Ermutigung

Ein Begleiter durch das Jahr

Gedanken zu Psalm 11


Dem Vorsänger. Von David. Bei dem HERRN suche ich Zuflucht; wie sagt ihr zu meiner Seele: Flieht wie ein Vogel zu eurem Berg? Denn siehe, die Gottlosen spannen den Bogen, sie haben ihren Pfeil auf der Sehne gerichtet, um im Finstern auf die von Herzen Aufrichtigen zu schießen. Wenn die Grundpfeiler umgerissen werden, was tut dann der Gerechte? Der HERR ist in seinem heiligen Palast. Der HERR – in den Himmeln ist sein Thron; seine Augen schauen, seine Augenlider prüfen die Menschenkinder. Der HERR prüft den Gerechten; aber den Gottlosen und den, der Gewalttat liebt, hasst seine Seele. Er wird Schlingen auf die Gottlosen regnen lassen; Feuer und Schwefel und Glutwind wird das Teil ihres Bechers sein. Denn gerecht ist der HERR, Gerechtigkeiten liebt er. Sein Angesicht schaut den Aufrichtigen an. Psalm 11,1-7

Psalm 11 ist einer der vielen Psalmen, die David geschrieben hat. Er ist nicht sehr lang und hat doch eine klare Botschaft. Wir wissen nicht, vor welchem Hintergrund er seine Empfindungen aufgeschrieben hat. Möglicherweise, als er von Saul verfolgt wurde. Jedenfalls gab es Feinde, die ihn angriffen und ihm schaden wollten. In seiner Not nimmt er Zuflucht zu seinem Gott und vertraut sich Ihm an.

Was David vor etwa 3000 Jahren aufgeschrieben hat, ist nicht nur von historischem Wert. Es spricht besonders von dem, was der glaubende Überrest der Juden in der Zeit der Drangsal Jakobs erleben und empfinden wird. Wie David werden sie verfolgt und bedrängt werden und Hilfe bei ihrem Gott finden.

Mit welchen Augen lesen wir einen solchen Psalm? Wir versuchen erstens, uns in die Situation Davids zu versetzen. Zweitens denken wir an den Überrest und was die glaubenden Juden einmal treffen wird, bevor sie in den Segen des kommenden Reiches eingehen werden. Drittens fragen wir uns – besonders vor dem Hintergrund des gerade begonnenen Jahres -, was dieser Psalm für uns bedeutet und wie er uns mit seiner Botschaft durch das Jahr begleiten kann.

Es liegt auf der Hand, dass der Psalm uns Mut machen soll. David hat einen realistischen Blick auf die Probleme und Gefahren. Doch er sieht keinen Grund zu resignieren oder zu rebellieren. Seine Augen sind vor allem auf seinen Gott gerichtet, von dem er jede Hilfe erwartet. Er nimmt die Umstände zur Kenntnis, aber bleibt nicht dabei stehen. Genau das sollen wir auch tun.

Wir leben in ungewissen Zeiten. Der Ukraine-Konflikt dauert an, eine neue Nahostkrise hat viele von uns sicher sehr überrascht. Politisch steht vieles auf unsicheren Füßen. Weitere Konflikte sind nicht ausgeschlossen. Aber nicht nur das. Die weitere Entwicklung der Digitalisierung und der künstlichen Intelligenz könnte zu einer echten Herausforderung (vielleicht sogar Bedrohung) werden. Das Thema Migration beschäftigt viele Menschen. Welchen Einfluss wird der Islam auf westlich geprägte Länder ausüben? Der Werteverfall nimmt rasant zu. Es werden Gesetze auf den Weg gebracht, die direkt gegen die guten Anweisungen Gottes sind (z. B. das Selbstbestimmungsgesetz).

Zusätzlich zu dem, was uns persönlich bewegt, gibt es also genügend Fragen und Herausforderungen. Welche Antworten gibt uns nun David in Psalm 11? Ohne die Reihenfolge der Verse genau zu beachten, möchte ich acht Impulse geben, die uns zu Beginn des neuen Jahres helfen können, unseren Blick fest auf Gott zu richten und Ihm zu vertrauen.

1. Es gibt Böses, das gegen uns ist. Wir können es nicht verhindern. Die Welt ist voller böser Menschen, die uns schaden wollen. Paulus schreibt in seinem geistlichen Vermächtnis an Timotheus: „Böse Menschen aber und Betrüger werden zu Schlimmerem fortschreiten“ (2. Tim 3,13). Damit müssen wir rechnen. David sah die Gottlosen, wie sie im Finsteren (also möglichst ungesehen) mit ihren Pfeilen auf die von Herzen Aufrichtigen schießen (Ps 11,2). Der Bogen ist bereits gespannt und der Pfeil gerichtet. Wir sollten nicht davon ausgehen, dass die Welt sich bessert. Das wird nicht der Fall sein. Der Teufel hat es gerade auf die Gläubigen abgesehen. Er schießt auf uns.

2. Nicht nur das: Es gibt Grundpfeiler, die umgerissen werden (Ps 11,3). Dabei denken wir an den rasanten Werteverfall in fast allen ehemals christlichen Ländern – wobei Deutschland durchaus eine Vorreiterrolle einnimmt. Was vor wenigen Jahrzehnten noch allgemein gültig war (z. B. das Zusammenleben in Ehe und Familie), gilt als längst überholt. Mehr noch: Die guten Gedanken Gottes werden nicht nur als antiquiert belächelt und abgetan, sondern sie werden regelrecht als falsch hingestellt. Aus Wahrheit wird Lüge und aus Lüge wird Wahrheit. Das ist die schlechte Nachricht. Die Frage des Psalmdichters ist berechtigt: „Was wird der Gerechte tun?“ Hat er eine Antwort? Ja, er hat eine Antwort. Und das ist die gute Nachricht.

3. Wir haben eine Hilfe im Himmel: Für jede Not gibt es einen Ausweg. David suchte Zuflucht bei dem Herrn (Ps 11,1). Das war seine Antwort an diejenigen, die ihn aufforderten zu resignieren und wie ein Vogel zu fliehen. Nein, es gibt keinen Grund, aufzugeben und zu resignieren. Wir können die Welt ebenso wenig ändern, wie die Eltern Moses den Nil ausschöpfen konnten. Aber wir haben eine Zuflucht. Wir suchen sie nicht bei Menschen, sondern bei dem Herrn, dem unveränderlichen und ewigen „Ich bin“. Jesus Christus ist derselbe. Er verändert sich nicht. Er ist der Fels der Ewigkeiten. Zu Ihm können wir mit jedem Problem gehen. Er wird uns helfen.

4. Dieser Herr wird von nichts erschüttert: Er ist in seinem heiligen Palast (oder Tempel). Sein Thron ist im Himmel. Der Palast bzw. Tempel spricht von seinem Wohnort der Herrlichkeit. Der Thron spricht davon, dass der Herr regiert – auch wenn es nicht unmittelbar sichtbar wird. Unser Herr steht über jedem Problem. Ihm läuft nichts aus dem Ruder. Kein Konflikt auf der Erde erschüttert Ihn. Er kontrolliert alles. Intensität und Dauer jeder Herausforderung wird von Ihm abgemessen. Menschen mögen sich um Konfliktlösungen bemühen, doch letztlich hängt alles von Ihm ab.

5. Unserem Herrn entgeht nichts: Seine Augen schauen vom Himmel auf die Erde und seine Augenlider prüfen die Menschenkinder (Ps 11,4). Es ist ein tröstlicher Gedanke, dass Gottes Augen offen sind (vgl. Ps 94,9). Er sieht das Gute und das Böse. Er sieht die Herausforderungen der Seinen. Und Er prüft die Menschenkinder. Bei den Menschenkindern denken wir an die Menschheit allgemein. Gott prüft uns. Leider muss Er feststellen, dass die meisten Menschen im Bösen fortfahren und sogar Freude daran finden. Unsere Zeit ist nicht besser als die Zeit, in der der Turm zu Babel gebaut wurde und Gott „herabfuhr“, um zu sehen, was die Menschenkinder taten (1. Mo 11,5).¹

6. Der Herr prüft jedoch nicht nur die Gottlosen, sondern Er prüft auch die Gerechten (Ps 11,5). Die Geschichte Hiobs zeigt das nachdrücklich. Das Böse in der Welt und die zunehmenden Angriffe auf die guten Ordnungen Gottes sind ein Test für alle, die mit Ihm leben möchten. Er möchte sehen, dass wir fest zu seinem Wort stehen und uns nicht davon abbringen lassen, Ihm zu folgen und sein Wort zu bewahren. Gerade in einer Zeit, in der viele Menschen – auch solche, die sich Christen nennen – mehr und mehr vom Wort Gottes abweichen, sollten wir fest zu dem stehen, was Gott in seinem Wort sagt. Es ist das beste Mittel, um gegen Angriffe von außen (und innen) bewahrt zu bleiben.

7. Der Herr rechnet mit dem Bösen ab (Ps 11,6): Dieser Vers ist typisch für die Haushaltung des Gesetzes, in der David lebte. Er spricht von den Schlingen, die auf die Gottlosen regnen werden und von dem Feuer, dem Schwefel und dem Glutwind. Das wird Gottes Antwort sein. Wir wünschen unseren ungläubigen Mitmenschen nichts Böses (im Gegenteil: Wir beten für sie). Dennoch wissen wir, dass der Tag der Abrechnung kommen wird. Paulus macht gerade mit diesem Gedanken den bedrängten Thessalonichern Mut (vgl. 2. Thes 1,3-12). Es ist tatsächlich wahr, dass am Ende abgerechnet wird. Bis dahin gilt es, im Vertrauen auf unseren Herrn zu leben.

8. Gott ist gerecht: David endet mit der Aussage, dass der Herr gerecht ist und dass Er gerechte Taten liebt (Ps 11,7). Sein Angesicht schaut den Aufrichtigen an (oder: die Aufrichtigen werden sein Angesicht schauen). Das macht uns Mut. Gott ist nicht ungerecht (Heb 6,10). Er beurteilt alle Dinge so, wie sie wirklich sind. Wir mögen manchmal ein falsches Urteil über bestimmte Entwicklungen und/oder Personen haben. Bei Gott ist das nicht so. Er sieht alles, so wie es tatsächlich ist. Er beurteilt das, was die Menschen tun. Er beurteilt vor allem das, was wir tun. Wenn wir aufrichtig handeln, haben wir seine Zustimmung.

Wir wollen uns – gerade zu Beginn eines neuen Jahres – nicht entmutigen lassen. Wir nehmen die Entwicklungen um uns herum wahr und sind traurig darüber. Aber wir müssen nicht resignieren oder mutlos sein. Wir haben einen Herrn, der über den Umständen steht und dessen Friede durch nichts erschüttert werden kann. Diesen Frieden möchte Er uns jeden Tag erleben lassen.


1 Es ist die erste Stelle, an der das Wort „Menschenkinder“ in der Bibel vorkommt.

Ernst-August Bremicker

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2024, Heft 1, Seite 3

Bibelstellen: Psalm 11, 1-7; 1. Mose 11,5; Hebräer 6,10; 2. Timotheus 3,13; u. a.;

Stichwörter: Augen, Frieden, gerecht, Gott, Herr, Hilfe, prüfen, Zuflucht