübergeflossene Wasser.
Hiob 11,16
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