Ermutigung

Enttäuschungen – und wie der Herr heilt

Wer wäre in seinem Leben nicht schon durch eine schwere Enttäuschung entmutigt worden? Man hatte seine ganze Hoffnung auf eine Person oder auf ein bestimmtes Ereignis gesetzt – und dann ist alles ganz anders gekommen! Niedergeschlagenheit und Zweifel sind die Folge, im schlimmsten Fall sogar ein resignierendes Abdriften in die Welt.

Enttäuschung wegen falscher Erwartungen

In Zeiten der Erweckung, wenn der Geist Gottes sehr offensichtlich wirkt, ist es für einen Gläubigen vergleichsweise leicht, froh seinen Weg zu gehen. Er erlebt, wie er vom Strom einer geistlichen Begeisterung mit fortgerissen wird. Die Kontakte mit anderen Glaubensgenossen ermutigen ihn. Doch wenn solche Zeiten langsam wieder ausklingen, wenn die Macht des Bösen wieder schmerzlich offenbar wird und auf die Flut des Erfolgs die Ebbe der Enttäuschungen folgt – was dann? Dann setzt oft eine Phase der Mutlosigkeit ein, die umso schwerer wiegt, je größer der vorangegangene Erfolg und die darauf gestützten Erwartungen waren. Ist das nicht ein typisches Kennzeichen unserer Zeit?

Wo sind die großen Missionserfolge? Wo findet man noch örtliche Versammlungen, die zahlenmäßig wachsen? Liegt die Ursache für diesen Niedergang nicht vor allem darin, dass wir unsere Glaubensbeziehung zu Christus vernachlässigt haben? Dadurch konnte eine Flut von unbiblischen Lehren, verbunden mit ausgeprägter Weltlichkeit, über uns hereinbrechen. Verwundert es dann, wenn viele ernste Christen enttäuscht und entmutigt sind?

Wir leben in der Haushaltung, in einer Zeit, in der der Heilige Geist auf der Erde wohnt. Dieser Epoche ging die Zeit voraus, in der der Sohn Gottes auf der Erde lebte. Jene wenigen Jahre waren angefüllt mit den denkwürdigsten Ereignissen dieser Welt. Sie weckten in den Herzen vieler gläubiger Juden lebhafte Erwartungen an den Messias. Doch dann starb Er am Kreuz – und die anfängliche Euphorie wich der tiefsten Enttäuschung.

Die Emmaus-Jünger

In Lukas 24,13-25 wird uns eine bewegende Geschichte mitgeteilt, die die inneren Erfahrungen zweier solcher Menschen illustriert und die Ursachen ihrer Enttäuschung offenbart. Aber der Heilige Geist zeigt uns auch das Heilmittel dagegen. Wir wollen einige Lektionen aus ihrer Geschichte durchnehmen.

„Und siehe, zwei von ihnen gingen an demselben Tag in ein Dorf, mit Namen Emmaus, sechzig Stadien von Jerusalem entfernt. Und sie unterhielten sich miteinander über dies alles, was sich zugetragen hatte“ (V. 13.14). Die zwei Jünger waren dabei, sich vom Zentrum des göttlichen Wirkens (das war zur damaligen Zeit Jerusalem) zu entfernen. Sie taten dies, weil sie entmutigt waren, und sie waren entmutigt, weil sie zutiefst enttäuscht waren. Wir können uns vielleicht nur schwer die Erwartungen vorstellen, die durch die Ankunft des Messias in ihren Herzen geweckt worden waren. Vor ihrem geistigen Auge sahen sie schon die Befreiung vom römischen Joch, eine umfassende nationale Erweckung und die prachtvolle Herrlichkeit eines Reiches unter Davids Sohn, worin sie vielleicht auch für sich eine hervorragende Stellung erwarteten. „Wir aber hofften“, sagten sie, „dass er der sei, der Israel erlösen solle“ (V. 21). Sie hatten seinen Anspruch auf den Königsthron doch drei Jahre lang unterstützt! Nun aber war diese „Vision“ abrupt zerstört worden. Denn statt den Kaiser zu stürzen und den Thron Davids einzunehmen, war Jesus von den kaiserlichen Soldaten ans Kreuz genagelt worden. Ja, das Volk hatte sich sogar noch fester als je unter das Joch des Kaisers gestellt, indem es rief: „Wir haben keinen König als nur den Kaiser“ (Joh 19,15). Tieftraurig und unfähig, diesen plötzlichen und dramatischen „Absturz“ ihres Messias erklären zu können, waren die beiden im Begriff, ihre Jüngerschaft abzustreifen und nach Hause zurückzukehren.

Das Eingreifen des Herrn

„Und es geschah, während sie sich unterhielten und sich miteinander besprachen, dass Jesus selbst sich näherte und mit ihnen ging; aber ihre Augen wurden gehalten, so dass sie ihn nicht erkannten. Er sprach aber zu ihnen: Was sind das für Reden, die ihr im Gehen miteinander wechselt? Und sie blieben niedergeschlagen stehen. Einer aber, mit Namen Kleopas, antwortete und sprach zu ihm: Bist du der Einzige, der in Jerusalem weilt und nicht erfahren hat, was in ihr geschehen ist in diesen Tagen? Und er sprach zu ihnen: Was denn?“ (V. 15-19).

Zunächst stellt Er ihnen nur zwei kurze Fragen. Diese sollen dazu dienen, von ihnen die Hintergründe ihrer Niedergeschlagenheit zu erfahren. Er möchte, dass sie ihr Problem in Worte fassen und es Ihm anvertrauen. Dann aber offenbart Er seine Fähigkeit, auch die Wurzel ihrer Betrübnis zielsicher aufzudecken. Denn nachdem sie Ihm ihr Herz ausgeschüttet haben, sagt Er: „O ihr Unverständigen und trägen Herzens, an alles zu glauben, was die Propheten geredet haben! Musste nicht der Christus dies leiden und in seine Herrlichkeit eingehen? Und von Mose und von allen Propheten anfangend, erklärte er ihnen in allen Schriften das, was ihn selbst betraf“ (V. 25-27).

Zwei Tatsachen werden an dieser Stelle vorgestellt: Erstens, dass Enttäuschungen bei Gläubigen meistens dadurch entstehen, dass sie falsche Erwartungen haben, die nicht auf das Wort Gottes gestützt sind. Die Schrift sagte nichts davon, dass Christus „einfach so“ sein Volk erretten würde!

Zweitens werden ungerechtfertigte Erwartungen oft deshalb gehegt, weil sie nur einen Teil der Schrift berücksichtigen, statt „alles, was die Propheten geredet haben.“ Gab es denn keine Schriftstellen, die den Glauben an einen Messias rechtfertigten, der in Macht und Herrlichkeit kommen würde, um Israel von jedem Joch zu erlösen? Doch, gewiss gab es sie. Man könnte eine Vielzahl solcher Stellen anführen. Aber es gab eben auch andere, die von einem erniedrigten Messias sprachen. Einem Messias, der von den Menschen verachtet und abgelehnt sein würde und den Gott wegen der Sünden seines Volkes zerschlagen würde (Jes 53,3.10). Doch solche Schriftstellen übersahen sie. Offensichtlich waren sie so stark auf diese Prophezeiungen über seine Herrlichkeit fokussiert, dass ihnen die Voraussagen seiner Leiden eher mysteriös, undeutlich und verworren erschienen. Sie meinten, sie getrost ignorieren zu dürfen, weil sie von keinem besonderen Interesse oder Gewinn zu sein schienen. Folglich kam es ihnen nicht in den Sinn, dass der Christus zuerst „dies leiden“ und dann „in seine Herrlichkeit eingehen“ würde.

Typische Enttäuschungen heute

Fast zwei Jahrtausende sind vergangen, seit Kleopas und sein Begleiter ihren sorgenvollen Weg gingen. Aber die Grundzüge ihrer Geschichte werden immer noch von einer Vielzahl enttäuschter Christen nacherlebt.

„Bald nach meiner Bekehrung“, sagt einer, „strebte ich Vollkommenheit an. Ich glaubte, dass die Sünde in mir völlig ausgelöscht werde. Doch mit der Zeit entdeckte ich zu meinem großen Kummer, dass sie noch immer in mir lebte und wirkte. Seit dieser Entdeckung kann ich mich nur noch mit kleinster Kraft an Gott festhalten. Ich weiß kaum, ob ich gerettet bin oder nicht.“

Ein anderer berichtet: „Ich war immer ein ernsthafter christlicher Arbeiter und betätigte mich mit großem Eifer in der Mission. Ich glaubte fest an das baldige Kommen des Tausendjährigen Reiches, wie es die Bibel beschreibt. Der Gedanke, dass dann das Evangelium triumphieren und von einem Sieg zum nächsten schreiten würde, erfüllte mich mit Begeisterung. In letzter Zeit jedoch bedrückt mich die Erkenntnis, dass die Zahl der sich neu zum Christentum bekennenden Menschen (nicht zu sprechen von den wirklich Bekehrten) nicht mit dem Anstieg der Weltbevölkerung Schritt hält. Schlimmer noch: Die tatsächlichen Triumphe des Evangeliums in heidnischen Ländern werden sogar durch die Triumphe des Rationalismus und Ritualismus in den Heimatländern des Christentums völlig verschlungen. Ich kann nicht beschreiben, wie desillusioniert ich bin. Ich habe völlig den Mut verloren, das Evangelium weiterhin zu verbreiten.“

„Vor Jahren“, erzählt ein Dritter, „habe ich mich einer religiösen Bewegung angeschlossen, die, wie ich dachte, eine wirkliche Befreiung in der Christenheit auslösen würde. Ich verspürte großen Segen für meine Seele, als ich dort eine lange in Vergessenheit geratene biblische Wahrheit vernahm. Ich dachte, ich hätte tatsächlich die Musterkirche gefunden, errichtet auf den Grundlagen der Apostel und der Urgemeinde. Ganz sicher würde sie zu einem Zentrum werden, das einmal alle Christen zusammenbringt. Aber heute – was ist aus meiner Musterkirche geworden? Alles ist in Verwirrung. Jeder Versuch, christliche Einheit und Ordnung darzustellen, endete in Durcheinander und Versagen. Ich bin tieftraurig und sehr deprimiert.“

Gottes Wort als Ganzes beachten

Man könnte noch viele solcher erschütternden Beispiele nennen, aber alle würden – wie die oben angeführten – nur illustrieren, welche katastrophalen Folgen es hat, wenn man bei seinen Erwartungen einzelne Teile der Schrift unbeachtet lässt. Lesen wir nicht in Gottes Wort sowohl über eine Befreiung von der Sünde als auch von einer Strafe für sie? Heißt es nicht: „Die Sünde wird nicht über euch herrschen“ (Röm 6,14), und doch an anderer Stelle: „Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so betrügen wir uns selbst“ (1. Joh 1,8)? Selbst nachdem der Apostel Paulus in den dritten Himmel entrückt worden war, brauchte er einen Dorn für das Fleisch, damit er sich nicht überhöbe. Natürlich lesen wir in der Schrift, dass Gott den Gläubigen von der Macht der Sünde befreit hat. Doch wenn wir die ganze Schrift berücksichtigen, lernen wir, dass wir keinesfalls bereits von der Gegenwart der Sünde befreit sind. Wenn wir diesen Unterschied nicht beachten, führt dies unweigerlich zu Enttäuschung und „Schiffbruch im Glauben“ (1. Tim 1,19).

Zweifellos sind die prophetischen Schriften voller Vorhersagen über eine wunderbare Segenszeit für diese Erde, allgemein als „Tausendjähriges Reich“ bezeichnet. Dann wird Christus seine Herrschaft über alle Nationen ausüben. Gewaltige geistliche Bewegungen werden stattfinden. Eine Nation wird „an einem Tag zur Welt gebracht“ werden (Jes 66,8). Im Volk Israel werden „alles Gerechte“ sein (Jes 60,21), und überall auf der Welt werden Gerechtigkeit und Frieden gedeihen. Doch zunächst muss das Gericht kommen: „Wenn deine Gerichte die Erde treffen, so lernen die Bewohner des Erdkreises Gerechtigkeit“ (Jes 26,9). Und heute gilt, dass Gott sich ein Volk für seinen Namen aus den Nationen herausnimmt (Apg 15,14).

Und was soll man den vielen Christen sagen, die angesichts ihres eigenen Versagens enttäuscht und verzweifelt sind? Oder die betrübt sind über das Versagen ihrer Glaubensgenossen in Bezug auf den gemeinsamen Dienst oder die praktische Gemeinschaft unter Christen? Welcher ernsthafte Jünger des Herrn Jesus ist nicht umgeben von den Trümmern der „Denominationen“, „Gruppierungen“, „Gesellschaften“ oder anderen Vereinigungen kirchlicher Art – ganz gleich, ob sie ursprünglich im Einklang mit gewissen biblischen Grundsätzen gegründet wurden oder nicht? In manchen Fällen hat der sichtbare Zerfall nichts als Bruchstücke hervorgebracht; in anderen Fällen, was noch viel schlimmer ist, wurde äußere Einheit auf Kosten der Reinheit praktiziert. Im Innern greifen Fäulnis und Korruption um sich. Was ist aus den rosigen Erwartungen geworden, die man anfangs hatte und die so rücksichtslos zunichtegemacht wurden? – Ja, was soll man ihnen sagen?

In der erwähnten Begebenheit aus Lukas 24 kommt ein aufschlussreicher Satz über die Lippen von Kleopas: „Wir aber hofften, dass er der sei, der Israel erlösen solle.“ Offensichtlich nahmen die Erlösung und Herrlichkeit seines geliebten Volkes den ersten Platz in seinen Gedanken ein. Er las die Schriften und für ihn war Israel das große Thema – und der Messias lediglich der von Gott gegebene Diener, um dieses Israel groß zu machen! Erstens Israel, zweitens der Messias. Ein großer Fehler, aus dem dann auch seine Enttäuschung und Not resultierte!

Kann es sein, dass viele von uns sich im Grunde des gleichen Fehlers schuldig gemacht haben? Haben bestimmte Dinge so sehr unsere Aufmerksamkeit auf sich gezogen, dass wir unbewusst unser eigenes kleines „Israel“ errichtet haben, dessen Erfolg uns wichtiger ist als alles andere? Seit Pfingsten gab es viele Bewegungen in der Christenheit, die einen deutlich himmlischen Ursprung besaßen. Der Geist Gottes hatte sie bewirkt. Und es kann sein, dass auch wir in den Strom einer solchen Erweckung gezogen wurden. Aber oft waren Gläubige derart von einer Bewegung eingenommen, dass sie sich noch an sie klammerten, als deren Lebenskraft schon verbraucht und verhallt war. Die Bewegung hat den Meister in den Hintergrund gedrängt! Ist so etwas vielleicht auch bei uns der Fall?

Das Heilmittel

Doch, Gott sei Dank, gibt es ein Heilmittel, das uns deutlich in unserem Text aufgezeigt wird. Zwei wesentliche Punkte haben wir bereits beleuchtet und fassen sie jetzt noch einmal kurz zusammen:

1. Die ganze Schrift

Das ist von grundlegender Bedeutung, denn es wird in Lukas 24 nicht weniger als dreimal betont: „alles […], was die Propheten geredet haben“, „von allen Propheten anfangend“ und „in allen Schriften“ (V. 25-27). Wir lernen daraus, dass wir beim Lesen der Schrift nicht in den Fehler verfallen dürfen, bestimmte Passagen zu bevorzugen und dafür andere teilweise oder völlig zu ignorieren.

Auch müssen wir uns davor hüten, bei der Interpretation der Schrift in irgendeiner Weise voreingenommen zu sein, „indem ihr dies zuerst wisst, dass keine Weissagung der Schrift von eigener Auslegung ist“ (2. Pet 1,20). Eine Schriftstelle darf also nicht isoliert ausgelegt werden, sondern muss stets in Beziehung zur Gesamtheit der biblischen Lehre beleuchtet werden. Die genaue Bedeutung einer kleinen Figur in der Ecke eines großartigen Gemäldes von einem berühmten Meister kann man auch nur dann bestimmen, wenn man den zentralen Gedanken des Bildes und das Bild selbst als Ganzes kennt.

2. Christus als das Thema und der Mittelpunkt der ganzen Schrift

Jesus erklärte den beiden Jüngern in allen Schriften „das, was ihn selbst betraf“ (V. 27). Man beachte: nicht was Israel betraf, sondern was Ihn betraf! Welche Offenbarungen wurden ihren erstaunten Herzen auf dem Rest dieses Weges eröffnet! Kein Wunder, dass ihr Herz in ihnen brannte (V. 32). So war letztlich doch nicht alles vorbei, auch wenn Israels Erlösung in undefinierte Ferne gerückt zu sein schien.

Christus, nicht Israel, ist der herrliche Mittelpunkt aller Ratschlüsse Gottes. Im Verlauf dieser wunderbaren Auslegung der ganzen Schrift hat der Herr sicher auch Jesaja 49,5.6 berücksichtigt: „Israel ist nicht gesammelt worden; aber ich bin geehrt in den Augen des HERRN, und mein Gott ist meine Stärke geworden -, ja, er spricht: Es ist zu gering, dass du mein Knecht seist, um die Stämme Jakobs aufzurichten und die Bewahrten von Israel zurückzubringen. Ich habe dich auch zum Licht der Nationen gesetzt, um meine Rettung zu sein bis an das Ende der Erde.“ Das Motto einer jeden Abhandlung über diese Schriftstelle muss notwendigerweise sein: „Nicht Israel, sondern Christus ist der Mittelpunkt“.

Zu diesen beiden Punkten kommt nun noch ein dritter hinzu, um das Heilmittel gegen Enttäuschungen zu vervollständigen. Er ist der Wichtigste von allen.

3. Der auferstandene Christus, im Glauben erkannt als der vereinende Mittelpunkt seines Volkes

Die Geschichte der beiden Emmaus-Jünger ist noch nicht zu Ende. Zuhause angekommen, bitten sie den Fremden, bei ihnen einzukehren. Doch als der eingeladene Gast beim Abendessen plötzlich den Platz des Gastgebers einnimmt und das Brot bricht, werden ihre Augen aufgetan und sie erkennen IhnDirekt danach wird Er vor ihnen unsichtbar (V. 30.31).

Tatsächlich hatten sie den Messias, wie sie Ihn zuvor dem Fleisch nach gekannt hatten, verloren. Aber jetzt konnten sie einen ersten flüchtigen Blick des Erkennens auf Ihn als Auferstandenen werfen – und dieser Blick veränderte sie völlig. Zwar hatten sie vorher unter seiner Anleitung gesehen, dass Er selbst das Thema der ganzen Schrift ist. Aber selbst, als sie Ihm zuhörten und dadurch ihr Herz in ihnen brannte, sahen sie Ihn nur mit ihren natürlichen Augen. Sie erkannten Ihn nicht. Aber „an dem Brechen des Brotes“ erkannten sie Ihn nun im Glauben (V. 35) – und Er wurde vor ihnen unsichtbar. Was für ein Tausch!

An diesem Punkt wurde ihre Enttäuschung in Freude verwandelt. Statt dass alles vorbei war, war nun alles sicher. Ihr Weinen im Dunkel der Nacht war vorüber und ihre Seelen tauchten in das Licht des Auferstandenen. Ihre Sonne war nicht hinter Sturmwolken untergegangen, um – wie sie gedacht hatten – nie wieder hervorzutreten. Er hatte um ihretwillen eine kurze, aber schreckliche Finsternis erlitten und war nun aus dem Schatten des Todes hervorgetreten, um nie wieder in diesen Schatten einzutreten. Durch diese Entdeckung wurden sie verändert. Nachdem ihre Enttäuschung geheilt war, hielt es sie nicht länger an diesem falschen Platz. „Sie standen zu derselben Stunde auf und kehrten nach Jerusalem zurück. Und sie fanden die Elf und die, die mit ihnen waren, versammelt … Und sie erzählten, was auf dem Weg geschehen war und wie er von ihnen erkannt worden war an dem Brechen des Brotes. Während sie aber dies redeten, trat er selbst in ihre Mitte“ (V. 33.35.36).

Die Ruhe und Freude, die in diesem Moment ihre Herzen erfüllten, kann jeder enttäuschte Gläubige auch heute erlangen – aber nur auf eben diese Weise. Christus, und Christus allein, ist das Ziel der Gedanken Gottes. Demzufolge ist es nicht sein Ziel, dass sich die Gläubigen in Selbstzufriedenheit mit der ihnen verliehenen eigenen Heiligkeit beschäftigen, sondern dass sie im Bewusstsein ihrer eigenen Schwachheit Christu zufrieden in Christus sind. Gottes Ziel in der Welt sind nicht bloß dem Menschen dienende „Bekehrungsbewegungen“, sondern die Erwählung eines Volkes für Christus. Gott befasst sich heute nicht mit der Errichtung einer kirchlichen Einheit – denn diese ist nach außen hin ein für alle Mal zusammengebrochen -, sondern damit, Christus zu erhöhen. Er soll der vereinende Punkt in dem Glauben und der Liebe seines Volkes sein, damit Er eine klare Realität für sie wird und unter ihnen groß gemacht wird, sei es im Leben oder im Tod. Wenn dies geschieht, wird auch ein großes Maß an Einheit – nämlich die Einheit des Geistes – erreicht werden, wenn auch in aller Schwachheit und Unvollkommenheit.

Gründen wir also unsere Erwartungen stets und mit Bedacht auf die ganze Heilige Schrift und seien wir damit zufrieden, dass Christus, seine Herrlichkeit, sein Ruhm, seine Interessen und vor allem der Vorzug, Ihn zu kennen, unser wunderbares Teil ist! Dann werden wir auch in den schwierigsten Umständen mit Zuversicht und Freude unseren Weg gehen, bis das strahlende Ziel erreicht ist.

[Übersetzt aus Scripture Truth (Jahrgang 1914); der Artikel wurde an einigen Stellen erweitert und angepasst].

F.B. Hole

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2020, Heft 4, Seite 3

Bibelstellen: Lukas 24,13-25; Römer 6,14; 1. Johannes 1,8; u. a.

Stichwörter: Christus, Enttäuschung, ganze Schrift, Glauben, Heilmittel