Die blutflüssige Frau
Fortsetzung von Heft 03/2020, Seite 23
Der Herr kennt die wahren Bedürfnisse
Der Herr wusste um die Situation der Frau, und Er hat auch alle vor Augen, die sich, geistlich gesehen, in einer ähnlichen Situation befinden. Es genügte Ihm nicht, die Frau von ihrem Blutfluss zu heilen. Der Knecht Gottes wollte den Menschen weit mehr bringen als die Heilung von körperlichen Krankheiten und Nöten. Immer ging es Ihm in erster Linie um das Wohl ihrer Seele, um ihre geistlichen Bedürfnisse, um den Frieden des Herzens. Das sehen wir bei vielen Wunderheilungen. So sprach der Herr dem Gelähmten, der von seinen Freunden zu Ihm getragen wurde, zuerst die Sündenvergebung zu, bevor Er ihn von seiner Krankheit befreite (Mk 2,1 ff.).
Der Herr Jesus kennt die wahren Bedürfnisse von uns Menschen viel besser als wir selbst. Und alle, die damals zu Ihm kamen, machten die Erfahrung, dass sie viel reicher von Ihm beschenkt wurden, als sie es erhofft hatten. Der Segen, den Er schenkt, übersteigt alle Erwartungen. Das sollte auch die blutflüssige Frau erfahren.
Was der Herr ihr schenken wollte
Der Herr wollte dieser Frau tatsächlich etwas viel Besseres schenken als das, was sie suchte: nicht nur die Heilung ihres Blutflusses, sondern Glück und inneren Frieden. Voraussetzung dafür war, dass sie Ihn wirklich kennenlernte. Deshalb ließ der Herr die Frau nicht einfach weggehen. Er wollte sie zu sich führen; sie sollte in seine Gegenwart kommen, um Ihn selbst als den Geber des Segens kennenzulernen, denn das Kennen des Gebers verleiht einer Gabe einen viel höheren Wert.
Außerdem sollte die Frau wissen, dass Er ihr wohlwollend und in Gnade zugetan war. Sie sollte erkennen, dass der Segen, den sie sich zwar durch eine Berührung im Glauben, aber doch heimlich und unerkannt erschleichen wollte, ein Geschenk war, das Er ihr bewusst und in Gnade gemacht hatte – ein Geschenk, zu dem sie letztlich gar nichts beitragen konnte.
Darüber hinaus war es dem Herrn ein Anliegen, dass sich der Glaube dieser Frau nicht länger auf ihre Gefühle oder ihre Erfahrung stützte. Deshalb wollte Er ihrem Glauben eine sichere Basis geben durch eine Zusicherung, die ihr echte Gewissheit und wirklichen Frieden vermitteln würde. Ohne die Zusicherung des Herrn hätte die Frau befürchten können, dass die Plage von neuem ausbricht. Aber durch seine Worte gab Er ihr die Gewissheit, dass alles in Ordnung gebracht worden und sie von ihrer Krankheit dauerhaft geheilt war.
Die Kraft des Herrn
Interessant ist die Art und Weise, wie der Herr vorgeht. Auch wenn die Heilung der Frau scheinbar unbemerkt geschehen war und sie sich anschließend wieder unbemerkt davonstehlen wollte, so blieb dem Herrn doch nichts verborgen. Er wusste, dass Ihn jemand aus der Volksmenge bewusst und im Glauben angerührt hatte. Der Herr nimmt genauso Notiz von jedem, der in Sündennot ist und sich im Glauben an Ihn wendet – auch wenn der Glaube und die Erkenntnis seiner Person noch schwach sind.
Die Heilung, die die Frau erlebte, war durch die Kraft bewirkt worden, die von dem Herrn Jesus ausging. Sie beruhte nicht einfach auf der äußerlichen Berührung seiner Kleider, auch wenn die Berührung ein Glaubensakt war. Ihre Berührung im Glauben war zwar die Voraussetzung für die Heilung, die die Frau erfahren durfte; aber die Kraft ging von Ihm aus, die Heilung war allein sein Werk.
Ein Einwand
Als der Herr die Frage stellt, wer seine Kleider angerührt habe, versuchte Petrus, Ihn zu verbessern. Die Frage erschien ihm irgendwie töricht, zumal der Herr von sehr vielen Menschen umdrängt wurde. Doch der Meister stellt keine törichten Fragen. Töricht war vielmehr der Einwand von Petrus: Wie konnte er seinem Meister Unwissenheit unterstellen? Der Herr wusste tatsächlich alles. Und wenn durch Ihn eine Heilung geschehen war, dann war dies eine ganz bewusste Sache, die durch seine Kraft bewirkt worden war.
Jedem Glaubenden
Diese Kraft des Herrn war übrigens immer da (vgl. Lk 5,17). Grundsätzlich stand sie jedem zur Verfügung. Aber nur solchen, die Ihn im Glauben anrührten, die bewusst und im Glauben zu Ihm kamen, kam seine Kraft zugute. So erlebte es diese Frau. Genauso steht heute jedem Menschen Gottes Kraft im Evangelium zur Verfügung. Wir müssen sie nur im Glauben in Anspruch nehmen. Denn das Evangelium ist „Gottes Kraft zum Heil jedem Glaubenden“ (Röm 1,16). Jeder, der im Glauben zum Herrn Jesus kommt, der Ihn und sein Erlösungswerk annimmt, wird gerettet.
Nicht nur für den Sünder
Die Kraft des Herrn steht allerdings nicht nur dem Sünder zur Verfügung. Wir dürfen auch eine Anwendung auf uns, die Glaubenden, machen. Damit die Kraft des Herrn sich in unserem Leben wirksam erweisen kann, müssen wir Ihn „berühren“, das heißt, wir müssen in Verbindung oder Gemeinschaft mit Ihm bleiben. Nur dann kann sich das neue Leben in uns entfalten und sich seine Kraft mächtig erweisen. Dazu reicht nicht eine äußerliche „Berührung“, ein nur oberflächlicher Kontakt – etwa die rein körperliche Anwesenheit in einer Versammlungsstunde.
Eine weitere Voraussetzung dafür, dass die Kraft des Herrn in unserem Leben wirksam wird, besteht darin, dass wir im Bewusstsein des eigenen Unvermögens und der eigenen Kraftlosigkeit zu Ihm kommen. Denn nur wenn wir schwach sind, sind wir stark. Nur wenn wir uns selbst verurteilen und nicht auf die eigene Kraft bauen, sind wir stark im Herrn. Nur dann kann sich die Kraft Christi in uns entfalten – in unserem Leben und in unserem Dienst für den Herrn.
Voll Furcht und Zittern
Als der Herr sich umblickte und die Frau erkannte, die Ihn angerührt hatte, trat sie mit Furcht und Zittern vor Ihn. Weshalb fürchtete sie sich? Sie hatte doch etwas Großes erlebt: Sie war von ihrem Blutfluss geheilt worden und war nun nicht mehr unrein.
Ein Grund für ihre Furcht bestand darin, dass sie sich den Segen erschlichen hatte und dadurch den Herrn selbst noch nicht kennengelernt hatte, der ihr in seiner Gnade dieses große Heilungsgeschenk gemacht hatte. Auch hatte sie die Zusagen des Herrn noch nicht gehört, die ein festes Fundament für den Glauben bilden. Daher fehlten ihr Gewissheit und innerer Friede.
Menschenfurcht
Aber gab es nicht auch noch einen weiteren Grund für ihre Furcht? Hatte die Frau nicht auch eine gewisse Menschenfurcht? Hatte sie sich nicht von hinten an den Herrn herangeschlichen, um jede Aufmerksamkeit zu vermeiden? Sie wollte nicht, dass die Menschen etwas bemerkten. Selbst als sie an ihrem Leib die ersehnte Heilung spürte, wollte sie sich wieder heimlich davonstehlen. Niemand sollte erfahren, was geschehen war.
Menschen, die sich ihre Heilung „erschlichen“ haben, gibt es auch heute. Sie sind zwar mit ihrer Sündenlast zum Herrn Jesus gekommen, haben Vergebung und Befreiung erfahren, haben sich dann aber wieder „davongestohlen“. Zum einen haben sie nie den Herrn und seine Zusagen richtig kennengelernt. Ihr Glaube stützt sich nur auf ihre Erfahrung und besitzt daher keine Festigkeit. Zum anderen haben sie auch nie etwas von dem erzählt, was sie erlebt haben. Menschenfurcht hindert sie daran, die Sache offenbar zu machen. Sie haben sich nie offen dazu bekannt, sich nie öffentlich und bewusst auf die Seite ihres Retters gestellt. Dies ist ein weiterer Grund, weshalb sie keinen inneren Frieden haben und nicht wirklich innerlich frei und glücklich sind.
Ein öffentliches Bekenntnis
Der Herr wollte der Frau wahren Frieden, wirkliche Befreiung und eine glückliche Gewissheit schenken, die sich auf seine Zusagen stützt. In Verbindung damit steht auch ein Bekenntnis oder Zeugnis, das der Herr von der Frau erwartete.
Nachdem die Frau vor den Herrn getreten war und Ihn als den Geber des Segens kennengelernt hatte, fiel sie vor Ihm nieder und sagte Ihm die ganze Wahrheit.
Was hat es mit diesem Bekenntnis auf sich? Wie müssen wir es im Zusammenhang mit der geistlichen Bedeutung dieser Begebenheit verstehen? Natürlich muss jeder Sünder, der zu dem Herrn Jesus kommt und bei Ihm Befreiung von seiner Sündenlast sucht, ein Bekenntnis ablegen: Wenn wir unsere Sünden bekennen, werden sie uns vergeben (vgl. 1. Joh 1,9). Eine echte Bekehrung beinhaltet auch immer ein Bekenntnis. Aber darum geht es hier nicht, denn so ein Sündenbekenntnis findet nicht in aller Öffentlichkeit statt, sondern ist eine persönliche Sache zwischen dem, der umkehrt, und dem Herrn. Ganz anders verhält es sich mit dem Bekenntnis dieser Frau. Es ist ein öffentliches Bekenntnis, ein öffentliches Zeugnis, das die Frau nicht nur vor dem Herrn, sondern vor der Volksmenge ablegt (vgl. Lk 8,47). Was war der Inhalt dieses Bekenntnisses? Markus schreibt, dass sie Ihm die ganze Wahrheit sagte (Mk 5,33). Lukas schreibt, dass sie berichtete, warum sie den Herrn angerührt hatte und wie sie sofort geheilt worden war (Lk 8,47).
Das Zeugnis dieser Frau war also ein öffentliches Bekenntnis von der Befreiung, die sie erlebt hatte. Damit war es auch ein öffentliches Bekenntnis zu dem, der sie geheilt hatte. Im Glauben war sie zu Ihm gekommen und geheilt worden. Und jetzt, nachdem sie geglaubt hatte, nachdem sie vor den Herrn getreten war, legte sie ein Bekenntnis ab. Darin zeigt sich ihr Glaube.
Voraussetzung für Gewissheit
Es ist interessant, dass der Herr der Frau erst auf dieses Bekenntnis hin weitere Zusagen gemacht hat, durch die Er ihr Frieden vermittelte und die völlige Gewissheit, dass sie tatsächlich und für immer von ihrer Plage geheilt worden war. Dieses öffentliche Bekenntnis, dieses Bekenntnis zu dem Herrn Jesus hin war also in gewisser Weise die Voraussetzung für ihren inneren Frieden, für ihre Heilsgewissheit, die der Herr ihr durch seine Zusagen vermittelte.
Wie können wir das geistlich übertragen? Eine Stelle in Römer 10 hilft uns hier weiter. In Vers 10 schreibt der Apostel: „Mit dem Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit, mit dem Mund aber wird bekannt zum Heil.“ Die erste Aussage verstehen wir gut. Das entspricht dem, was die blutflüssige Frau erlebt hat und was jeder erfährt, der den Herrn Jesus und sein Sühnungswerk im Glauben annimmt. Er wird befreit von seiner Last, er erfährt Vergebung und noch mehr: Gott rechtfertigt den, „der des Glaubens an Jesus ist“ (Röm 3,26). Insofern gereicht der Glaube, der immer zuerst eine Herzenssache ist, zur Gerechtigkeit (vgl. Röm 4,3.5; Gal 3,6).
Bekenntnis zum Heil
Erstaunt sind wir vielleicht über die zweite Aussage: „Mit dem Mund aber wird bekannt zum Heil.“ Mit dem Mund bekennen oder bezeugen wir öffentlich. Durch unser Bekenntnis stellen wir uns öffentlich auf die Seite des Herrn Jesus. Inwiefern gereicht dieses Bekenntnis zu unserem Heil, zu unserer Errettung? Dazu müssen wir uns zuerst klarmachen, dass unser Heil mehr umfasst als die Vergebung der Sünden oder unsere Rechtfertigung. Unser Heil beinhaltet auch den Frieden mit Gott sowie die glückliche Gewissheit, vollkommen befreit zu sein, passend zu sein für Gottes Gegenwart, und das Bewusstsein, von Ihm angenommen zu sein und in seiner Gnade zu stehen.
Darüber hinaus bezieht sich unser Heil auch auf unsere Stellung auf der Erde. Durch das Bekenntnis zu unserem Herrn stellen wir uns öffentlich auf seine Seite und bezeugen, dass wir zu Ihm gehören und nicht länger zu dieser Welt. Diesen Aspekt des Heils oder der Errettung haben wir auch in der Taufe. Deshalb sagt der Herr: „Wer da glaubt und getauft wird, wird errettet werden“ (Mk 16,16). Die Errettung der Seele empfangen wir natürlich nur durch den Glauben. Aber die Errettung, die auch unsere Stellung auf der Erde einschließt, haben wir erst, wenn wir uns öffentlich zu dem Herrn Jesus bekennen. Erst dann stehen wir wirklich auf seiner Seite und gehören auch nach außen hin zur Familie der Geretteten.
Echter Glaube bekennt
Mit dem Bekenntnis steht allerdings noch mehr in Verbindung. Echter Glaube offenbart sich in einem solchen Bekenntnis. Einerseits beweist er dadurch seine Aufrichtigkeit; andererseits wird der Glaube belebt und gestärkt durch ein offenes Bekenntnis. Solange sich jemand scheut, Christus als seinen Herrn zu bekennen, solange er zögert, sich auf seine Seite zu stellen, ist er auch innerlich nicht wirklich frei und in Frieden. Mit einem offenen Bekenntnis des Namens Jesu ist wahre Freudigkeit und Heilsgewissheit verbunden, wirklicher Herzensfriede.
Das heißt natürlich nicht, dass sich der Friede und die Heilsgewissheit allein auf unser Bekenntnis gründen. Sie gründen sich auf die Worte des Herrn, auf seine Zusagen, die wir in seinem Wort finden. Sie gründen sich darauf, dass wir uns im Glauben auf sein Wort stützen. Aber derjenige, der sich zu dem Herrn bekennt, wird von Ihm weitergeführt wie diese Frau. Ihr Glaube, wie er sich in der Berührung seiner Kleider zeigte, brachte ihr die ersehnte Heilung; aber ihr Bekenntnis, das sie vor dem Herrn und den Menschen ablegte, ließ sie das Wort der Zusicherung hören, das ihrem Herzen Frieden und völlige Gewissheit gab.
Genau das ist der große Segen, den der Herr Jesus jedem vermitteln möchte, der im Glauben zu Ihm kommt. Er möchte uns nicht nur von unserer Sündenlast befreien, sondern auch die Gewissheit geben, dass alles gutgemacht ist, dass wir in Gottes Gnade stehen, dass wir Frieden mit Gott haben und ein ewig sicheres Heil.
Zusammenfassung:
Bevor die geheilte Frau zum Herrn Jesus kam, beruhte ihre Gewissheit auf ihrer Erfahrung, auf ihren Gefühlen und darauf, dass sie an ihrem Leib eine Veränderung bemerkt hatte. Doch das war nur ein vages Bewusstsein, das keinen wirklichen Herzensfrieden, keine wirkliche Heilsgewissheit beinhalten konnte. Aber jetzt, nachdem sie den Herrn kennengelernt und sich öffentlich zu Ihm bekannt hatte, konnte sie sich im Glauben auf sein Wort stützen, auf seine Zusagen. Sie wusste, dass der Herr sie angenommen hatte, dass sie passend war für seine Gegenwart und ohne Furcht vor Ihn treten konnte und dauerhaft geheilt war. Er selbst hatte sie gerechtfertigt aufgrund ihres Glaubens. Was für eine Glaubensgewissheit, was für eine Heilsgewissheit!
Das ist das Wort des Glaubens, das wir predigen, dass, wenn du mit deinem Mund Jesus als Herrn bekennst und in deinem Herzen glaubst, dass Gott ihn aus den Toten auferweckt hat, du errettet werden wirst. Denn mit dem Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit, mit dem Mund aber wird bekannt zum Heil.
*Römer 10,8-10
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