Gott / Jesus Christus

Er wird Frieden reden

Christus in Sacharja 9 – Teil 3

Fortsetzung von Heft 07/2020, Seite 18

Vers 10

„Und ich werde die Streitwagen aus Ephraim und die Pferde aus Jerusalem ausrotten, und der Kriegsbogen wird ausgerottet werden. Und er wird Frieden reden zu den Nationen; und seine Herrschaft wird sein von Meer zu Meer und vom Strom bis an die Enden der Erde.“ (V. 10)

Keine Streitwagen und Pferde mehr

„Siehe, dein König wird zu dir kommen“, hatte Sacharja angekündigt (V. 9). Das war eine riesige Ermutigung für einen schwachen Überrest, der keinen König hatte. Diese Zusage hat sich, wie wir gesehen haben, vor rund 2000 Jahren erfüllt – jedenfalls zum Teil: Er ist gekommen, aber das gerechte Gericht und die Rettung von den Feinden werden erst bei seiner Erscheinung in Herrlichkeit erfolgen.

Letzteres trifft auch auf die Verse 10 und 11 zu. Sie sagen eine Zeit voraus, in der vollständiger und globaler Friede sein wird. Gott verspricht, dass Streitwagen und Pferde „ausgerottet“ werden. Diese Symbole des Vertrauens auf eigene – besonders militärische – Kraft (Ps 20,8; Hos 1,7; Mich 5,10) werden nicht mehr gebraucht werden. Es wird eine hundertprozentige Abrüstung geben. Endlich wird Friede sein! Interessanterweise wird zuerst erwähnt, dass die Streitwagen Israels (Ephraim und Jerusalem) verschwinden und erst danach ist von den Nationen die Rede. Israel wird zu diesem Zeitpunkt solche Waffen nicht mehr brauchen. Christus wird bei ihnen sein.

Mitten im Vers wechselt das Personalpronomen von „ich“ auf „er“. Gott weist hier ausdrücklich auf den Messias hin: „Und er wird Frieden reden“. Es ist kein anderer als der, der demütig auf einem Esel nach Jerusalem kommen sollte – Er wird den Weltfrieden bringen (V. 9).

Er wird Frieden reden „zu den Nationen“. Endlich wird nicht nur Israel in Frieden und Sicherheit wohnen (Jes 32,18; Jer 23,6; 32,37), sondern auch unter den Nationen wird der Friede etabliert. Dieser Friede wird stabil und permanent sein. Er wird anhalten, solange die Schöpfung besteht: „Fülle von Frieden wird sein, bis der Mond nicht mehr ist“ (Ps 72,7; vgl. Mich 5,4.9). Das alles kann erst geschehen, nachdem Christus in Herrlichkeit erschienen ist.

Endlich wird wahr werden, was die Engel ausgesprochen hatten, als der Heiland geboren wurde: „Friede auf der Erde“ (Lk 2,14).

Ephraim und Jerusalem

Die ausdrückliche Erwähnung von Ephraim¹ zeigt, dass es um die Wiederherstellung des ganzen Volkes geht. Die zehn Stämme Israels – deren Aufenthaltsort wir bis heute nicht kennen – werden wieder nach Israel kommen und sind hier miteingeschlossen (vgl. Hes 37,16-22). Das geschieht natürlich nicht unmittelbar beim Einzug des Königs in Jerusalem, sondern zu einem späteren Zeitpunkt. Aber der Kreis wird in Vers 10 so weit gezogen, um die Folgen davon aufzuzeigen, dass der König nach Zion kommt.

Herrschaft bis an die Enden der Erde

Gott hatte Abraham versprochen, seinen Nachkommen das Land zu geben, und zwar „vom Strom Ägyptens bis an den großen Strom, den Strom Euphrat“ (1. Mo 15,18). Das ist bis heute nicht geschehen, auch nicht unter der Herrschaft Salomos. Aber hier geht es noch weiter: Christus wird nicht nur über ein Land Israel herrschen, das sich vom Nil bis zum Euphrat erstreckt, sondern uneingeschränkt „von Meer zu Meer und vom Strom bis an die Enden der Erde“.

So hatte David es vorhergesagt, als er den Psalm „Für Salomo“ dichtete: „Und er wird herrschen von Meer zu Meer und vom Strom bis an die Enden der Erde … Und alle Könige werden vor ihm niederfallen, alle Nationen ihm dienen“ (Ps 72,8.11). Als er das vor sich sah, blieben für ihn keine Wünsche mehr offen, sondern er konnte nur noch Gott preisen: „Die Gebete Davids, des Sohnes Isais, sind zu Ende“ (Ps 72,18-20).

Viele Stellen in den Propheten bestätigen, dass Christus nicht nur über Israel, sondern auch über die Nationen regieren wird: „Und er wird richten zwischen vielen Völkern und Recht sprechen mächtigen Nationen bis in die Ferne“ (Mich 4,3; vgl. Ps 2,8; Sach 14,9). Gerade der demütige, gebeugte, leidende Messias wird der Herrscher von Meer zu Meer sein.

Der Einwurf eines Rabbis

Der Rabbi Frederick de Sola Mendes aus New York benutzt² Sacharja 9,10, um zu zeigen, warum Juden nicht an Jesus Christus als ihren Messias glauben. Er schreibt:

  • „Wir lehnen Jesus von Nazareth wegen seiner Taten als unseren Messias ab. Er sagt von sich selbst: ‚Denkt nicht, dass ich gekommen sei, Frieden auf die Erde zu bringen; ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert‘ (Mt 10,34). Aber wir sehen, dass unsere Propheten dem wahren Messias ganz andere Handlungen zuschrieben. Sacharja sagt (9,10): ‚Er wird Frieden reden zu den Nationen‘. Jesus sagt, Er kam, um das Schwert auf die Erde zu bringen …“

Aber diese Argumentation ist zu oberflächlich und daher falsch. In Matthäus 10 spricht der Herr davon, dass Entscheidungen mit seinem Kommen verbunden sind. Manche würden sich für Ihn und manche gegen Ihn entscheiden. Gerade solche Entscheidungen würden zu Zwietracht und Unfrieden unter Mitmenschen führen. Das nimmt nichts davon weg, dass Er noch einmal kommen und dann den Frieden bringen wird.

Verse 11-12

„Und du – um des Blutes deines Bundes willen entlasse ich auch deine Gefangenen aus der Grube, in der kein Wasser ist. Kehrt zur Festung zurück, ihr Gefangenen der Hoffnung! Schon heute verkündige ich, dass ich dir das Doppelte erstatten werde“ (V. 11.12).

An dieser Stelle lernen wir vier Dinge, die mit der Intervention des Messias zusammenhängen:

  1. Es werden „Gefangene“ aus der „Grube“ befreit.
  2. Die „Gefangenen der Hoffnung“ werden aufgefordert, zur „Festung“ zurückzukehren.
  3. Ein doppelter Segen wird zugesagt.
  4. Das alles gründet sich auf einen Bund oder, genauer gesagt, auf das Blut eines Bundes.

Sehen wir uns diese vier Punkte der Reihe nach an.

Die Gefangenen aus der Grube und die Gefangenen der Hoffnung

Die Ausgangssituation, auf die Sacharja Bezug nimmt, scheint zu sein, dass der Assyrer in das Land Palästina eingedrungen ist und es besetzt hat (Dan 11,40-45; Jes 10,5-12; Mich 5,4). Viele sind schon durch ihn umgekommen. Ein kleiner Teil des Überrests befindet sich in der Stadt Jerusalem und hält dort stand. Andere treue Juden sind aus Jerusalem geflohen. Auf diese beiden Gruppen scheinen die Verse 11 und 12 Bezug zu nehmen: die „Gefangenen aus der Grube“ und die „Gefangenen der Hoffnung“.

Die Gefangenen aus der Grube

Das sind die Treuen in Zion, die dann in Jerusalem geblieben sind und dort wie in einer Grube eingeschlossen sitzen. Die Grube spricht davon, dass sie von allen Seiten eingeengt sind und auch abgeschnitten von allen Hilfsmitteln (vgl. die Lage, in der sich Joseph befand und später Jeremia; 1. Mo 37,24; Jer 38,6). Nur das Kommen des Messias kann sie befreien. Sie werden schwer geprüft, um dann herrlich erlöst zu werden.

Die Gefangenen der Hoffnung

Hierbei denken wir an den Teil des Überrests, der aus Jerusalem fliehen und sich unter den umliegenden Völkern aufhalten wird – aber ohne die Hoffnung auf den kommenden Messias aufzugeben. Daher werden sie „Gefangene der Hoffnung“ genannt. Bei diesem schönen Ausdruck fällt auf:

  1. Das Wort „Hoffnung“ (Hebr. tikwa) steckt – erstaunlicherweise – in dem Ausdruck „Karmesinschnur“ (Jos 2,18). Es war das Seil (dasselbe Wort wie „Hoffnung“) des Karmesinfadens. Für Rahab hing alles davon ab, dass diese Schnur im Fenster hing. Diese Karmesinschnur zeugte von ihrem Glauben an den wahren Gott.
  2. Hier – und meines Wissens nur hier im Alten Testament – steht das Wort Hoffnung mit Artikel. Das zeigt, dass es sich nicht einfach um eine, sondern um die Hoffnung des Volkes Israel handelt, nämlich das Kommen des Messias als Retter.
  3. „Die Hoffnung“ (Hebr. haTikwa) ist heute die Bezeichnung für die Nationalhymne Israels, die von der 2000 Jahre alten Hoffnung spricht, ein freies Volk im Land Zion zu sein. Diese Hoffnung wird sich erfüllen, aber wie gesagt nur durch Christus, den Retter.
  4. In einem gewissen Sinn können wir den Ausdruck „Gefangene der Hoffnung“ auf Christen anwenden. Christen sind zwar schon frei gemacht, aber was ihren Körper angeht, gehören sie noch zur Schöpfung, die bis heute die „Freiheit der Kinder Gottes“ erwartet, die Sohnschaft, die Erlösung des Leibes (Röm 8,21.23). Aber Christen haben „die Hoffnung“ vor sich. Sie erwarten den Sohn Gottes aus den Himmeln (1. Thes 1,10). Im Gegensatz zur jüdischen Hoffnung gibt es kein einziges Ereignis, das eintreffen muss, bevor sich die christliche Hoffnung erfüllt. Das kann jeden Augenblick geschehen!

Hier fordert Gott die Gefangenen der Hoffnung auf, zur „Festung“ zurückzukehren. Damit ist Jerusalem gemeint – wo der Messias dann sein wird (Ps 46,6-12). Er ist der Erretter, der einerseits „für Zion“ und andererseits dann „aus Zion“ kommen wird (Jes 59,20; Röm 11,26). Der Überrest in der Fremde wird diese Nachricht, wie die Stufenlieder zeigen (Ps 120-134), freudig aufnehmen und sich auf den Weg machen, um nach Jerusalem zu gehen.

Das Doppelte erstatten

Es besteht kein Zweifel, dass beide Teile des Überrests schwer leiden werden. Aber Gott wird ihre Treue belohnen. Er wird nicht nur zurückgeben, was sie eingebüßt haben, sondern das „Doppelte erstatten“. Es wird so sein, wie Jesaja ankündigt: „Anstatt eurer Schmach werdet ihr das Doppelte haben, und anstatt der Schande werden sie jubeln über ihr Teil; darum werden sie in ihrem Land das Doppelte besitzen, werden ewige Freude haben“ (Jes 61,7; vgl. Hiob 42,10).

Die Ereignisse, die wir in den Versen 10 bis 12 vor uns hatten, hängen in erster Linie mit der „zweiten Bergspitze“, das heißt, mit der Erscheinung in Herrlichkeit, zusammen.

Das Blut des Bundes

Das Kommen des Messias wird also unbeschreiblichen Segen bringen: Frieden im Land, Frieden unter den Nationen, gerechte Weltherrschaft, Befreiung der Gefangenen, Rückkehr der Geflohenen, und einen „doppelten Segen“. Wie ist das möglich? Auf welcher Basis kann Gott so handeln?

Gottes Antwort ist eindeutig: „um des Blutes deines Bundes willen“. Was ist gemeint? Der alte Bund war mit Blut eingeweiht worden (2. Mo 24,8; Heb 9,19). Aber dieser Bund hat gerade zur Zerstreuung des Volkes geführt (weil sie ihn nicht gehalten haben, vgl. 5. Mo 28,63.64) und kann daher hier nicht gemeint sein.

Es muss sich um den neuen Bund handeln, den Gott bereits durch Jeremia angekündigt hatte (Jer 31,31). Dieser Bund sollte von ganz anderer Art sein, nicht wie der Bund, den Gott mit ihren Vätern gemacht hatte (nämlich mit Verpflichtungen auf beiden Seiten), sondern ein Bund, unter dem Gott sein Volk segnen wird, und zwar ohne Bedingung auf der Seite des Volkes. Immer wieder heißt es in diesem Teil Jeremias „ich werde“ oder „ich will“ anstelle von „du sollst“.

Von Blut hatte Jeremia dabei nicht gesprochen. Er hatte großen Segen angekündigt, aber die Grundlage, auf der Gott diesen Segen schenken würde, hatte er nicht erwähnt. Hier erwähnt Sacharja das Blut des neuen Bundes, aber ohne zu erklären, welches oder wessen Blut es sein würde. Dieses Geheimnis wurde erst gelüftet, als der Herr das Gedächtnismahl einsetzte. Dabei erwähnte Er diesen neuen Bund, und das in Verbindung mit Blut, nämlich seinem eigenen Blut: „Denn dies ist mein Blut, das des neuen Bundes, das für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden“ (Mt 26,28). Sein Opfertod ist die Grundlage, auf der Gott schuldigen Menschen Segen bringen kann.

Daher ist Sacharja 9,11 besonders bemerkenswert: Es ist die einzige Stelle im Alten Testament, die das Blut des neuen Bundes erwähnt.

Fazit

Der kommende König wird unbeschreiblichen Segen bringen für Israel, für die Nationen und für die Erde. Er ist das Zentrum ihrer Hoffnung. Die Grundlage dafür ist das „Blut des Bundes“, d. h. die Tatsache, dass Christus am Kreuz auch für Israel sein Leben gegeben hat.

(Wird fortgesetzt)


FN 1: Ephraim wird oft stellvertretend für die 10 Stämme genannt (Jes 11,13, Hes 37,16.19).
FN 2: A Hebrew’s Reply to the Missionaries (Die Antwort eines Hebräers an die Missionare).

Michael Hardt

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2020, Heft 8, Seite 23

Bibelstellen: Sacharja 9; 1. Mose 15,18; Lukas 2,14; Micha 4,3; Psalm 72,8.11; u. a.;

Stichwörter: das Doppelte, Enden der Erde, Gefangene, Herrschaft