Biblische Lebensbilder

Timotheus

Timotheus ist vor allem durch die beiden Briefe bekannt, die Paulus ihm schrieb. Sein Name bedeutet „Ehre Gott“ oder „Ehre Gottes“. Dem entsprach er in der Tat. Den meisten Bibellesern wird dieser Diener Gottes aus Lystra gut bekannt sein. Wir finden seinen Namen einige Male in der Apostelgeschichte sowie in verschiedenen Briefen des Paulus. In den einleitenden Versen der folgenden Briefe verbindet sich Paulus mit ihm als Autor: 2. Korinther, Philipper, Kolosser, 1. und 2. Thessalonicher und Philemon. In Römer 16,21 werden Grüße von Timotheus ausgerichtet. Außer den Informationen, die wir den beiden Briefen entnehmen können, erhalten wir weitere Hinweise in 1. Korinther 4,17 und 16,10; in 2. Korinther 1,19; Philipper 2,19; 1. Thessalonicher 3,2.6 sowie Hebräer 13,23. Alle Hinweise zusammengenommen liefern ein umfassendes Bild über diesen treuen und hingebungsvollen Diener des Herrn.

Es gibt kaum zwei Diener des Herrn, die so miteinander verbunden waren und gemeinsam für ihren Herrn gearbeitet haben wie Paulus und Timotheus. Timotheus wird zum ersten Mal in Apostelgeschichte 16 mit Namen erwähnt. Paulus befand sich dort auf seiner zweiten Missionsreise (ca. 51-54 n. Chr.) und erwählte sich Timotheus zum Reisegefährten. Der letzte Brief, den Paulus schrieb, galt gerade diesem treuen Diener. Er schrieb ihn kurz vor seinem Tod (vermutlich im Jahr 67 n. Chr.). Zwischen dieser ersten Begegnung der beiden und dem letzten Kontakt per Brief mögen also gut 15 Jahre liegen, in denen diese beiden Diener eng miteinander verbunden waren.

1. Seine Herkunft und Bekehrung

Es gibt gute Gründe, davon auszugehen, dass Paulus das Werkzeug war, das Gott benutzt hat, um Timotheus zum christlichen Glauben zu bringen. Bereits auf seiner ersten Missionsreise (ca. 46-49 n. Chr.) war Paulus zweimal in der Gegend gewesen, in der Timotheus lebte (vgl. Apg 14,1.8.21). Es ist anzunehmen, dass Timotheus sich bereits zu diesem Zeitpunkt bekehrt hat, obwohl sein Name dort nicht ausdrücklich erwähnt wird. Das war demnach ca. 47 n. Chr. Von Haus aus war Timotheus im jüdischen Glauben erzogen. Er hatte einen griechischen Vater¹, jedoch eine jüdische Mutter mit Namen Eunike und eine Großmutter mit Namen Lois (2. Tim 1,5). Er kannte von Kind auf die Heiligen Schriften, d. h. das Alte Testament (2. Tim 3,15). Den Glauben an Jesus Christus hatte er jedoch erst später kennengelernt. Paulus nennt ihn deshalb sein „geliebtes Kind“ (2. Tim 1,2).

2. Sein Zeugnis

Schon als junger Mann hatte Timotheus ein gutes Zeugnis von den Brüdern seiner Heimatversammlung und darüber hinaus (Apg 16,1.2). Das bestärkte Paulus, Timotheus als Diener auf die Reise mitzunehmen. Die Ältesten der Versammlung identifizierten sich darin offensichtlich mit Timotheus. Paulus erinnert ihn im ersten Brief daran, dass sie ihm die Hände aufgelegt hatten (1. Tim 4,14).

3. Sein Dienst

Obwohl Timotheus seine Aufgabe als Diener von Paulus begann und ihm vermutlich in äußeren Dingen half, hatte Gott ihm eine besondere Gnadengabe gegeben. Verschiedene Hinweise in den Briefen zeigen das:

  • Paulus spricht zweimal ausdrücklich von einer Gnadengabe Gottes (einer Befähigung und einem Auftrag zum Dienst), die Timotheus empfangen hatte und die er nicht vernachlässigen, sondern anfachen sollte (1. Tim 4,14; 2. Tim 1,6).
  • In 2. Timotheus 1,6 erinnert Paulus seinen geistlichen Sohn daran, dass diese Gnadengabe durch Auflegen seiner Hände in ihm war. Es war und blieb eine Gnadengabe Gottes, dennoch wurde sie sozusagen dadurch besiegelt, dass Paulus ihm die Hände auflegte. Das machte die Gnadengabe und den Dienst von Timotheus einzigartig.
  • In 1. Timotheus 1,18 lesen wir von Weissagungen (Prophezeiungen), die vorher über ihn ergangen waren. Worum es sich dabei genau handelte, wissen wir nicht. Auch das machte den Dienst von Timotheus einzigartig.

Beim Lesen der Briefe gewinnen wir den Eindruck, dass Timotheus vor allem eine Gabe als Evangelist hatte, der von seinem Herrn zeugt (2. Tim 1,8; 4,5). Doch nicht nur das: Timotheus war ebenfalls in der Lage zu lehren und zu ermahnen, so dass er ebenso die Gabe des Lehrers und des Hirten gehabt haben wird.

4. Sein Charakter

Wenn man die Briefe an Timotheus im Zusammenhang liest, stellt man fest, dass Timotheus ein sehr hingebungsvoller und zugleich sensibler und zurückhaltender Bruder war. Deshalb wurde er ermutigt, seine Gnadengabe tatsächlich zu gebrauchen. Paulus erinnert ihn ausdrücklich daran, dass Gott uns nicht einen „Geist der Furchtsamkeit“ gegeben hat, „sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit“ (2. Tim 1,7). Den Korinthern schreibt Paulus: „Wenn aber Timotheus kommt, so seht zu, dass er ohne Furcht bei euch sei; denn er arbeitet am Werk des Herrn wie auch ich“ (1. Kor 16,10). Timotheus selbst wird mit den Worten ermuntert: „Niemand verachte deine Jugend, sondern sei ein Vorbild der Gläubigen in Wort, in Wandel, in Liebe, in Glauben, in Keuschheit“ (1. Tim 4,12). Darüber hinaus scheint er gewisse gesundheitliche Einschränkungen gehabt zu haben (1. Tim 5,23), die seinen Dienst beeinflussen konnten.

5. Seine Beschneidung

Im Gegensatz zu Titus wurde Timotheus zu Beginn seines Dienstes beschnitten (Apg 16,3).² Paulus sah sich dazu veranlasst, um unnötigen Widerstand durch die Juden zu vermeiden, die wussten, dass Timotheus einen griechischen Vater hatte. Die Juden würden ihn folglich als Heiden betrachten, während die Nationen ihn wegen seiner Mutter als Juden behandeln würden. Die Beschneidung des Timotheus machte ihn für die Gläubigen nicht annehmbarer, sondern geschah im Blick auf die Akzeptanz bei ungläubigen Juden (vgl. 1. Kor 9,20).

6. Seine Beziehung zu Paulus 

Paulus und Timotheus waren von Anfang an eng miteinander verbunden. Am Anfang ihres gemeinsamen Dienstes nennt Paulus ihn einen „Bruder und Mitarbeiter Gottes in dem Evangelium“ (1. Thes 3,2). In 1. Korinther 4,17 nennt er ihn schon sein „geliebtes und treues Kind im Herrn“. Die Tatsache, dass Paulus ihn Kind nennt, weist nicht nur darauf hin, dass er wahrscheinlich das Werkzeug zu seiner Bekehrung war, sondern zeigt, dass Timotheus von seinem „Vater“ viel gelernt hatte und durch ihn gewachsen war. Paulus schreibt ferner im Philipperbrief, dass Timotheus, wie ein Kind dem Vater, mit Paulus gedient hat an dem Evangelium (Kap. 2,22). Dieses Zeugnis geht wohl am weitesten. Beide Diener Gottes waren bis zum Lebensende von Paulus eng miteinander verbunden. Man spürt Paulus‘ herzliche Zuneigung zu seinem jüngeren Bruder und Mitarbeiter ganz besonders in seinem Vermächtnis im zweiten Brief und in dem zweifachen Appell, so bald wie möglich – vor seiner Hinrichtung – nach Rom zu kommen (2. Tim 4,9.21). Die Beziehung zwischen dem älteren Paulus und dem jüngeren Timotheus ist vorbildhaft. Paulus war bereit, in gewissem Sinn den Staffelstab zu übergeben, und er tat es ohne jede Spur von Bitterkeit oder gar Eifersucht. Timotheus war bereit, diesen Staffelstab zu übernehmen, ohne je den Respekt und das Vertrauen in seinen geistlichen Vater infrage zu stellen.

7. Seine Biografie

Timotheus begleitete Paulus (gemeinsam mit Silas) auf Teilen seiner zweiten Missionsreise (ca. 52- 54 n. Chr.). Diese Reise führte Paulus erstmals nach Europa (Philippi, Amphipolis, Thessalonich, Beröa, Athen und Korinth). Während dieser Reise sandte Paulus den Timotheus von Athen aus nach Thessalonich zurück, damit er ihm Nachricht über den Zustand der Versammlung bringen konnte (1. Thes 3,1-6). In Korinth trafen sich die beiden (und Silas) wieder (Apg 18,5). Auf der dritten Missionsreise (ca. 54-58 n. Chr.) begleitete Timotheus Paulus erneut zum Teil. Von Ephesus aus wurde er nach Mazedonien und Korinth gesandt (Apg 19,22; 1. Kor 4,17; 16,10).

Ich hoffe aber im Herrn Jesus, Timotheus bald zu euch zu senden, damit auch ich guten Mutes sei, wenn ich eure Umstände kenne. Denn ich habe keinen Gleichgesinnten, der von Herzen  für das Eure besorgt sein wird; denn alle suchen das Ihre, nicht das, was Jesu Christi ist.
Philipper 2,19-21

Als der zweite Korintherbrief geschrieben wurde, war er jedoch wieder bei Paulus in Mazedonien (2. Kor 1,1). Als Paulus dann nach Jerusalem zurückkehrte und dort inhaftiert wurde, war Timotheus wahrscheinlich nicht bei ihm, sondern befand sich bereits in Ephesus. Später finden wir ihn als Begleiter im Gefängnis in Rom (bei der ersten Gefangenschaft). Offensichtlich hat er Paulus dort aufgesucht. Außer im Epheserbrief wird er in allen Briefen, die Paulus aus dem Gefängnis schreibt, erwähnt (Phil 1,1; Kol 1,1; Phlm 1). Nachdem Paulus freigelassen wurde und unter anderem nach Ephesus kam, blieb Timotheus erneut für einige Zeit dort.

Zu einem uns nicht bekannten Zeitpunkt wurde Timotheus ebenfalls inhaftiert und anschließend wieder freigelassen (Heb 13,23). Wenn Paulus der Verfasser des Hebräerbriefs ist, geschah dies zu seinen Lebzeiten. Über Einzelheiten gibt es keine Hinweise in der Bibel. Gleiches gilt für das Lebensende dieses Dieners Gottes. Die Kirchengeschichte gibt dazu keine überzeugenden Details.

Fazit und Schlussfolgerung

Timotheus war ein besonderes Werkzeug in der Hand Gottes. Die Gnadengabe, die er von Gott bekommen hatte, ist nicht 1:1 auf uns übertragbar. Dennoch können wir von Timotheus eine Menge lernen. Er zeigt uns, wie man – selbst als junger Mensch – engagiert im Werk des Herrn tätig sein kann. Zugleich erkennen wir, dass jeder Diener Ermutigung braucht. Die Gefahr, eine Gnadengabe zu vernachlässigen, ist immer groß. Überdies wird Timotheus aufgefordert, seinen Dienst gerade in einer schwierigen Zeit fortzusetzen. Dieser finale Appell des Paulus sollte auch von uns nicht überhört werden.


FN 1: Die Tatsache, dass sein Vater nicht weiter erwähnt wird, deutet darauf hin, dass er kein Christ war. Und weil Timotheus nicht beschnitten war, lässt sich ebenfalls vermuten, dass sein Vater auch den jüdischen Glauben nicht angenommen hatte. Unter welchen Umständen seine jüdische Frau ihn geheiratet hatte, wissen wir nicht. Sie war jedenfalls für Timotheus eine gottesfürchtige Mutter (vgl. 2. Tim 1,5).

FN 2: Nach Galater 2,3 war Titus ein Grieche, und Paulus bestand darauf, ihn nicht zu beschneiden. Das zu tun, wäre ein Zugeständnis an die judaisierenden Lehrer gewesen, die den Gläubigen aus den Nationen nur zu gerne das Gesetz auferlegen wollten.

Ernst August Bremicker

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2019, Heft 11, Seite 20

Bibelstellen: 1. Korinther 4,17; 16,10; 2. Korinther 1,19; Römer 16,21; Philipper 2,19; u. a.

Stichwörter: Bekehrung, Dienst, Zeugnis