Glaubensleben

Freude am HERRN

Der aus der babylonischen Gefangenschaft zurückgekehrte Überrest hatte das brennende Verlangen, Gottes Wort zu hören; sie sprachen zu Esra: „… dass er das Buch des Gesetzes Moses bringen sollte“ (Neh 8,1). So standen sie auf dem Platz vor dem Wassertor „sowohl Männer als Frauen und … alle, die Verständnis hatten, um zuzuhören“ (Neh 8,2).

Das Hören des Wortes Gottes rief eine starke Reaktion hervor – Trauer und Weinen: „Das ganze Volk weinte, als es die Worte des Gesetzes hörte“ (Neh 8,9). Erstens mögen sie empfunden haben, wie schwach der Zustand dieses kleinen Überrestes war (vgl. auch Esra 3,12). Wie der weitere Bericht Nehemias in Kapitel 9 zeigt, waren sie zweitens in ihren Gewissen getroffen; das Wort Gottes machte ihnen offensichtlich die traurige Geschichte des andauernden Abweichens und Ungehorsams deutlich. Drittens aber kamen sie auch unter den überwältigenden Eindruck der Güte und der Barmherzigkeit Gottes, der sie – trotz allen Ungehorsams – nicht verlassen hatte (Neh 9,17)!

So notwendig, wie Beugung und Demütigung waren – so wichtig war es andererseits auch, dass sie die Freude an ihrem Gott behielten; und genau darauf zielen die Worte Esras oder Nehemias ab: „Betrübt euch nicht, denn die Freude an dem HERRN ist eure Stärke“ (Neh 8,10).

Wie viel Grund hatte der Überrest damals, nicht bei Beugung und Demütigung stehen zu bleiben, sondern den Blick auf ihren Gott gerichtet zu halten! Wie wunderbar hatte Gott sich den Glaubenden des Alten Testaments gegenüber offenbart als:

  • Gott, der Höchste, der Himmel und Erde besitzt – Gott als der Segnende (1. Mo 14,19) und als der, dem Ehre dafür gegeben wird (1. Mo 14,20);
  • Gott, der „mich schaut“ oder, „der sich schauen lässt“ – Er sieht die Not der Menschen und Er offenbart etwas von sich, in dem Er eingreift und rettet (1. Mo 16,13);
  • Gott, der Allmächtige – unerreicht in Macht, der alles kann, sichere Hilfe für den Glaubenden (Fremdling) auf seinem Weg über diese Erde (1. Mo 17,1; 2. Mo 6,3);
  • Gott, der – vorausschauend und auf der Grundlage des von Ihm selbst gegebenen Opfers – segnet (1. Mo 22,14.16-18);
  • Gott des Hauses Gottes – das ist der Ort, wo Gott sich offenbart (1. Mo 35,7);
  • Gott, der das Banner (Flagge mit einem Wappen) seines Volkes ist – zu diesem Herrn (Wappen/Hoheitszeichen) gehörten sie und unter diesem Wappen kämpften sie (2. Mo 17,15);
  • Gott, der Quelle und Garant des Friedens in jeder Beziehung ist (Ri 6,24);
  • Gott, der ihre Gerechtigkeit sein wird (Jer 23,6);
  • Gott, der – im 1000-jährigen Reich in Jerusalem gegenwärtig – das Zentrum und der Ausgangspunkt jeden Segens sein wird (Hes 48,35)!

Wenn die Glaubenden damals vielleicht auch nicht die ganze Tiefe der Offenbarungen Gottes im Alten Testament erfasst haben mochten, so hatten sie doch eine Fülle an Anregungen und Impulsen, über diesen wunderbaren Gott nachzudenken und sich an Ihm zu freuen!

Wie steht es da mit uns? Heute gibt es nicht weniger Veranlassung, uns zu beugen und zu demütigen, weil wir vom Wort Gottes abgewichen sind und ungehorsam geworden sind. Das betrifft sowohl unser persönliches wie auch gemeinschaftliches Leben als himmlisches Volk Gottes.

Aber – auch uns gegenüber hat die Aufforderung Esras oder Nehemias nicht an Aktualität verloren. Inwiefern freuen wir uns, jeder ganz persönlich, an unserem wunderbaren und einzigartigen Herrn? Wollen wir uns anspornen lassen, über die Person des Herrn Jesus immer wieder nachzudenken und uns an ihm zu erfreuen als demjenigen, der …

  • … Mittler geworden ist (1. Tim 2,5);
  • … unser Retter (Heiland) und Erlöser ist (Eph 1,7);
  • … uns liebt (Eph 3,19);
  • … uns als Hoherpriester auf dem Weg zur Herrlichkeit hilft in allen Schwachheiten (Heb 2,18);
  • … als Sachwalter bei dem Vater tätig ist, damit wir – wenn wir gesündigt haben – völlige Wiederherstellung erfahren (1. Joh 2,1.2);
  • … als „Haupt des Leibes der Versammlung“ dafür sorgt, dass sie „heilig und untadelig“ ist zu seiner Freude (Eph 5,23.27);
  • … als „Haupt über alles“ (Eph 1,22) einmal herrschen wird – und wir an seiner Seite!
  • … als „Anfänger und Vollender“ des Glaubenslaufes uns anspornt, den Blick fest auf Ihn gerichtet zu halten und Ihm mit Hingabe und Energie nachzufolgen (Heb 12,2).

Die begonnene Aufzählung der Würden und Schönheiten der Person unseres Herrn mag Ansporn sein, beim persönlichen Bibellesen weitere Herrlichkeiten seiner Person zu entdecken und uns daran beständig zu erfreuen. Das gibt Kraft, Ihm nachzufolgen, bis Er kommt. Das intensiviert die Beziehung zu Ihm, das belebt die Erwartung seines Wiederkommens.

Ja – wir werden aufgefordert, uns „in dem Herrn“ (Phil 4,4) zu freuen, das heißt alles, was Er uns auf Erden schenkt und begegnen lässt, in dankbarer Freude und in Gemeinschaft mit Ihm zu genießen; außerdem dürfen wir mit seiner einzigartigen Person beschäftigt sein.

Wenn Er kommt, um uns zu sich in die Herrlichkeit zu holen, dann werden wir „Fülle von Freuden“ (Ps 16,11) in Vollkommenheit genießen – die Freude an Ihm, unserem Herrn, und an allem, was uns mit Ihm aus Gnade geschenkt ist!

Die Freude an dem HERRN ist eure Stärke.

*Nehemia 8,10

Friedhelm Runkel

Einordnung: Im Glauben leben, Jahrgang 2020, Heft 6, Seite 3

Bibelstellen: Nehemia 8,1.2.9.10; 9,17; Esra 3,12; 1. Mo 14,19.20; u. a.;

Stichwörter: Beugung, Demütigung, Freude, Stärke