Gott / Jesus Christus

Der Mann seines Ratschlusses

Christus in Sacharja 6 – Teil 1

In Sacharja 6 kommen wir zur abschließenden messianischen Verheißung in diesem Teil des Buches. Sie zeigt den versprochenen Messias als den, der zwei Ämter einnimmt, die im Volk Israel nie von ein und derselben Person übernommen werden konnten: König und Priester.

Pferde und Wagen zwischen Bergen von Erz (V. 1-8)

Der erste Teil des Kapitels (V. 1-8) enthält die letzte der acht Visionen, die in Sacharja 1-6 beschrieben werden. Auf den ersten Blick hat sie wenig mit der darauffolgenden messianischen Prophezeiung zu tun, aber in Wirklichkeit führt sie direkt darauf zu:

  • Sacharja sieht vier Wagen, die jeweils von Pferden gezogen werden. Dabei handelt es sich im ersten Fall um rote, sodann um schwarze, weiße und scheckige Pferde (V. 2.3).
  • Der junge Prophet fragt den Engel, der mit ihm redet, was diese zu bedeuten habe. Der Engel erklärt, es handle sich um „die vier Winde des Himmels, die ausgehen, nachdem sie sich vor den Herrn der ganzen Erde gestellt haben“ (V. 5), d. h., es sind die vier Weltreiche oder, genauer gesagt, die Engelmächte („Winde¹ des Himmels“), die hinter diesen Reichen stehen.
  • Dabei fällt auf, dass nur Pferde und Wagen erwähnt werden, aber keine Reiter, und dass die Wagen sich zwischen Bergen von Erz bewegen. Dadurch wird klar, dass die Weltreiche – wenn sie auch frei und zuweilen willkürlich zu agieren scheinen – sich in Wirklichkeit nur dort bewegen können, wo Gottes Vorsehung es zulässt.
  • Diese Vision erklärt also, wie Gott die Erde regiert, während es keinen König in Israel gibt: Er handelt durch Vorsehung, d. h., Er hält sich im Hintergrund und benutzt die Weltreiche, um seine Ziele mit der Erde zu erreichen. Mit Babylon, dem ersten der vier Weltreiche, war das schon geschehen: Gott hatte Babylon benutzt, um sein Volk in die Gefangenschaft zu führen und es dadurch zu züchtigen. Babylon hatte seine Rolle erfüllt und es war inzwischen von den Persern besiegt worden. In diesem Sinn hatte Gott schon Ruhe gefunden im Land des Nordens (V. 8).

Damit wurde eine Frage beantwortet, die Sacharja und die anderen treuen Juden stark beschäftigen musste: Wenn der Messias wirklich kommen und in Israel und darüber hinaus regieren wird (Ps 96,10; 99,1), was wird
das für die Weltreiche bedeuten? Wird Gott die Perser nun richten? Werden die anderen beiden Weltreiche noch kommen (siehe Dan 2.7 und Sach 1)? Die Vision gibt den ersten Teil der Antwort: Die Perser sind noch da, die anderen beiden Reiche (Griechen und Römer) werden noch kommen, aber nur so lange Gott ein Ziel mit ihnen verfolgt und nur als Instrumente in seiner Hand und im Rahmen der Grenzen („Berge von Erz“), die seine Vorsehung setzt.

Das ab Vers 9 folgende „Wort des Herrn“ gibt den zweiten Teil der Antwort: Gottes Zusage steht, der Tag wird kommen, an dem es wieder einen König in Israel geben wird. Dieser König wird gleichzeitig Priester sein und Gottes „Herrlichkeit tragen“ (V. 13).

Gott hat viel Zeit. Er lässt die Weltreiche gewähren, aber der Mann seines Ratschlusses (vgl. Jes 46,11) wird kommen!

Eine symbolische Handlung (V. 9-11)

Der zweite Teil von Sacharja 6 (V. 9-15) enthält ein „Wort² des Herrn“, das uns zwei Dinge vorstellt: eine symbolische Handlung (V. 10.11) und die Bedeutung dieser Handlung (V. 12-15).

„Nimm von den Weggeführten, von Cheldai und von Tobija und von Jedaja – und geh du an diesem Tag, geh in das Haus Josijas, des Sohnes Zephanjas, wohin sie aus Babel gekommen sind -, ja, nimm Silber und Gold und mache eine Krone. Und setze sie auf das Haupt Josuas, des Sohnes Jozadaks, des Hohenpriesters und sprich zu ihm und sage …“ (V. 10.11).

In Vers 10 lernen wir, dass Sacharja in das Haus eines Josija gehen soll, um dort drei Männer aufzusuchen, die anscheinend erst vor kurzem aus Babel nach Jerusalem zurückgekehrt waren. Sacharja sollte Silber und Gold von ihnen nehmen. Es ist kaum denkbar, dass dies entgegen ihrer Absicht geschehen sollte. Sie mussten diese Schätze aus Babel mitgebracht haben, um ihre Brüder in Jerusalem beim Tempelbau zu unterstützen. Sie waren wahrscheinlich nicht bei der ersten Rückführung unter Josua und Serubbabel dabeigewesen, aber der Weg nach Jerusalem war immer noch offen. Inzwischen war auch in ihren Herzen der Wunsch wach geworden, den Bau des Hauses in Jerusalem zu unterstützen. Solches Interesse an seinem Werk und solche Freigebigkeit wird Gott immer belohnen.

Aber Sacharja erhält nicht den Auftrag, das Silber und das Gold für den Bau des Hauses Gottes oder für den Dienst zu benutzen, sondern eine Krone daraus zu machen. Wozu eine Krone? Es gab keinen König in Israel
(oder Juda) und das schon seit mehreren Generationen! Dieser Umstand erhöht noch die Spannung.

Beim Lesen der nächsten Anweisung steigt die Verwunderung noch weiter: Die Krone sollte auf Josuas Kopf gesetzt werden. Josua war der Hohepriester. Er wird sogar in der Anweisung ausdrücklich so genannt. Zu den Festkleidern des Hohenpriesters in Israel gehörte zwar ein Kopfbund aus Byssus und ein Goldblech mit der Aufschrift „Heiligkeit dem Herrn“ (2. Mo 28,36.39; 29,6), aber niemals eine Königskrone³. Wie wir noch sehen werden, war das Amt des Königs in Israel strengstens von dem des Priesters getrennt.

Es ist auch mit keiner Silbe die Rede davon, dass Josua aufhören sollte, Hoherpriester zu sein. Die Bedeutung ist klar: Es wird einmal einen Mann geben, der beide Ämter in sich vereinen wird. Die folgenden Verse zeigen, dass Sacharja eine Botschaft an Josua richten sollte, die genau das bestätigt (V. 12.13).

Ein Größerer als Josua (V. 12-15)

„So spricht der Herr der Heerscharen und sagt: Siehe, ein Mann, sein Name ist Spross; und er wird von seiner Stelle aufsprossen und den Tempel des Herrn bauen. Ja, er wird den Tempel des Herrn bauen; und er wird Herrlichkeit tragen; und er wird auf seinem Thron sitzen und herrschen, und er wird Priester sein auf seinem Thron; und der Rat des Friedens wird zwischen ihnen beiden sein.“ (V. 12.13).

Gott stellt sich als der „Herr der Heerscharen“ vor. Dieser Ausdruck, der von Gottes Macht als dem Oberbefehlshaber spricht, begegnet uns sehr oft in diesem Buch (53x). Äußerlich hatten die mächtigen Weltreiche noch „das Sagen“ (s. V. 1-8), aber der, der die eigentliche Kontrolle und Macht hat, teilt jetzt etwas von seinem gewaltigen Plan für die Erde mit. Diese Mitteilung wird durch das „Siehe“ eingeleitet (das im AT benutzt wird, um den Messias in den vier Aspekten vorzustellen, in denen auch die Evangelien Christus zeigen⁴ , siehe die Ausführungen zu Kap. 3,8). Darauf folgt ein neunfaches Porträt von Christus als dem kommenden Messias.


FN 1: „Wind“ ist im Hebräischen dasselbe Wort wie Geist (ruach). Wie wir aus dem Buch Daniel wissen, stehen Engelmächte hinter den Weltreichen (und hinter Israel): Daniel 10,13.20 und 12,1.

FN 2: Durch dieses „Wort des Herrn“ wird der erste Teil des Buches (Kap. 1 bis 6) mit dem darauffolgenden Teil des Buches verbunden. Letzterer erwähnt wiederholt das „Wort des Herrn“ (Sach 7,4.8; 8,1.18).

FN 3: Das hebräische Wort für „Goldblech“ (nezer) kann auch mit Diadem übersetzt werden, aber niemand hätte dieses Goldblech mit einer Königskrone verwechselt. Sacharja benutzt dagegen hier ein Wort (hebr. `atar), das oft eine königliche Krone bezeichnet (2. Sam 12,30; 1. Chr 20,2; Est 8,15 etc.).

FN 4: So heißt es in Sacharja 9,9: „Siehe, dein König“. Den Herrn Jesus als König Israels sehen wir besonders im Matthäus-Evangelium. In Sacharja 3,8 hatten wir gelesen: „Siehe, mein Knecht“ – das haben wir besonders im Markus-Evangelium vor uns, wo wir den Herrn Jesus als den Knecht Gottes finden, der gekommen war, um zu dienen. Hier heißt es: „Siehe, ein Mann …“ Das entspricht der Herrlichkeit des Herrn Jesus im Lukas-Evangelium, wo wir Ihn besonders als den wahren Menschen sehen. Schließlich lesen wir: „Siehe da, euer Gott!“ (Jes 40,9). Das weist uns auf das Johannes-Evangelium hin, das den Herrn Jesus als den Sohn Gottes vorstellt.

Michael Hardt

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2019, Heft 11, Seite 13

Bibelstellen: Sacharja 6,1-15;

Stichwörter: Josia, Josua, Vision, Wagen, Weltreiche