Die zehn „verlorenen“ Stämme Israels
Seit jeher beschäftigen Bibelleser sich mit der Frage: Wo sind die „verlorenen“ zehn Stämme Israels? Die Antwort lautet: Kein Mensch weiß es. Aber Gott wird auch diese Angehörigen seines irdischen Volkes wieder hervor- und in das Land Kanaan bringen, zu Beginn des Tausendjährigen Reiches auf der Erde. Davon zeugen besonders die Mitteilungen über die geretteten Angehörigen der zwölf Stämme in Offenbarung 7,4-8 und die ausführliche Beschreibung ihres Erbteils im Land in Hesekiel 48.
Bis zum Ende der Regierungszeit Salomos waren alle zwölf Stämme mehr oder weniger vereint. Die beiden Stämme Ruben und Gad sowie die Hälfte von Manasse blieben bei der Verteilung des Landes Kanaan auf der Ostseite des Jordans (Jos 13,8-33). Erst am Anfang der Regierung seines Sohnes Rehabeam trennten sich zehn Stämme unter Jerobeam von den zwei Stämmen Juda und Benjamin, zu denen sich auch die meisten Leviten gesellten (1. Kön 12). Die zehn Stämme wurden weiterhin „Israel“ genannt, die beiden anderen Stämme „Juda“.
Die zehn Stämme verfielen von Anfang an dem Götzendienst, während die Könige der zwei Stämme teilweise sehr energisch für den HERRN, den Gott Israels, eintraten. Aufgrund ihres Götzendienstes wurden die zehn Stämme um das Jahr 722 v. Chr. in die assyrische Gefangenschaft geführt, von wo sie nie zurückkehrten. Etwas mehr als 100 Jahre später (ca. 605 v. Chr.) wurden die zwei Stämme von den Chaldäern in die babylonische Gefangenschaft geführt, die 70 Jahre dauerte. Von allen Juden in Babel kehrten zunächst jedoch nur 42.360 Personen zurück nach Juda, wie das Buch Esra berichtet.
Generell kann gesagt werden, dass alle „Juden“ von den zwei Stämmen und den Leviten abstammen. Die Leviten sind oft erkennbar am Namen Cohen, Kah[a]n oder ähnlich, der die Bedeutung „Priester“ hat. Wo die übrigen zehn Stämme sich befinden, ist bis heute unbekannt.
Allerdings finden wir schon im Wort Gottes Andeutungen, dass Angehörige der zehn Stämme mit den Juden vermischt waren, d. h., unter ihnen wohnten. In 1. Chronika 9,3 werden neben den Söhnen Judas und Benjamins, die nach der Rückkehr in Jerusalem wohnten, auch „Söhne Ephraims und Manasses“ genannt, also solche, die aus dem Stamm Joseph kamen. In Lukas 2,36 lesen wir von einer Frau Anna, einer Tochter Phanuels, „aus dem Stamm Aser“. Diese Erwähnungen könnten darauf hinweisen, dass während der Gefangenschaft zwischen den zehn und den zwei Stämmen eine Vermischung stattgefunden hat, ohne dass die einzelnen Stämme ihre Identität verloren haben. Es gibt viele unbegründete und zum Teil fantastische Vermutungen über die Identität und den Verbleib der zehn Stämme Israels (z. B. die Theorie des „British Israel“ u. ä.). Doch wo sie sich gegenwärtig befinden, ist nicht bekannt.
Im 20. Jahrhundert kamen viele Israeliten, die so genannten „Falaschas“, aus Äthiopien nach Israel. Sie kannten zwar das Gesetz, nicht aber z. B. das Purimfest, das erst in der Perserzeit eingeführt wurde (s. Est 9,17-28). Das deutet darauf hin, dass sie nach der assyrischen Gefangenschaft keine Kontakte mehr zu den Angehörigen der zwei Stämme Juda und Benjamin gehabt hatten. Die Falaschas wurden von den Rabbinern als Angehörige des Stammes Dan akzeptiert.
Das Wort Gottes spricht an verschiedenen Stellen über die Rückführung aller zwölf Stämme, z. B. in Jesaja 11,11-16; Jeremia 31. Nach Hesekiel 20,34-38 wird diese Rückführung begleitet von göttlichen Strafgerichten stattfinden, so dass zwar alle Israeliten aus den verschiedenen Ländern herausgeführt werden, aber die Empörer auf dem Weg nach Israel gestraft werden, so dass sie nicht in das Land der Verheißung gelangen. Das ist ein ganz anderer Vorgang als die Rückkehr der Juden, die wir ja seit einigen Jahren erleben. Während diese die „große Drangsal“ in ihrem Land und in Jerusalem erleben werden (s. Mt 24,15-31), werden die Israeliten aus den zehn Stämmen erst nach der Drangsal ins Land kommen. Auch Hesekiel 37 beschreibt die Rückkehr des gesamten Volkes, nicht nur eines Teils.
Beim Beginn des Tausendjährigen Reiches werden die zehn Stämme ihre wahre Identität als Angehörige des Volkes Israel wiedererkennen und in das Land ihrer Väter ziehen. Auf dem Weg dorthin werden sie „in der Wüste der Völker“ Buße tun (Hes 20,34-38). Wir finden sie auch in den 144.000 Versiegelten aus Israel in Offenbarung 7,3-8 (nicht zu verwechseln mit den 144.000 aus Juda in Off 14,1-5, die „von der Erde erkauft“ sind). So werden „Juda“ (d. h. die zwei Stämme) und „Ephraim“ (d. h. die zehn Stämme) zum ersten Mal seit der Zeit Salomos wieder ein geeintes Volk sein (Jes 11,11-13). In Hesekiel 37,22.24 lesen wir dazu: „Und ich werde sie zu einer Nation machen im Land, auf den Bergen Israels, und sie werden allesamt einen König zum König haben; und sie sollen nicht mehr zu zwei Nationen werden und sollen sich fortan nicht mehr in zwei Königreiche teilen … Und mein Knecht David wird König über sie sein, und sie werden allesamt einen Hirten haben; und sie werden in meinen Rechten wandeln und meine Satzungen bewahren und sie tun.“
Wenn skeptisch gefragt wird: „Wie sollen denn diese Menschen entdeckt und in das Land der Verheißung gebracht werden?“, dann brauchen wir nur daran zu erinnern, wie Gott sozusagen „hinter den Kulissen“ innerhalb kürzester Zeit nach der Judenverfolgung in den Jahren 1933-1945 einen großen Teil des jüdischen Volkes in das verheißene Land gebracht und dort trotz größter Widerstände erhalten hat. Das hätte vor 100 Jahren auch niemand für möglich gehalten – außer den Christen, die an die Unwandelbarkeit Gottes und seines Wortes glaubten. Es wird sich bewahrheiten, was in Römer 11,29 und 33 am Ende der Betrachtung über das Los des Volkes Israel steht: „Denn die Gnadengaben und die Berufung Gottes sind unbereubar … Wie unerforschlich sind seine Gerichte und unergründlich seine Wege!“
Und er wird den Nationen ein Banner erheben und die Vertriebenen Israels zusammenbringen, und die Zerstreuten Judas wird er sammeln von den vier Enden der Erde.
*Jesaja 11,12
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