Glaubensleben

Liebe und Glaube

Petrus verbindet diese beiden Dinge – die für die christliche Zeit kennzeichnend sind – miteinander, indem er an die Gläubigen Folgendes schreibt:

„… den ihr, obgleich ihr ihn nicht gesehen habt, liebt; an welchen glaubend, obgleich ihr ihn jetzt nicht seht, ihr mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude frohlockt“ (1. Pet 1,8).

Die Gläubigen, an die Petrus schreibt, waren gebürtige Juden, die zum lebendigen Glauben an Jesus Christus gekommen waren und jetzt zu den Christen zählten. Sie lernten, dass das, was sie jetzt empfangen hatten, weit über das hinausging, was sie als Juden kannten.

In den Versen vorher hatte Petrus drei Dinge deutlich gemacht:

1. Christen sind wiedergeboren für die Herrlichkeit (V. 3)
2. Christen werden bewahrt für die Herrlichkeit (V. 5)
3. Christen werden vorbereitet für die Herrlichkeit (V. 6-7)

Jetzt spricht er darüber, dass sie – und wir schließen uns gerne darin ein – heute schon einen Vorgeschmack auf diese Herrlichkeit im Herzen tragen. Wir sehen Christus noch nicht und teilen seine Herrlichkeiten noch nicht mit Ihm. Dennoch lieben wir Ihn, glauben an Ihn und kennen etwas von unaussprechlicher und verherrlichter Freude.

Die Zeit der christlichen Haushaltung wird im Gegensatz zum Judentum nicht wesentlich durch sichtbare Dinge gekennzeichnet, sondern durch Dinge, die man mit den natürlichen Augen nicht sehen kann. Petrus stellt fest, dass die Briefempfänger Christus weder gesehen hatten noch Ihn jetzt sahen. Trotzdem liebten sie Ihn und waren im Glauben fest mit Ihm verbunden. Es fällt auf, dass dieser Vers keine Ermahnung und Aufforderung beinhaltet, sondern eine Feststellung. Es ist allerdings eine Tatsache, die ohne jede Frage praktische Konsequenzen für unser Leben haben muss.

Es ist eine Tatsache, dass wir unseren Herrn jetzt nicht mit unseren leiblichen Augen sehen. Trotzdem kennen wir Ihn. Der Glaube ist kein „blinder Glaube“. Er ist Lebensrealität. Gleichzeitig warten wir darauf, Ihn „von Angesicht zu Angesicht“ (1. Kor 13,12) zu sehen, „wie er ist“ (1. Joh 3,2). In der Zwischenzeit lieben wir Ihn und glauben an Ihn.

a) Wir lieben ihn: Einen Menschen zu lieben, den wir nie gesehen haben, ist eigentlich so gut wie unmöglich. Nicht so, wenn es um unseren Herrn geht. Es ist kennzeichnend für einen wahren Christen, dass er Christus liebt. Es kann nicht anders sein. „Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat“ (1. Joh 4,19). Der Herr Jesus hat seine Liebe unter Beweis gestellt. Wir lieben Ihn nicht, um von Ihm geliebt zu werden, sondern wir lieben Ihn, weil Er uns geliebt hat. Wir haben neues Leben, eine göttliche Natur, und diese Natur trägt die Charakterzüge Gottes. Deshalb lieben wir Ihn und deshalb warten wir auf Ihn, obwohl wir Ihn noch nie gesehen haben. Petrus wählt hier für Liebe das Wort, das oft – wenn auch nicht ausschließlich – für die Liebe Gottes gebraucht wird.

b) Wir glauben an Ihn: Der Glaube steht hier im direkten Gegensatz zum Schauen. Der Glaube hat es mit der unsichtbaren Welt zu tun. Man hat den Glauben mit einem Teleskop verglichen, das uns für das menschliche Auge unsichtbare Dinge groß macht. Es ist kennzeichnend für das Christentum, dass wir im Glauben leben. Der Herr Jesus ist jetzt ein Gegenstand des Glaubens – ebenso wie Gott. Die Jünger – Petrus eingeschlossen – mussten gerade das lernen (vgl. Joh 14,1). Für viele Juden war das ein großes Problem. Sie wollten gerne „sehen und glauben“ (Mk 15,32). Deshalb sagte Jesus zu Thomas: „Weil du mich gesehen hast, hast du geglaubt. Glückselig sind, die nicht gesehen und doch geglaubt haben!“ (Joh 20,29). Gleichwohl gab es im Alten Testament Glaubensmänner, die darin ein Vorbild sind, wie z. B. Abraham (Heb 11,10) und Mose (Heb 11,27).

Christen lieben und glauben. Beides tun wir ununterbrochen. Darauf weist die Zeitform der Gegenwart hin. Außerdem richten sich Glauben und Liebe nicht auf eine Sache, sondern auf eine Person. Es ist wahr, dass wir das Wort der Wahrheit und das Evangelium des Heils glauben müssen und dass wir Liebe zum Wort Gottes haben, nur darum geht es hier nicht. Petrus richtet uns auf die Person des Herrn Jesus aus.

Er fügt dann hinzu, dass wir dies mit großer Freude tun. Es ist eine Freude, die wir hier auf der Erde kennen und die doch nicht zu dieser Erde gehört.

Es kann nur eine himmlische Freude sein – wenngleich wir sie jetzt schon genießen. Deshalb gebraucht Petrus den Ausdruck „Frohlocken“, der eine Steigerung von Freude beschreibt. Das Wort bedeutet eigentlich, dass
jemand „vor Freude springt“ oder „jauchzt und jubelt“. Die Freude des Christen ist unaussprechlich und verherrlicht. Offensichtlich ist diese Freude so groß, dass man sie mit menschlichen Worten nicht beschreiben kann. Zugleich ist es eine „verherrlichte Freude“. Etwas freier übersetzt könnte man sagen, dass es eine Freude „voll von Herrlichkeit“ oder „mit Ruhm gefüllt“ ist. Sie entstammt dem Bereich der Herrlichkeit, wo der verherrlichte Herr jetzt ist. Sie ist höher und größer als jede Freude hier auf der Erde. Wir freuen uns an Ihm in der Herrlichkeit und Er erfüllt unsere Herzen mit Freude.

Diese unaussprechliche und verherrlichte Freude hängt nicht davon ab, ob es uns auf dieser Erde gut oder schlecht geht, sondern sie steht mit einem unsichtbaren und verherrlichten Christus im Himmel in Verbindung, den wir lieben und an den wir glauben.

 

 

 

Ernst August Bremicker

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2019, Heft 7, Seite 22

Bibelstellen: 1. Petrus 1,8; 1. Petrus 1,3.5.6-7;

Stichwörter: Glauben, kennen, lieben, Sehen