Bibelauslegung

Der Eckstein

Gedanken zu Psalmen 114-118

 

Die Psalmen 114-118 bilden eine eigene Gruppe. Wir finden in ihnen eine prophetische Beschreibung des zukünftigen Tages, an dem der einst verworfene Christus verherrlicht und sein Volk Israel befreit werden wird. Der Höhepunkt des Geschehens wird in Psalm 118 erreicht. Doch bevor wir uns damit befassen, wollen wir in den vier vorangehenden Psalmen die Schritte betrachten, die zu diesem Höhepunkt führen.

Der Glaube hält Rückschau

In Psalm 114 blickt der Glaube zurück und erkennt in der Befreiung Israels aus Ägypten die Macht der Gegenwart Gottes. Dieselbe Macht wurde auch sichtbar, als Israel den Jordan durchquerte, um in das verheißene Land einzuziehen. In den Augen mancher Zeitgenossen mögen diese aufsehenerregenden Szenen nur Naturphänomene und außergewöhnliche Zufälle gewesen sein. Genauso sehen es auch moderne Skeptiker – sofern sie überhaupt zugeben, dass sich so etwas tatsächlich ereignet hat. Aber wir wissen durch den Glauben: Gott war da und hat in Macht gehandelt.

Die Zuversicht des Glaubens

In Psalm 115 spricht erneut der Glaube. Er ist davon überzeugt, dass der Gott, der in der Vergangenheit auf diese Weise gehandelt hat, heute noch der lebendige Gott ist. Die Götzen der Heiden sind absolut nichtig. Sie sind ebenso töricht wie die Menschen, die sie anfertigen und auf sie vertrauen. Unser Gott ist in den Himmeln. Er handelt von jeher so, wie es Ihm gefällt. Aus diesem Grund verdient Er unser ganzes Vertrauen. Der Psalmist ruft zunächst Israel, dann das Haus Aaron und schließlich alle, die den HERRN fürchten, dazu auf, Gott als ihre Hilfe und ihrem Schild zu vertrauen. Die abschließenden Verse des Psalms beinhalten zuversichtliche Worte des Glaubens. Ohne jeden Zweifel wird Gott eingreifen und sein Volk sowie alle segnen, die auf Ihn vertrauen.

Fester Glaube in Prüfungen

Psalm 116 drückt aus, was der Glaubende in dem Moment empfindet, in dem er Gottes Rettung erlebt. Aus prophetischer Sicht kann man Vers 3 als Hinweis auf das Leid der großen Drangsal verstehen. Der Gottesfürchtige war bis an die Tore des Todes und des Scheols gelangt. Rückblickend auf diese schreckliche Stunde muss er gestehen: „Ich bin sehr gebeugt gewesen. Ich sprach in meiner Bestürzung: Alle Menschen sind Lügner!“ (V. 10.11). Jetzt jedoch ist er errettet: vom Tod, von Tränen und vom Sturz (V. 8).

So mancher Gläubige, der in die Periode der großen Drangsal eintritt (dazu gehören natürlich nicht die Christen, sie werden vorher entrückt), wird nicht auf diese Weise gerettet werden, wie uns das Buch der Offenbarung deutlich macht. Dazu passt auch Vers 15 unseres Psalms: „Kostbar ist in den Augen des HERRN der Tod seiner Frommen.“ Viele werden in der Verfolgung durch Satan, beziehungsweise durch die beiden „Tiere“ (Off 13), denen er Macht verleiht, sterben. Ihr Tod wird in den Augen des Herrn sehr kostbar sein. Dies wird Er durch die besondere Auferstehung beweisen, an der Er sie teilhaben lässt (Off 20,4).

Der Glaube richtet seinen Blick jedoch schon auf das Land der Lebendigen, bevor es erreicht wird, und zwar unabhängig davon, ob es durch Bewahrung vor dem Tod oder durch Auferstehung geschieht. „Ich glaubte, darum redete ich“ (V. 10) – das ist die Sprache des Glaubens. Auf diesen Vers bezog sich der Apostel Paulus in 2. Korinther 4,13, als er sagte: „Da wir aber denselben Geist des Glaubens haben …, so glauben auch wir, darum reden wir auch.“ Der Tod stand vor seinem Geist und bedrohte auch seinen Körper, doch im Glauben richtete er seinen Blick auf die Auferstehungswelt. Daher war er in der Lage, mutig seinen Glauben zu bezeugen, so wie der Psalmist es zu seiner Zeit tat – und wie diejenigen, auf die der Psalm prophetisch hinweist, es in Zukunft tun werden. Wir lernen: Schon bevor Gottes Eingreifen sichtbar wird, kann der Glaube voller Zuversicht sagen: „Ich werde wandeln vor dem Herrn im Land der Lebendigen“ (V. 9). Auch wir können dies heute sagen. Tun wir es auch?

Der Glaube lobt Gott

Psalm 117 ist sehr kurz und doch schlägt er eindeutig einen Ton des Lobpreises an. Zudem enthält er zwei bemerkenswerte Gedanken. Erstens werden die Nationen und Völker dazu aufgerufen, den HERRN wegen seiner Güte über „uns“ – also Israel – zu preisen. Der Grund dafür wird in Römer 11,12-15 dargelegt: Eines Tages wird Gott Israel wieder in seine Gunst zurückführen. Das wird sein wie „Leben aus den Toten“ (Röm 11,15). Ähnliches wird auch in Psalm 67,2.3 angedeutet: Gott wird einen Segen ausgießen, der sich über alle Völker erstrecken wird. Deshalb werden Ihn alle Nationen gemeinsam und von Herzen für seine Gnade über Israel preisen.

Der zweite wichtige Gedanke ist die Art und Weise, wie Gnade und Wahrheit im zweiten Vers miteinander verknüpft werden. Weder Gnade auf Kosten der Wahrheit noch Wahrheit auf Kosten der Gnade würde Gott ehren und den Menschen zum Segen sein. Wenn Gott in der Zukunft alle seine Pläne mit Israel verwirklicht, wird einerseits die wahre Größe der Gnade Gottes gegen sein Volk sichtbar und andererseits seine Wahrheit für immer festgeschrieben. Die Grundlage für dies alles ist das Kreuz Christi. Daher gilt das Gleiche auch heute, wenn uns das Evangelium erreicht.

Psalm 118

Psalm 118 greift dieses Thema auf und zeigt genauer, wie die Gnade offenbart und die Wahrheit festgeschrieben werden soll. In den Versen 2-4 werden dieselben drei Personengruppen wie in Psalm 115 erwähnt: „Israel“ ist natürlich das ganze Volk – das wiedergeborene Volk, das in das Tausendjährige Reich eingehen wird. Das „Haus Aaron“ ist die Priesterfamilie, die in besondere Nähe zu Gott gebracht worden ist. „Die den HERRN fürchten“ sind alle Gottesfürchtigen unter den Nationen. In Psalm 115 wurden sie alle aufgefordert, dem Herrn zu vertrauen, der ihre Hilfe und ihr Schild ist. Nun sollen sie Ihn für seine Werke preisen, die im weiteren Verlauf des Psalms beschrieben werden. Sie sollen bezeugen, dass seine Güte ewig währt.

Glaube vertraut auf Gott

In den folgenden drei Versen (Ps 118,5-7) wird das zukünftige Eingreifen des HERRN für sein Volk verkündet. Diese Verse stehen in der Vergangenheitsform, was jedoch in den prophetischen Schriften nicht ungewöhnlich ist. Es zeigt, dass die Erfüllung dieser Prophezeiungen so sicher ist, dass man sie als bereits eingetroffen betrachten kann.

Das hebräische Wort für „Bedrängnis“ in Vers 5 ist mit einem Wort verwandt, das „Belagerung“ bedeutet. Zweifellos wird die Not Israels während der Belagerung, die in Sacharja 14,2 erwähnt ist, einen Höhepunkt erreichen. Und genau in diesem entscheidenden Moment wird der HERR eingreifen, um Israel zu helfen. Das zeigen dann die Verse 6 und 7. Der HERR wird ihr Schreien erhören, indem Er sie in einen weiten Raum stellt und ihre Feinde vernichtet. Infolgedessen werden sie wirklich sagen können: „Der HERR ist für mich, ich werde mich nicht fürchten; was sollte der Mensch mir tun?“ (V. 6).

In den Versen 8 und 9 finden wir die Schlussfolgerung, zu der sie gelangen. Ihr Vertrauen in Menschen, sogar in Fürsten, ist gebrochen. Sie erkennen, dass es besser ist, sich auf den HERRN zu verlassen. Es heißt, dass Vers 8 der Vers ist, der genau in der Mitte der Bibel steht. Wenn das stimmt, ist es sehr passend. Er bekundet nämlich eine der größten Wahrheiten der Bibel – die zentrale Wahrheit, um die sich in unserer Lebenspraxis alles dreht. Wie schnell setzen wir unser Vertrauen auf Menschen, und wie zögerlich vertrauen wir dem Herrn! Doch genau das ist es, was Israel lernen muss: Menschliche Stützen verlassen und bei Gott Zuflucht suchen. Und auch wir müssen es lernen.

Die Verse 10-12 scheinen mit Vers 7 in Verbindung zu stehen. In der Tat werden alle Nationen Jerusalem umringen, wenn der Tag des HERRN gekommen ist. Das wird in Sacharja 14,2 ausdrücklich gesagt. Ebenso wird angekündigt, dass dies zur Vernichtung der Nationen führen wird. Es wird der Augenblick sein, in dem der HERR (Jahwe/Jehova) erscheinen wird, um sein Volk zu befreien und ihre Feinde zu stürzen. An jenem Tag werden seine Füße auf dem Ölberg stehen. Die Füße, die den Ölberg in der Nähe von Bethanien verließen, waren die Füße des Herrn; und die Füße des Herrn, die bald auf diesem Berg stehen werden, werden die Füße des verherrlichten Jesus sein.

Dreimal wird uns gesagt: „Im Namen des HERRN vertilgte ich sie.“ Hier wird wieder die Vergangenheitsform in ihrer prophetischen Bedeutung verwendet. Erstaunlich ist, dass der Psalmist sagt: „Ich vertilgte sie“, aber wir müssen beachten, dass er hinzufügt: „im Namen des HERRN“. Ihm ist bewusst, dass es nicht aus eigener Kraft, sondern nur durch die Macht Gottes geschieht. Diese Tatsache wird in den Versen 13-17 voll anerkannt. Es ist die „Rechte des HERRN“, die den Sieg erringt. Diese rechte Hand ist Christus. Der Sohn des Menschen, den der HERR sich gestärkt hat, ist der „Mann deiner Rechten“ (Ps 80,18). Daher werden die Gottesfürchtigen nicht sterben, sondern leben und die Werke des HERRN verkünden.

So viel zu der großen Befreiung in den letzten Tagen, die Israel dazu antreiben wird, dem HERRN zu danken und zu bezeugen, dass seine Güte ewig währt.

Glaube sieht hinter allem Gottes Hand

Nun folgt ein anderes Thema. Bei all diesen großen Ereignissen kann das Auge des Glaubens unter die Oberfläche sehen. Setze einmal folgende drei Sätze zusammen: „Alle Nationen hatten mich umzingelt.“ „Hart hast du mich gestoßen, um mich zu Fall zu bringen.“ „Hart hat mich Jah gezüchtigt“ (V. 10.13.18). Der erste Satz handelt von dem, was allgemein bekannt sein wird: Die ganze Welt wird es mitbekommen, wenn Jerusalem der große Zankapfel aller Nationen sein wird. Der nächste Satz befasst sich mit dem, was vielleicht nicht jeder wahrnimmt. Es wird einen Widersacher von besonderer Art geben, dessen einziges Ziel es ist, Gottes Volk zu stürzen. Warum? Weil er weiß, dass der göttliche Plan für die Erde gerade durch dieses Volk verwirklicht werden soll. Dieser Widersacher ist Satan, wobei wir das „du“ möglicherweise auch auf die antichristliche Macht beziehen können, durch die er Israel zerschlagen will. Doch der HERR wird ihnen helfen und ihnen „zur Rettung“ werden – so wie Er es tat, als Er ihre Vorfahren aus Ägypten führte.

Die Aussage des dritten Satzes hingegen ist nur für den Glauben wahrnehmbar. Er sieht in allem die Züchtigung Gottes. Und erst wenn diese ihre volle Wirkung entfaltet und zu der umfassenden nationalen Buße geführt hat (vgl. Sach 12,9-14), wird Gott sein Volk erlösen.

Diese drei Aspekte sind sehr lehrreich, weil es immer und immer wieder auf diese Weise geschieht. Schauen wir auf Hiob. Die Ursache seiner Leiden konnte allgemein gesehen werden: die Sabäer, die Chaldäer, das Feuer, der Wirbelsturm. Was nicht jeder wusste: Hinter all diesem steckte die finstere Macht Satans, die Hiob hart bedrängte. Doch hinter dieser Macht verbarg sich Gottes züchtigende Hand. Das erkannte Hiob. Sein Glaube und seine Geduld zeigten sich darin, dass er nicht auf die äußeren Ursachen schaute. Er schaute durch alles hindurch direkt auf Gott und nahm alles aus seiner Hand an. Genauso sollten auch wir die Dinge sehen. Wenn wir in unseren Problemen auf diese oder jene Ursache schauen, verwirrt und erregt uns das oft. Wenn wir uns jedoch unter Gottes Hand beugen, werden wir reich gesegnet.

Der Segen des Tausendjährigen Reiches

Der letzte Teil des Psalms (V. 19-29) liefert uns Einzelheiten darüber, wie schließlich der tausendjährige Segen erlangt wird. Zunächst wird die Gerechtigkeit hervorgehoben (V. 19-21). In jener glücklichen Zeit wird Gerechtigkeit herrschen. Darum muss das Eingangstor zwangsläufig ein „Tor der Gerechtigkeit“ sein, und wer durch dieses eingeht, muss gerecht sein. In den folgenden Versen wird beschrieben, wie die Tore der Gerechtigkeit geöffnet werden. Die Prophezeiung lässt sich in vier Unterpunkte gliedern: „Der Stein“; „Der Tag“; „Der da kommt“; „Das Festopfer“ (V. 22.24.26.27).

Der Stein

Bei seinem ersten Kommen war Christus der Stein, den die Bauleute ablehnten (V. 22). Dies ergibt sich eindeutig durch wiederholte Zitate und Anspielungen im Neuen Testament. Als Er vor mehr als 2000 Jahren die Erde betrat, waren die Menschen sehr damit beschäftigt, ihre Reiche zu errichten und ihre weltlichen oder auch religiösen Pläne zu verwirklichen. Hätte Er sich ihren Vorstellungen unterworfen, hätten sie Ihn wahrscheinlich gerne in ihr Bauwerk eingebracht, damit Er es mit seinen übernatürlichen Kräften hätte dekorieren können. Sie merkten jedoch, dass Er ein Stein von einer solchen Form und Beschaffenheit war, dass es ihnen unmöglich war, Ihn irgendwie oder irgendwo einzufügen. Also verwarfen sie Ihn. Daraufhin kehrte Er in Herrlichkeit zurück, um der „Eckstein“¹ des Baus zu sein, der nicht von Menschen, sondern von Gott errichtet wird. Da dies in der Tat nur durch den HERRN geschehen kann, ist es verständlich, dass es „wunderbar“ in den Augen derer sein wird, die dann endlich die Wahrheit erkennen werden – wo sie Ihn doch kurz zuvor noch als einen zu Recht Verworfenen angesehen haben.

Bei seinem herrlichen zweiten Kommen wird Er der Stein aus Nebukadnezars Vision sein, der nicht durch Hände gelöst wurde (vgl. Dan 2,34.44.45). Er wird mit schrecklicher und unglaublicher Geschwindigkeit auf die stolzen Königreiche der Menschen zurollen und sie vollständig zerstören. Die mächtigen Winde des Himmels werden die Trümmer wie Spreu vom Dreschplatz davonwehen. Dann wird der einst verworfene Stein – der gepriesene Herr Jesus – eine neue Ordnung der Dinge einsetzen, in der Er selbst das Fundament sowie das herrschende Haupt sein wird.

Der Tag

Wenn der damals verworfene Stein als Haupt eingesetzt wird, wird ein neuer Tag anbrechen. Erlöste Menschen werden jubeln: „Dies ist der Tag, den der HERR gemacht hat“ (V. 24) – und welch ein herrlicher und gesegneter Tag wird es sein! Heute schauen wir auf eine zerstrittene und ruhelose Welt. Die Menschen verzagen vor Angst. Die Bibel stellt eindeutig klar, was auf die Erde zukommt. Wir sagen seufzend: Dies ist der Tag, den der Mensch gemacht hat. Der Begriff „menschlicher Tag“ wird in 1. Korinther 4,3 verwendet. Es ist der Tag, an dem der Mensch darauf besteht, sich selbst in den Mittelpunkt und in den Vordergrund des Bildes zu rücken. Ein Albtraum, der bis heute anhält! Doch wenn die menschliche Ungerechtigkeit ihren Höhepunkt erreicht hat, wird dieser Tag durch schreckliche Ereignisse zu seinem Ende kommen. Der Tag des Menschen wird durch die Nacht des Gerichts abgelöst werden.

Wenn Christus in den Mittelpunkt und in den Vordergrund des Bildes tritt, kommt der Tag, den der Herr gemacht hat. Es wird ein Tag des Heils und des Wohlstands sein. Die Menschen werden sich freuen und darin fröhlich sein. Sogar uns macht es schon vor Erscheinen dieses Tages glücklich, an diese Segenszeit zu denken.

Der da kommt

Alles dreht sich um eine Person. Das schärft uns Vers 26 ein. Als der Psalm geschrieben wurde, war der Begriff „Stein“ noch sehr unpersönlich. Jahrhunderte mussten vergehen, bis die wahre Bedeutung dieses Wortes ans Licht trat. Es mussten jedoch keine Jahrhunderte vergehen, bis offenbart wurde, dass der Segen für die Menschen mit der Ankunft einer Person verbunden sein wird, die im Namen des Herrn kommt. Er wird Vertreter des HERRN sein. Und wir erkennen heute, dass es der Sohn ist. Der Sohn ist der HERR, ebenso wie der Vater.

Als der Herr Jesus auf dem Rücken eines jungen Esels in Jerusalem einzog, rief die Menschenmenge: „Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ (Mt 21,9). Doch dies war nur das Ergebnis eines plötzlichen Anflugs von Begeisterung und nicht von Dauer. Schon weniger als eine Woche später würden sie Ihn kreuzigen! Der Herr wusste, wie wertlos ihr enthusiastisches Rufen war. Deshalb sagte Er wenig später: „Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprecht: ‚Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!‘“ (Mt 23,39). Auf diesen Augenblick bezieht sich Vers 26, wenn sie Ihn wiedersehen und Ihn wahrhaftig und von Herzen willkommen heißen werden.

Das Festopfer

Zu guter Letzt kommen wir zu dem Opfer, in dessen Licht Gott erkannt wird. Auf den ersten Blick mag es merkwürdig erscheinen, dass das Opfer erst am Ende erwähnt wird und nicht schon am Anfang. Denn der Psalm handelt ja vom zweiten Kommen Jesu, und sein Opfer wurde bereits bei seinem ersten Kommen vollbracht. Aber Israel wird dies erst bei seinem zweiten Kommen verstehen. Dann, und erst dann, wird es ihnen wie ein Licht vom Himmel aufgehen. Die Opfer, die im Tausendjährigen Reich an den Altar gebunden werden, dienen bloß zum Gedenken an das große Opfer, das auf Golgatha ein für alle Mal dargebracht wurde.

Indem wir jetzt am Ende dieses Psalms auf das Festopfer stoßen, kommen wir zu dem, was allem zugrunde liegt. Wenn Er, der damals verworfene Stein, sich nicht geopfert hätte, wäre Er nie zum Haupt der Ecke geworden. Auch würde nie der Tag anbrechen, den der HERR gemacht hat. Als die Menschen Jesus an den römischen Galgen „banden“, verwandelte Er sein Kreuz sozusagen in einen Altar. Waren die „Stricke“ (V. 27), die Ihn dort hielten, nicht die Stricke einer göttlichen, unbesiegbaren Liebe?

Wie dankbar dürfen wir sein, dass Gott uns Licht darüber gegeben hat, was sein Opfer bewirkt hat! In diesem Licht warten wir auf sein Kommen, das den Tag einläuten wird, den der HERR gemacht hat. Dann wird der damals verworfene Stein, unser anbetungswürdiger Herr Jesus, in seiner Herrlichkeit hervortreten.

Wir müssen mit unserem Lobpreis nicht auf den Anbruch jenes Tages warten. Wir können auch heute schon sagen: „Du bist mein Gott, und ich will dich preisen; mein Gott, ich will dich erheben. Preist den HERRN, denn er ist gut, denn seine Güte währt ewig!“ (V. 28.29).

Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden.

*Psalm 118,22


FN 1: Wörtlich: Das Haupt der Ecke.

F. B. Hole

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2020, Heft 6, Seite 6

Bibelstellen: Psalmen 114–118; Offenbarung 20,4; 2. Korinther 4,13; Römer 11,12-15; u. a.;

Stichwörter: Glaube, Lob, Prüfungen, Stein, Tag, Vertrauen, Zuversicht