Größer als Alexander
Christus in Sacharja 9 – Teil 1
Fortsetzung von Heft 05/2020, Seite 18
Im letzten Teil des Propheten Sacharjas (Kap. 9 bis 14) wird ein beeindruckend deutliches Bild von Christus, dem kommenden Messias, gemalt. Wir erkennen darin zwei Abschnitte. Beide beginnen mit den Worten „Ausspruch des Wortes des HERRN“:
- Kapitel 9-11: Der Messias als König und Retter, gekommen, abgelehnt und durchbohrt.
- Kapitel 12-14: Das große Finale: Die Annahme des Messias und die Ereignisse bis zur endgültigen Befreiung.
Erfüllte und unerfüllte Prophetie
Sacharja 9 enthält die bekannte Zusage: „Siehe, dein König wird zu dir kommen: Gerecht und ein Retter ist er“ (V. 9). Um diese Vorhersage – und auch das gesamte Kapitel 9 – richtig zu verstehen, ist es wichtig, den Zusammenhang zwischen erfüllter und noch nicht erfüllter Prophetie zu sehen.
Kapitel 9 lässt sich leicht in drei Abschnitte einteilen. Der zentrale Abschnitt (V. 9-12) kündigt den kommenden König an. Davor und danach lesen wir von Siegen über die Feinde Israels. Aber alle drei Abschnitte haben sowohl eine geschichtliche als auch eine zukünftige Bedeutung. Die folgende Tabelle fasst das kurz zusammen.
Verse 1-8:
- Thema: Syrien, Phönizien, und das Gebiet der Philister fallen.
- Erfüllt: Alexander der Große eroberte diese Gebiete, verschonte aber Jerusalem.
- Zukünftig: Der Assyrer wird diese Gebiete erobern, dann aber besiegt werden. Jerusalem wird gerettet (Dan 11,40-45).
Verse 9-12:
- Thema: Der König
- Erfüllt: Sein Kommen in Demut vor gut 2000 Jahren
- Zukünftig: Seine Erscheinung in Herrlichkeit
Verse 13-17:
- Thema: Unterdrückung und Sieg der treuen Juden
- Erfüllt: Antiochus Epiphanes unterdrückte die Makkabäer – die aber am Ende doch siegten.
- Zukünftig: Der Messias wird sein Volk von allen Feinden retten (bis hin zur letzten Konföderation – Gog und Magog).
Solche Vor-Erfüllungen sind keine Seltenheit im prophetischen Wort, man denke nur an den Angriff des Assyrers zur Zeit Hiskias (Jes 36-39). Durch solche Vor-Erfüllungen gibt Gott uns nicht nur Anschauungsunterricht, sondern Er stärkt auch den Glauben: Gott konnte Alexander den Großen, einen heidnischen Herrscher, benutzen, um Nationen im Nahen Osten zu richten, sein eigenes Volk aber dabei zu verschonen. Was wird dieser Gott erst tun, wenn der Messias, Gott und Mensch in einer Person, die Schlacht anführt!
Erfüllte Prophetie in den Versen 1-8: Alexander der Große
„Ausspruch des Wortes des HERRN über das Land Chadrak; und auf Damaskus lässt es sich nieder (denn der HERR hat ein Auge auf die Menschen und auf alle Stämme Israels) und auch auf Hamat, das daran grenzt, auf Tyrus und Sidon, weil es sehr weise ist“ (V. 1-2).
Das Wort „Ausspruch“ (V. 1) wird auch mit „Last“ übersetzt sowohl im buchstäblichen Sinn (2. Mo 23,5) als auch im Sinn eines Gerichtsausspruchs (Jer 23,34). Sacharja kündigt hier eine Bestrafung der Nachbarvölker Israels an (Syrien (V. 1), Phönizien (V. 2-4) und Philistäa (V. 5-7). So ist wohl die zweite Hälfte des ersten Verses zu verstehen: „Auf Damaskus lässt es sich nieder“ – nämlich das kommende Gericht, von dem diese prophetische „Last“ handelt.
Als Alexander der Große in Windeseile die damals bekannte Welt eroberte, nahm er nach der berühmten Schlacht von Issus (im Jahr 333 v. Chr.) genau diese Gebiete ein, insbesondere Tyrus im heutigen Libanon (V. 3-4) und die Gebiete der Philister: Askalon, Gaza, Ekron und Asdod (V. 5-7; vgl. 1. Sam 6,17).
Aber Jerusalem wurde interessanterweise nicht von Alexander dem Großen erobert. Seine Armeen zogen mehrmals an der Stadt vorbei, ohne sie einzunehmen. Gott hinderte die „Hin- und Herziehenden“ (V. 8) daran, diese Stadt zu „überziehen“.
Als Sacharja diese Worte schrieb, waren die Perser an der Macht. Griechenland hatte kaum Bedeutung, und von dem berühmten Feldherrn und Eroberer Alexander ahnte noch niemand etwas. Aber Gott sah diese Ereignisse voraus und teilte sie durch den Propheten mit, um sein Volk zu ermutigen.
Noch nicht erfüllte Prophetie in den Versen 1-8
Allerdings fallen mehrere Formulierungen in diesem Abschnitt auf, die auf eine immer noch zukünftige Erfüllung hinweisen. Im Zusammenhang mit der Eroberung von Tyrus heißt es: „Siehe, der Herr wird es einnehmen und seine Macht im Meer schlagen“ (V. 4). Hier steht nicht, dass der Herr Alexander in die Lage versetzt, den Feind zu besiegen, sondern Er selbst wird als der gesehen, der Tyrus einnimmt.
Noch deutlicher wird es in der ersten Hälfte von Vers 8: „Und ich werde für mein Haus ein Lager aufschlagen vor dem Kriegsheer, vor den Hin- und Herziehenden“. Alexander der Große mag an Jerusalem und dem Tempel vorbeigezogen sein (möglicherweise, wie der Geschichtsschreiber Josephus berichtet, beeindruckt durch eine Begegnung mit dem Hohenpriester), aber davon, dass Gott „ein Lager aufgeschlagen“ hat, um die Stadt bzw. sein Haus zu beschützen, kann nicht die Rede sein.
Den allerdeutlichsten Hinweis darauf, dass die endgültige Erfüllung noch in der Zukunft liegt, finden wir in der zweiten Hälfte des Verses: „Und kein Bedränger wird sie mehr überziehen; denn jetzt habe ich es mit meinen Augen gesehen“ (V. 8). Hier steht nicht nur, dass ein bestimmter Bedränger Jerusalem verschonen würde, sondern dass kein neuer Bedränger oder Bedrücker mehr kommen sollte. Wie viele „Bedränger“ haben seit dem Feldzug Alexanders dieses Land und diese Stadt noch überrannt! Das wird erst ein Ende haben, wenn Christus in Macht und Herrlichkeit erscheint und sein Volk befreit. Dann wird dieser Satz wahr werden: „Und kein Bedränger wird sie mehr überziehen“ (V. 8).
Damit steht die Frage im Raum: Wie kann eine so weitreichende und definitive Befreiung bewirkt werden? Und wie kann garantiert werden, dass das Land nie mehr überrannt oder bedrängt wird? Die Antwort kann nur lauten: durch den kommenden König. Und genau davon spricht der Prophet ab Vers 9.
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